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MEHR BASS! Mai/Juni 2011

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Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass Tony Williams die Dubstep-Welt mit einem einzigen Track gehörig in Unordnung brachte. Der Produzent aus Bristol, zuvor hauptsächlich unter dem Pseudonym Headhunter und für einen eleganten Dubstep-Techno-Crossover bekannt, hatte sich einen neuen Namen und einen neuen Stil zugelegt. Als Addison Groove frönte er nun seiner Leidenschaft für den Chicagoer House-Bastard Juke und mit dem Stück „Footcrab“ (Swamp 81), das Ende 2010 in vielen Bassmusik-Jahresbestenlisten weit oben rangierte, schuf er eine völlig neuartige Symbiose des hypernervösen US-Stils mit Dubstep. Nach zwölf Monaten ohne weitere Veröffentlichungen kehrt Addison Groove nun gleich mit drei EPs in die Plattenläden zurück. Bei den Laptop- und Drumcomputer-Sets, die Williams in der Zwischenzeit spielte, deutete sich bereits an, dass die stilistische Entdeckungsreise von Addison Groove nicht bei Juke haltmachen würde. Den Nachweis dafür bietet die Maxi-Single „Work It/Sexual“ (Swamp 81), bei der die Verweise auf klassischen Electro nicht zu überhören sind. Während die jazzige B-Seite „Sexual“ noch stark vom Sample- und Schnipsel-Wahn der Juke-Schule bestimmt ist, klingt die düstere A-Seite „Work It“ mit ihren 808-Beats, Bleeps und grummelnden Bässen mehr nach Drexciya oder Dopplereffekt als nach Chicagoer Untergrund-Helden wie DJ Rashad oder DJ Spinn. Dabei geht es Williams jedoch offensichtlich nicht um eine möglichst originalgetreue Nachbildung seiner Vorbilder: Addison Groove ist alles andere als ein bloßer Retro-Electro-Act. Vielmehr baut er die Versatzstücke aus der Musikgeschichte in eine eigene Klangwelt ein, die ohne Dubstep und die anderen britischen Bassmutanten der vergangenen Jahre nicht existieren könnte. Ein gutes Beispiel dafür ist die 12-Inch „It’s Got Me/Minutes Of Funk“ auf Martyns Label 3024: Auf der B-Seite nutzt Williams ein Rap-Sample aus „Five Minutes Of Funk“ der Old-School-Hiphop-Formation Whodini, kombiniert es zu Beginn mit einer metallischen Akkordfläche, die stark an Adam F’s Drum’n’Bass-Klassiker „Metropolis“ erinnert und lässt die gerade Kickdrum im Verlauf des Stückes Purzelbäume schlagen. Bei „This Is It/Make Um Bounce“ (Tectonic) dominieren wiederum auf der A-Seite Dubstep-Rhythmen, während die B-Seite eine Acid-House-Nummer im Ghetto-Modus enthält. Bei all diesen stilistischen Spielereien driftet Williams jedoch nie in Richtung verkopfte IDM-Frickelei ab, sondern hält die Stücke stets simpel genug, um die Hintern auf der Tanzfläche zum Arbeiten zu zwingen.

Addison Groove ist bei weitem nicht der einzige Bassmusikproduzent, der sich in diesem Frühjahr an Electro abarbeitet. Ein weiteres Beispiel ist das Londoner Produzenten-Team Instra:mental, dessen Vorliebe für Achtziger-Jahre-Tanzmusik spätestens seit der legendären Podcast-Reihe „Club Autonomic“ kein Geheimnis mehr ist. Vor allem Alex Green, die eine Hälfte des Duos, lässt unter dem Pseudonym Boddika seiner Begeisterung für Electro gerade freien Lauf, wie die passend betitlete Maxi-Single „Electron/Underground“ (Swamp 81) beweist. Gemeinsam mit seinem Partner Damon Kirkham liefert er auf der B-Seite der aktuellen Instra:mental-EP „Thomp/When I Dip“ (NonPlus+) zudem ein Stück lupenreine Breakdance-Musik ab, die wie aus der Zeit gefallen wirkt. Die A-Seite „Thomp“ ist dagegen eine düstere Mischung aus Industrial und Grime – Zutaten, die neben Electro auch die hervorragende Debüt-LP Resolution 653 (NonPlus+) des Duos dominieren. Den bisher größten Hype der Electro-Welle im Post-Dubstep-Universum verursachte jedoch ein namenloser Künstler mit dem Stück „Sicko Cell“ (Swamp 81). Dessen einprägsames und vorlautes Vocal-Sample „I’m the information … cocaine powder“ und die minimalistischen 808-Beat- und Bassstrukturen lösten heftige Online-Debatten über die Identität des anonymen Urhebers aus. Die Wetten stehen dabei am günstigsten für den Swamp-81-Boss Loefah und Joy Orbison, der zumindest zweifelsfrei als Produzent der B-Seite „Knock Knock“ identifiziert wurde.

Ganz ohne einen Flirt mit Electro kommt dagegen Peverelist aus, der im Auftrag von Hessle Audio ungerührt weiter an seiner unverwechselbaren Mischung aus Dubstep und Techno rührt und mit „Dance Til The Police Come“ eines der besten Stücke seiner Karriere abliefert. Auf seinem eigenen Label Punch Drunk fördert der Bassimpresario aus Bristol dagegen weiter fleißig lokale Talente wie Andy Mac. Dessen Track „Everytime“ ist eine federleicht schwingende House-Hymne im Dubstep-Tempo mit einem hingehauchten Refrain, auf der B-Seite findet sich mit „Asteroid Belts“ zudem ein hinreißend verstrahltes und außerirdisch gutes UK-Funky-Stück.

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