burger
burger
burger

Chicago Footwork: Kids auf schneller Buttersohle

- Advertisement -
- Advertisement -

Text: Emma Warren, Übersetzung: Matthias Jost, Foto: Dave Quam
Erstmals erschienen in GROOVE 128 (Januar/Februar 2011)

Vielleicht ist „Footcrab“ von Addison Groove an allem schuld. In Chicago hatte sich die Footwork-Szene seit Jahren lokal entwickelt, aber erst die stotternden Klänge von Addison Grooves Maxi auf Swamp 81 bescherten vielen britischen Hörern ihren Erstkontakt mit den schnellen, repetitiven, polyrhythmischen Sounds aus Chicago und Tausenden von Tunes, die nur im Netz oder auf den Festplatten einer Handvoll von Chi-Town-DJs existierten.

Den Sound gibt es schon lange. Er galt erst als ein Zweig von Ghetto-House und bekam später den Namen Juke. Die Tracks laufen auf etwa 160 BPM, sind von verstreuten Triolen, störrischer Percussion sowie gepitchten 808-Toms charakterisiert. Das Wichtigste ist jedoch das Tanzen: Zu Footwork werfen die Kids ihre Gliedmaßen in doppelter Geschwindigkeit durch die Luft, wie wahnwitzig beschleunigte, aufrecht stehende Breakdancer mit Butter auf den Sohlen. Während man diese Szene nun in Europa entdeckt, vergisst man gerne, dass Footwork Musik zum Tanzen ist, so unwahrscheinlich das auch für jene klingen mag, die nur ein paar simple Moves draufhaben. Um also Licht ins Dunkel zu bringen: Mit Footwork ist sowohl die Musik als auch der Tanz gemeint, so als würden sich Hiphop und Breakdance denselben Namen teilen.

Wie viele der Produzenten und DJs in der Szene fing DJ Roc, der auf Planet Mus aktueller Bangs & Works-Compilation vertreten ist, als Tänzer an, bevor er 2004 wegen einer Basketballverletzung aufhörte. „Als ich das Tanzen aufgab, nahm ich die Musik ernster. Ich machte zehn Tracks am Tag. Ich hatte diesen Drang in mir, wenn ich schon nicht tanzen konnte, musste ich zumindest die Leute auf den Partys in Bewegung bringen.“

Diese Partys finden überall in Chicago statt und dank des Walacam-Kanals, der genial lo-fi ist, auch in den interessanteren Ecken des Internets. Wala organisiert die regelmäßigen Warzone-Partys und ist der inoffizielle Juke- und Footwork-Botschafter der Stadt. Auf walacam.tv finden sich massenhaft Videos von Footwork-Battles, mit ultraschnellen Moves irgendwo in dunklen Garagen oder auch organisierten Wettbewerben, bei denen die Mädchen einen Tanz namens Hip-Rolling zum Besten geben, während sich die Jungs wie Außerirdische bewegen und in Gemeindezentren oder an der nächsten Straßenecke gegeneinander antreten.

Tanzen spielt bei Footwork eine derart große Rolle, dass die Musik ohne dieses Element kaum zu begreifen ist. „Die meisten Texte handeln von Tänzern oder Tanzschritten“, sagt Planet-Mu-Chef Mike Paradinas, der die Bangs & Works-Compilation zusammengestellt hat. „‚Where yo dead man?‘ (aus DJ Elmoes ‚Whea Yo Ghost At, Whea Yo Deadman‘) bezieht sich auf einen move. Der ‚tote Mann‘ ist eine der Grundfiguren. Wenn du keinen einfachen move machen kannst, geh raus aus dem Kreis! In den Texten geht es darum, die Tänzer einzuschüchtern oder zu provozieren. Ich lerne immer noch, was die Hälfte von dem Zeug überhaupt bedeutet.“

In diesem Text

Weiterlesen

Features

[REWIND2024] Die Top 5 der Autor:innen

Kaum jemand ist so nah an der Szene dran wie unsere Autor:innen. Hier erfahrt ihr, was sie 2024 hörten, wo sie feierten – und was sonst so wichtig war.

[REWIND2024] Sinam Hüls, Booker des Tresor.West: „Ich buche DJs, und keine Influencer”

Wir wollten von Sinam Hüls wissen, wie man als kleiner Club in NRW mit den Gagenforderungen global aktiver Booking-Agenturen umgeht.

[REWIND 2024]: Die Szene ist der Sargnagel im Berliner Clubsterben

Dieser Text ist Teil unseres Jahresrückblicks. Alle Texte findet ihr hier. Berliner Clubs sperren zu, man nennt es Clubsterben. Watergate, Renate, Loophole und so weiter. Die...