Foto: Presse (Sam Goku)
Lange nicht mehr gehört: “Found a Place” von Tony Lionni, eine der definitiven Hymnen der Panorama Bar. In seinem zweistündigen Beitrag zu unserem Groove Podcast flechtet sie Robin Wang behutsam in eine Strecke ein, die noch mehr Tracks und Namen aus vergleichbaren Perioden und Kontexten aufweist: Sascha Funke, Daso, Virginia – alles und alle dabei. Genauso aber neuere, aufregende Acts, die zuletzt das Game geprägt habt: Polygonia, Al Wootton, Bored Lord sind ebenfalls mit von der Partie. Damit wäre vielleicht der ästhetisch-stilistische Rahmen abgesteckt, in dem sich der Münchner Produzent und DJ unter dem Namen Sam Goku bewegt. Funktionalität und Innovation geben sich hier wie auch in seinen Produktionen für vor allem Permanent Vacation ausgesprochen freundlich die Hand, ergänzen und bereichern sich. Abgerundet wird dieses Miteinander von Wangs aufmerksamem Blick fürs Detail, der sich auch in den Titel seines zweiten Albums Things We See When We Look Closer eingeschrieben hatte – eine persönlich geprägte Ausnahmeplatte, ähnlich wie dieser Mix.
Als Produzent bist du – zumindest unter dem Namen Sam Goku – erstmals ab dem Jahr 2017 in Erscheinung getreten, deine Geschichte als DJ scheint nicht ganz so weit zurückzureichen. Wie sahen deine ersten Schritte hinter den Decks aus?
Die Grundkenntnisse über das Auflegen verdanke ich meinem ehemaligen Mitbewohner. Das ist tatsächlich schon etwas länger her – wir sind 2012 in München zum Studium zusammengezogen und waren zuvor schon in der Schulzeit befreundet. Er war zu der Zeit als DJ und Produzent tätig und hatte dadurch das Equipment in der Wohnung stehen. Es muss so um 2013 herum gewesen sein, als er mir die Basics, sowohl mit Ableton als auch an den CDJs – damals noch die erste Version des CDJ-1000 mit einem zumindest aus heutiger Sicht sehr rudimentären Display und ohne USB-Funktion – gezeigt hat. Er hatte seine Tracks damals alle auf CD gebrannt – das meiste davon würde man wahrscheinlich irgendwo zwischen Tech-House und Minimal verorten. Es war in meinen Augen einfach unglaublich cool, diese Tracks auflegen und mixen zu können und ich konnte mich viele Stunden am Stück damit beschäftigen. Ich habe dann im Jahr darauf neben dem Studium einen Job als Grafiker bei einer Eventagentur angefangen und konnte dadurch auch meine ersten Gigs spielen, alles aber noch nicht unter dem Namen Sam Goku. Das kam dann erst 2016, als ich dann eine genauere Idee davon hatte, welchen Sound ich produzieren will. Meine ersten Tracks habe ich auf Oleeva Records aus UK/Kroatien veröffentlicht – mit Will von Oleeva bin ich noch immer super gut befreundet, wir haben 2019 gemeinsam auf der Insel Hvar in Kroatien ein kleines Festival namens Laguna Mala auf die Beine gestellt. Durch meine ersten Releases kamen auch meine ersten Auftritte als Sam Goku. Ich hatte zu der Zeit noch kein Profil bei Resident Advisor, deshalb beginnen meine Einträge dort erst ab 2019.
Zu regelmäßigen Gigs kam es allerdings – nur logisch wohl – so richtig erst ab dem Jahr 2021. Fiel es dir schwer, in unsteten Zeiten als DJ Fuß zu fassen?
