Poesie & Detailverliebtheit
Die Geschichte von Syć, sorbisch für „Netz“, erzählt sich so schön wie der Plot eines in Sepia gehaltenen Indie-Films. Eine Gruppe von Irgendwasmit-Kunst-und-Medien-Studenten lernt sich in der thüringischen Provinz kennen, das kulturelle Ödland wird zum kreativen Motor und die ersten gemeinsamen Partys legendär. Gleichgesinnte Künstler und Musiker aus dem Spreewald und Berlin kommen hinzu, gemeinsam veranstalten sie ein intimes Festival für Freunde und Freundesfreunde auf einer winzigen dänischen Insel, touren als DJs durch Deutschland und bringen Platten heraus, mit deren Einnahmen sie bald ihre Kunstaktionen finanzieren können. Auch als das Label plötzlich internationale Bekanntheit erreicht, bleibt das Kollektiv am Boden, gemeinsam etwas zu erschaffen bleibt wichtiger als der Erfolg.
Kunst und Musik sind für Syć dabei von Anfang an untrennbar verbunden. Die Nichtmusiker des Kollektivs gestalten die Plattencover der Giegling-Releases, die Flyer und Deko-Elemente für die Partys und schließlich die CD-Box, mit der sie sich 2008 ursprünglich für einen Gig bei der Fusion bewerben und dank des beeindruckenden Designs gebeten werden, doch einfach gleich die ganze Bühne zu gestalten. „Wir versuchen, mit unseren Bühnengestaltungen über das Poetische eine Atmosphäre zu etablieren, in der ganz viel möglich ist“, erläutert er philosophisch.
Die Liebe zum Detail, die man aus den Giegling-Produktionen von Traumprinz, Kettenkarussell, Ateq und Co. kennt, spiegelt sich auch in ihren Festivalbühnen in jedem Element. In diesem Jahr wirkt die Querfeld-Bühne wie ein Abenteuerspielplatz: In einer provisorisch gezimmerten Kirche steht eine funktionstüchtige Heimorgel aus den siebziger Jahren, auf der ein aufgeklapptes Notenheft dazu einlädt, mit Panoramablick auf die unten tanzende Meute Beethovens „Für Elise“ in die Tasten zu hauen. Wenn man mutig wäre, könnte man von hier oben aus direkt in das Bällebad springen, in dem sich einige Festivalbesucher schon kichernd mit blauen Plastikkugeln bewerfen. Das Unnütze, das kindlich Verspielte ausgestalten und durch eine eigene Festivalwelt fiktive Räume erschaffen, in deren geschützter Blase man sich ungestört austoben kann, darum geht es Syć.
„An der Fusion war für uns die Illusion, dass hier ganz unterschiedliche Seinsarten und Bewegungen ungestört nebeneinander existieren können, sehr inspirierend. Man hat das Diverse und gleichzeitig ein Gemeinsames, das dann flimmert und schimmert und total unterschiedlich ist.“ Wenn die Gruppe über den ideologischen Überbau von Syć spricht, verfällt sie schnell in einen anthropologischen Duktus, spricht fast schon esoterisch über kreative Energien, kollektives Gestalten und basisdemokratische Arbeitsprozesse. Wichtig sei ihnen, dass man das ideologische Konzept begreift, das hinter Syć steckt. Das Spezielle an ihren Projekten ist nämlich, dass man ihnen das Besondere an ihrer Kunst rein augenscheinlich gar nicht ansieht. Denn wie die Orte, die sie erschaffen, letztendlich konkret aussehen, ist nicht das Entscheidende.