Seid ihr euch manchmal unsicher, ob ihr einen Track mögt beziehungsweise ob er in euer Set passt?
Dixon: Ich weiß noch genau, als ich den Tale Of Us-Mix von Mano Le Toughs „Primative People“ das erste Mal gehört habe, dachte ich: „Das ist ein Schritt zu weit, das ist mir zu whatever.“ Aber ich empfand es gerade als Herausforderung, diesen Schritt jetzt mal zu gehen. Eben nicht genau in den gleichen Gefilden weiter aufzulegen, sondern einfach mal kurz auszuscheren. Ich weiß nicht, ob ich das 2014 wieder tue, aber für mich war das frisch in diesem Sommer.
Stream: Mano Le Tough – Primative People (Tale Of Us Remix)
Was zeichnet einen guten DJ für euch noch aus?
Dixon: Man muss in der Lage sein, Spannungsbögen zu erzeugen. Ich glaube, dass jeder gute DJ Spannungsbögen erzeugen kann. Das kann auch in meinen Sets komplett unterschiedlich sein. Ich glaube, in einem kurzen zweistündigen Set kann ich mit den gleichen Platten völlig unterschiedliche Spannungsbögen erzeugen.
Kristian: Obwohl das mitunter auch schwierig sein kann.
Dixon: Ich empfinde das gar nicht als so schwer. Obwohl man vielleicht gerade einmal dreißig Minuten im Club ist, erkennt man zum Beispiel, dass gerade die ganze Zeit wirklich hartes Zeug lief. Das bedeutet für mich dann, mit Songs, also etwas Emotionalerem zu beginnen und mich dann später wieder in den etwas härteren Bereich vorzuarbeiten, um mit den Platten, die ich in dem Bereich mag, Punkte setzen zu können. In einem anderen Kontext ist es dann vielleicht so, dass du irgendwo hinkommst und der DJ vor dir in den letzten dreißig Minuten vier Innervisions-Platten gespielt hat, was bedeutet, dass du selber erstmal einen ganz anderen Weg gehst, erst einmal härter spielst. Du willst ja nicht die ganze Zeit in der gleichen Geschwindigkeit fahren, im gleichen Emotionsgefühl sein, du musst dem Ganzen irgendwie Wendungen geben. Also fängt man erstmal an, was anderes zu machen. Die Auseinandersetzung mit dem, was im Club stattfindet, gehört für mich essenziell zur Aufgabe des DJ-Handwerks.
Kristian: Eben nicht nur zu kommen und zu sagen: „Ich mach jetzt einfach mein Ding.“ Nicht blind sein für alles.
Dixon: Man muss auch den Ball flach halten können, ohne dass die Leute verschwinden. Ich habe es gerade wieder für mich entdeckt, die Lautstärke für beispielsweise zwei Stücke von 107 db auf 100 db herunterzudrehen. Also zwei härtere Stücke unmerkbar einfach etwas leiser zu machen, sodass man danach das Stück, von dem man weiß, dass es vielleicht nicht hundertprozentig funktioniert, aber eigentlich dein Lieblingsstück ist, wieder lauter machen kann und die Leute denken: „Wow, das haut ja voll rein.“ Sowas gehört auch zu Spannungsbögen. Ich bin ja da kein DJ Harvey, der das dann auch mal komplett leise macht und nur im Refrain vielleicht drei Wörter im EQ so hoch pusht, dass es einem die Ohren zerdrischt. So extrem bin ich nicht beziehungsweise so toll beherrsche ich das nicht, aber eben solch kleine Verschiebungen vorzunehmen, die Dinge anders wirken lassen, das gehört dazu, um Spannungsbögen zu erzeugen.
Ich finde, es gehört zu dem Qualitätsmerkmal eines DJs, auf einen Raum und ein Publikum zu reagieren, anstatt immer das gleiche Set im gleichen Tempo und der gleichen Reihenfolge zu spielen.
Dixon: Eine Frage, der man als DJ immer wieder ausgesetzt ist, die man als Clubgänger aber gar nicht unbedingt so mitkriegt: Wie wirkt Musik in einem Raum? Und wie geht man als DJ damit um? In einem Warehouse mit 5000 Leuten spiele ich keinen soulful House, das hört sich schrottig an. Ich kann es natürlich durchdrücken, weil ich das in anderen Clubs eventuell gerade spiele. Aber bestimmte Locations bringen bestimmte Musik eben schlecht rüber. Und anstatt Musik schlecht rüber zu bringen, wähle ich dann lieber Musik, die in dem Kontext besser wirkt. Das führt zu unterschiedlichen Sets in unterschiedlichen Locations oder auf unterschiedlichen Soundsystemen.
Eigentlich sollte das zum Selbstverständnis eines jeden DJs gehören. Trotzdem lässt es sich zunehmend beobachten, dass DJs feste Sets abspielen, so wie eine Band, die ein Konzert spielt.
Kristian: Ich kann mich noch erinnern, wie Steffen und ich mal im Club Eleven in Amsterdam aufgelegt haben, lass es sechs oder sieben Jahre her sein. Grandmaster Flash stand neben uns während wir auflegten und der ganze Club tanzte. Grandmaster Flash fragte mich dann überrascht: „Kennen die Leute die Stücke eigentlich?“ Ich meinte zu ihm, dass sie wahrscheinlich achtzig Prozent der Stücke nicht kennen würden, weil sie neu oder noch nicht veröffentlicht waren. „Ja, aber warum tanzen die dann?“, war seine Frage. Ich antwortete ihm: „Das ist Techno und House. Da geht’s nicht darum, Stücke wiederzuerkennen, sondern dass sich die Leute auf die Musik einlassen.“ Ich unterstelle jetzt einfach mal vielen DJs, dass sie sich vielleicht nicht so viel mit all diesen Gegebenheiten auseinandersetzen. Die kaufen sich irgendwo Musik, gehen dann in den Club und legen die da auf.