Obwohl das Auflegen eine große Leidenschaft für mich ist, habe ich schon immer mehr Zeit im Studio und an der DAW als an den Decks verbracht. Daher war es auch kein großes Problem für mich, dass ich mit der Pandemie plötzlich noch mehr Zeit zum Produzieren hatte. Die Pandemie hat jedenfalls dazu geführt, dass mein Sound etwas experimenteller wurde, da ich einfach mehr Zeit hatte, in verschiedene Einflüsse einzutauchen. Irgendwie sehe ich diese Zeit abgesehen natürlich von dem ganzen Leid, das sie gebracht hat, für mich persönlich zumindest ein bisschen auch als Segen, da es so ein harter Cut war und es mir dadurch ermöglicht wurde, aus den gewohnten Strukturen und Echokammern so ein bisschen auszubrechen. Ohne die Pandemie wären meine beiden Alben – zumindest in der Form – wahrscheinlich nicht entstanden. Natürlich wollte ich immer auch schon mehr auflegen, und rein von den technischen Aspekten her hätte ich mir das auch zugetraut. Aber es hat lang gedauert, bis sich ansatzweise so etwas wie ein Stil herauskristallisiert hat. Es gab einfach viel zu viel verschiedene Musik, die mich fasziniert hat und am liebsten hätte ich jedes mal alles davon gespielt. Dieses Verlangen, verschiedene Richtungen zusammenzubringen, prägt zwar immer noch meine Sets, aber ich glaube, dass ich inzwischen ein besseres Gefühl dafür entwickelt habe, wie man diese Brücken schlägt, ohne den Faden zu verlieren.
Als Produzent hast du anfangs einen dezidiert autodidaktischen Ansatz verfolgt und dir Ableton Live selbst erarbeitet, Inspiration hast du dafür von deinen Photoshop-Kenntnissen bezogen – nur sinnvoll angesichts der grafisch ausgerichteten Funktionsweise von DAWs. Wie würdest du deinen Arbeitsansatz von der ersten Idee bis zum fertigen Track beschreiben?
Das stimmt, bis auf die Grundkenntnisse habe ich mir meinen Workflow in Ableton weitestgehend selbst erarbeitet. Ich weigere mich auch bis heute noch, mir wirklich Tutorials anzuschauen, weil ich meinen Workflow so gut es geht beibehalten möchte. Mir ist natürlich bewusst, dass Inspiration nie komplett aus sich selbst heraus entstehen und Ideen immer irgendwie und irgendwann einer fremden Idee entsprungen sind. Aber ich möchte zumindest versuchen, meiner eigenen Intuition so viel Raum wie möglich zu geben. Das hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Ein Nachteil ist beispielsweise, dass meine technischen Kenntnisse über Ableton und die VSTs, die ich benutze, ziemlich rudimentär sind. Das war auch schon bei Photoshop so. Die meisten Profis würden beim Zusehen, wie ich versuche von A nach B zu kommen wahrscheinlich wahnsinnig werden, da es in der Theorie sicherlich viel effizientere Wege gibt dorthin zu kommen. Aber ich bin mir auch irgendwie sicher, dass jede Arbeitsweise eben durch seine Eigenheiten zu einem bestimmten Sound führt. Meistens ist es so, dass ich durch irgendeinen bestimmten Song oder ein bestimmtes Ereignis – das meistens irgendwie auch mit Sound oder Musik verbunden ist – inspiriert bin, etwas zu produzieren. Oft versuche ich dann dieses Gefühl, das mit dem Song oder dem Ereignis verbunden ist, in der Produktion nachzuempfinden, aber dabei kommt immer etwas komplett anderes heraus. Es ist also, als würde ich immer ein Gefühl oder eine Emotion nehmen, es einmal durch meinen eigenen Filter schicken.
Visuelle und musikalische Aspekte greifen bei dir weiterhin ineinander, für deine Artworks bist du weitgehend selbst verantwortlich. Inwiefern befruchten oder bedingen diese beiden Tätigkeiten einander?
Die beiden Aspekte bedingen einander ziemlich stark, würde ich sagen. Bei meinem zweiten Album beispielsweise hatte ich zuerst ein paar Track-Ideen in einen Ordner gepackt und aufgrund dieser Tracks an einem Artwork gearbeitet. Und dann habe ich auch immer wieder das Artwork angeschaut, um mich für die weiteren Tracks des Albums und die Zusammensetzung und Reihenfolge der finalen Playlist inspirieren zu lassen.
Wie gehst du allgemein die Produktion eines Albums im Vergleich zu einer EP an?
Momentan ist es so, dass meine EPs eher in die Club-Richtung gehen und meine Alben eher in Richtung Home-Listening – allein in dieser Hinsicht unterscheiden sich schon die Arbeitsweisen. Für die EPs fange ich daher meistens mit den Drums an und für die Alben meistens mit atmosphärischen Elementen wie zum Beispiel Pads und Field Recordings. Die Ideen und in letzter Konsequenz auch die Tracks in meinen Alben sind auch auf eine gewisse art “roher”, da sie nicht in einem bestimmten (Club-)Kontext funktionieren müssen. Außerdem fühlen sich Alben für mich persönlicher an. In meiner Vorstellung sind Alben oft wie ein persönliches Skizzenbuch.
