Fotos mit freundlicher Genehmigung von Karhard
Zuerst erschienen in Groove 145 (November/Dezember 2013).
Die Berliner Thomas Karsten und Alexandra Erhard sind Karhard Architektur + Design. Zehn Jahre kontinuierliche Arbeit am pharaonischen Berghain-Projekt und mehrere Folgeprojekte haben sie zu wahren Clubexperten gemacht. Im Herbst 2013 eröffnete in Berlin der von ihnen gestaltete Club Marx im Café Moskau. Anna-Maria Phayouphorn porträtierte das Duo für die Groove-Ausgabe 145.
Musik und Architektur gehören zusammen. Das wusste schon im ersten Jahrhundert vor Christus Vitruv, Begründer der Architekturtheorie, der forderte, ein angehender Architekt solle als Erstes die Musiktheorie verstehen. Und das bestätigte auch Jack, als er 1987 verkündete: „I am the creator, and this is my house. And in my house there is only house music!“ Die Geschichte von House und Techno ist untrennbar mit ihren legendären Gründungsorten wie dem Chicagoer Warehouse oder New Yorks Paradise Garage verbunden, deren Namen bis heute als Genrebezeichnungen weiterleben. Diese frühen Clubs entstanden meist in den großzügigen Räumen ehemaliger Industriebauten, die ideale Exzessstätten abgaben.
Seit den Sechzigern waren in den USA Künstler und andere Hedonisten in verlassene Gebäude von der Jahrhundertwende eingezogen. Orte wie David Mancusos Loft oder Andy Warhols Factory waren ursprünglich für die gesellschaftlichen Imperative von Produktion und Verkauf bestimmt, eigneten sich aber auch bestens als Bühne für das gemeinsame Leben, Lieben und Feiern.
In einem karthartischen Prozess wurden in New York, Chicago, Detroit und anderswo die unwirtlichen Rand- und Zwischenzonen der Städte erobert und Fabrikleichen wiederbelebt. Man fand Freiräume, schuf Parallelwelten. Es war, als wollten die Clubkids mit Beats und Kicks die Geister der Vergangenheit austreiben. Auch das Berlin der frühen Neunziger war mit seinen unzähligen Ruinen und Brachen eine aufregende Spielwiese für die entstehende Partyszene, Bars und Clubs nisteten sich meist ungefragt in Leerstellen ein. So entstanden das E-Werk in einem alten Umspannwerk, der Tresor in der ehemaligen Geldkammer eines Kaufhauses oder das WMF in den Räumen einer Metallwarenfabrik. Die meisten Betreiber waren knapp bei Kasse und wussten nie, wie lange sie in einer Location bleiben können. Daher wurden die Räumlichkeiten in Eigenregie und unter Verwendung der zeitgemäßen DIY-Methoden ausgestattet: Recycling, Sampling, Remix.
Orte des Suchens und Streunens
Mit Ankunft der Dance Music in der Mitte der Gesellschaft etablierten sich auch die Clubs, und einige mauserten sich zu professionellen Feierinstitutionen mit Langzeitmietverträgen, die es sich leisten können, Architekten zu engagieren. So auch das Ostgut, das 2003 seine Tore schloss und aus dem ein Jahr später das Berghain hervorging. Das strenge neoklassizistische Gesicht des ehemaligen Heizkraftwerks, das den heute wohl auratischsten Club Europas beherbergt, ist mittlerweile eine Ikone. Da die Betreiber kaum Fotos zulassen, gilt das jedoch nicht für sein Inneres. Was hinter der Fassade der sagenumwobenen Stätte liegt, ist großenteils Werk des jungen Berliner Architektenpaars Thomas Karsten und Alexandra Erhard.