Was für Booking-Angebote gibt es, die ihr nicht annehmt?

Kristian: Bei Steffen war es sowieso so, aber auch uns als Label wurde zum Beispiel von jedem großen Club in Ibiza eine wöchentliche Residency angeboten. Da haben wir uns dann wirklich überlegt, ob es zu uns passt, ob das Innervisions ausmacht. Was macht die Partys aus, die wir veranstalten? Die Frage ist auch, wie es in der Außenwirkung aussieht, wenn man jede Woche in den großen Clubs von Ibiza Partys macht, auf die man eigentlich keinen allzu großen Einfluss hat. Wäre dann eine Innervisions-Party noch etwas besonderes? Deswegen haben wir uns dazu entschlossen, dort zwar präsent zu sein, aber eben nicht als Residents. Man muss immer abwägen, ob es das Wert ist. Natürlich gibt es Summen, bei denen viele Leute schwach werden. Es gab jetzt zum Beispiel ein Festival in Holland, bei dem die Veranstalter unmoralische Angebote gemacht haben. Wir finden dieses Festival aber scheiße, also haben Steffen und ich „nein“ gesagt. Das eine Festival zahlt bestimmt doppelt so viel Gagen. Aber so what? Es ist ja jetzt nicht so, dass wir gar kein Geld verdienen.

Dixon: Natürlich merken wir schon deutlich, dass sich über die vergangenen Jahre die Gagen für uns wahnsinnig toll entwickelt haben, sodass man davon ein wirklich gutes Leben führen kann. Zumindest aktuell. Die Haltbarkeitszeit eines DJs ist ja nirgends festgeschrieben. Man muss unmoralische Angebote nicht annehmen. Manche Sachen aber auch einfach, um sie einmal gemacht zu haben. Ich habe zum Beispiel vergangenes Jahr auf Ibiza einen Gig gespielt, obwohl das eigentlich nicht mein Ding war, ich aber dachte: „Du musst das mal gemacht haben.“ Wir haben uns oft Gedanken gemacht, was uns eigentlich dahin gebracht hat, wo wir jetzt sind und haben dabei festgestellt, dass wir Sachen eben einen Tick neben der Spur machen. Und Ibiza ist definitiv nicht neben der Spur. Ich möchte momentan kein Bestandteil dieser Maschinerie sein, die ich dort auffinde. Vielleicht macht ja im nächsten Jahr einen Club auf, der anders funktioniert, aber aktuell möchte ich das nicht.

Welchen Einfluss hat denn das Medium, mit dem ihr auflegt, auf euer DJing?

Kristian: Gar keinen. Ich glaube, dass wir zu alt sind, um uns noch über das Medium zu unterhalten. Entscheidend ist doch, was durch das Medium transportiert wird.

 

„Wir sind zu alt für diese Vinyl-Digital-Diskussion. Entscheidend ist doch, was durch das Medium transportiert wird.“ Kristian (Âme)

 

Dixon: 99 Prozent der Vinyl-DJs, die ich höre sind scheiße und auch 99 Prozent der Digital-DJs, die ich höre sind scheiße. Es ist also egal. Oder anders gesagt: Die DJs, die ich gut finde, unterscheiden sich nicht über das Tool, das sie wählen.

Ich würde schon behaupten, dass es mit Platten schwieriger ist. Man muss viel mehr um die Ecke gehen, hat ja zum Beispiel keine Loopfunktion, wenn man nicht gerade ein zusätzliches Loopgerät nutzt. Außerdem gibt es Unwägbarkeiten, wie springende Nadeln oder falsch aufgebaute Plattenspieler. Das macht es dann schon komplizierter.

Kristian: Für mich ist beispielsweise der neue Pioneer CD/USB-Spieler, der 2000er Nexus, dem Plattenspieler allein sound- und performancemäßig überlegen. Bei einer Party in London tropfte es kürzlich wirklich sechs Stunden lang von der Decke herunter, das Ding war nass, aber hat einfach funktioniert. Wäre das gleiche mit Platten passiert, es wäre eine Katastrophe gewesen.

Ihr legt mitunter vier Mal die Woche auf. Was für Auswirkungen hat dieses hohe Pensum auf eure Sets?

Dixon: Ich habe irgendwann mal eine gewisse Lockerheit entwickelt. Es gab eine Zeit, als ich angefangen habe Primetime zu spielen, da hat mich das ein bisschen genervt, weil ich mich eigentlich immer für einen echt guten Warm-up-DJ gehalten habe. Plötzlich war ich in dieser Primetime-Situation und konnte gewisse Sachen nicht mehr spielen oder dachte zumindest, sie nicht mehr spielen zu können. Das wurde dann abgelöst von einer Phase, in der ich gemerkt habe, dass die Leute ja eigentlich wegen mir da waren. Ich dachte: „Egal, was ich am Anfang mache, die rennen mir nicht weg.“ Die haben gerade vielleicht zehn, fünfzehn oder zwanzig Euro Eintritt bezahlt, die sind auch gewillt, ihren Abend hier zu verbringen. Ich muss mich also nicht selbst unter Druck setzen, weil ich gerade Primetime spiele, sondern ich weiß, dass es easy ist. Was auch immer ich vorhabe, kann ich erst einmal tun. Ich krieg die dann schon. Das ist so eine gewisse Lockerheit, die ich durch so eine intensiven Tourschedule erst erlernt habe. Gleichzeitig führen 150 mal Auflegen im Jahr irgendwann dazu, dass man glaubt abzustumpfen. Sehr oft ist es aber so, dass gerade die härtesten Wochenenden auch den besten Gig haben und man eigentlich in den extremsten Situationen auch den größten Spaß hat.

Kristian: Weil man wahrscheinlich auch am Wenigsten erwartet.

Dixon: Ganz fair muss ich auch sagen, dass es für mich halt irgendwann zu einem Beruf geworden ist, den man auf eine gewisse Weise dann auch erfüllt. Das bedeutet, wenn ich beispielsweise nach Japan – eines meiner Lieblingsländer – komme, reise ich nicht schon drei Tage vorher an und drei Tage später erst wieder ab. Ich komme meistens am Tag der Performance an, möglichst spät, überspringe auch sehr gerne das Essen mit den Promotern. Ich bin lieber noch drei Stunden mit meiner Familie zu Hause, als drei Stunden in einem wahrscheinlich extrem teuren Restaurant mit interessanten Menschen. Das wiegt das Zuhause nicht auf. Ich habe auch gelernt, vor und nach dem Gig direkt ins Hotel zu gehen. So ein Tourschedule hat schon bewirkt, dass man eine starke Professionalisierung an den Tag legt. Auch wenn es dann manchmal den Eindruck hat, dass ein Geselligkeits- und Partyverhalten abhanden gekommen ist und das den Job in gewisser Weise auch schlechter werden lässt.

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