Zuletzt erschien eine neue Ausgabe deiner EP-Serie Glistening Club Music über PermVac. Welches Konzept verfolgst du mit der Reihe?
Die Glistening Club Music-Serie ist gewissermaßen meine Vision davon, wie Clubmusik klingen kann. Viel mehr steckt da auch gar nicht hinter. (lacht)
Ähnlich wie als Produzent bewegst du dich auch als DJ durch verschiedene Genres und Stimmungen. Worauf legst du bei der Vorbereitung für deine Club-Sets Wert?
Ich schaue mir oft in der Vorbereitung die Location an, in der ich spielen werde, da für mich der Raum sehr darüber entscheidet, was für einen Sound ich spiele. Dann lege ich ein paar Tracks in eine Playlist, die ich für diesen Raum sehr passend finde und aufbauend auf diesen Tracks erstelle ich dann eine Playlist von 150-300 Tracks – je nach Setlänge. Dabei ist es oft so, dass ich mir einen Track anhöre und ihn in dem gegebenen Setting visualisiere. Wenn ich dabei ein gutes Gefühl habe, kommt er in die Liste. Da ich bisher ausschließlich digital spiele, habe ich aber auf meinen Sticks immer einen großen Teil meiner gesamten Mediathek dabei. Es ist auch schon häufiger passiert, dass ich die vorgesehene Playlist dann gar nicht benutzt habe und mich dann frei durch die verschiedenen Listen meines Sticks bewegt habe. Das ist dann insbesondere in der Anfangszeit auch schon mal schiefgegangen, aber es hat auch schon zu unglaublichen Abenden geführt.
Was war die Idee hinter deinem Mix für unseren Groove-Podcast?
Es ist ein Mix aus Musik, die mich momentan bewegt. Ein Leitmotiv ist die Art von Clubmusik, mit der ich anfangs überhaupt mit elektronischer Musik in Berührung gekommen bin. Unendlich groovende, unaufgeregte und loopbasierte Tracks. Außerdem Musik von Freunden und vielleicht auch eine Demo von mir.
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ich möchte dieses Jahr an meinem dritten Album arbeiten, die Ideen dafür müssen sich aber noch weiter herauskristallisieren. Dann – na klar – meine Skills als DJ verbessern und Erfahrungen sammeln. Abseits davon natürlich noch viel wichtiger: Gesund und zufrieden bleiben!
Stream: Sam Goku – Groove Podcast 413
01. Amandra & Mattheis – Malpa Malpa
02. Sonic Weapon – HOMIE
03. Dorisburg – Gripen
04. Artic Dreams – Thought Experiment
05. Polygonia – Shen Wai Shenfa
06. Al Wootton – Hechicera
07. Bambounou & Bruce – Final Conference
08. Rolf Trostel – Der Prophet (Edward Version)
09. Kreggo – Dadolata Mix
10. HVL – Rattlesnare
11. SameSame – Boston Crab
12. Dana Kelley – Nastiness
13. Ed Davenport – Eyespeak (Nick Höppner Remix)
14. Olof Dreijer – Camelia
15. Ed Davenport – Padaconga
16. Mike Dehnert – Un
17. Adlas – Static
18. Tony Lionni – Found a Place
19. Bohemian – OVNI
20. Kreggo – Hi Tec Perc
21. Farsight – Swallowed Whole
22. Sascha Funke – Treets
23. Ploy – Eyez On U
24. Elon – Stoner
25. Yaleesa Hall & Malin – Third Lucas
26. Sentipede & Nail – 44151
27. Virginia – Raverd
28. Ninetoes – Paapaa
29. Bored Lord – Feel It
30. Pseudopolis – Take Your Time
31. Altric – Alone
32. ID
33. Shed – SP Tool V1tk3
34. Daniel I – Beneath Tension
35. Deetron presents Soulmate – Blade
36. Daso – T. Anders
37. Roland Klinkenberg – Ren
38. Sneaker – Magic Fly