Felix Kubin agiert gerne an der Grenze zur mal gefühlten, mal ernsthaft subventionierten Hochkultur, schafft es dabei aber immer auf nur minimal ironische Weise locker zu bleiben. Unter dem Projektnamen Felix Kubin und das Mineralorchester sammelt er Auftragswerke, die in andere Künste und Medien hinein reichen. Das Sammelalbum II Music for Film and Theatre (Dekorder) macht die implizite Heterogenität solcher Arbeiten zum Prinzip und zur Tugend: ihrer unmittelbaren Funktionalität beraubte Soundtrackschnipsel werden als atmosphärisch dunkle Klangcollage arrangiert, die strenge Fünfziger-Jahre Moderne der „akustischen Kunst“ in eine spielerische Form gebracht, wenn nicht direkt die Lust am cabaret-voltair‘schen Klappern überhand gewinnt. Selbstverständlich kommt auch der Kubin-typische Avantgardepop nicht zu kurz. So vermittelt auch dieses Album eine leicht wehmütige Ahnung davon was aus dem kurzen Moment des Aufbruchs nachdem die Freiheiten von Post-Punk und New Wave in die verwertbare Gefälligkeit der Neuen Deutschen Welle einmündeten noch alles hätte entstehen können.
Video: Felix Kubin und das Mineralorchester – II Music for Film and Theatre (Trailer)
Thomas Brinkmann ist einer der radikalsten und unvorhersehbarsten „High-Concept“ Künstler der elektronischen Musik. Auf A 1000 Keys (Editions Mego) dient das Piano als Vorlage für seine klanglichen und strukturellen Dekonstruktionen bis hin zur Destruktion. Die mit Flughafenkürzeln betitelten Soundabstraktionen benutzen das Klavier als Percussion und Punchingball. Brinkmann schafft es mit wenigen harten Schlägen, die dem Piano verinnerlichte Romantik auszutreiben. Trotz all der dynamischen Intensität und eher geringen Zugeständnissen an konventionelle Trackarchitektur tragen die Stücke noch Spuren von Brinkmanns strengem Minimal-Techno der Jahrtausendwende. Das ist nichts für zarte Gemüter, darin aber erstaunlich eingängig.
Video: Thomas Brinkmann – CGN
Stefan Kushima vom „Virtual Institute Vienna“ gibt sich geheimnisvoll, versteckt sich hinter zahlreichen Aliasen und kokettiert mit dem Image akademischer Strenge und analytischer Kälte. Jung An Tagen ist die jüngste musikalische Plattform des virtuell (oder doch real wie bodenständig?) in der Wiener Berggasse, der berühmte Adresse von Sigmund Freuds Psychoanalysepraxis, beheimateten VIV. Der gemeinsame Nenner der bislang vorwiegend auf CDR und Tape erschienen Projekte ist eine auf ihre grundlegendsten Merkmale reduzierte Auffassung von Acid und Electro, die ohne Beats auskommt. So verzichtet auch Das Fest Der Reichen (Editions Mego) auf jegliche tanzmusikalische Funktionalität, gibt sich aber doch unmittelbar als in psychedelischem Lo-Fi Techno à la L.I.E.S. verwurzelt zu erkennen. In der kaum noch zu übersehenden Menge an immer aufwendiger produzierter, feinziselierter Modularsynthesizer-Electronica dieser Tage wirken die rohen Sequenzer-Jams des VIV ziemlich frisch und eigen.
Stream: Jung An Tagen – Das Fest Der Reichen / Zweite Schicht / Die Hand Lässt Niemals Los