Komische Vögel sind in dieser Kolumne gerne gesehen. Zwei besonders feine Exemplare zieren das Cover von When The Birds Kick In (us & sparkles, 4. Oktober) des Zürcher Duos us & sparkles aus Roland Vollenweider und Simon Boss, die als v0ll / boss auch in Sachen Techno unterwegs sind. Der Albumtitel ist dabei keineswegs vertippt oder seltsames Englisch. Es geht nämlich tatsächlich um trippig-chillige Sonnenaufgangspsychedelik. Um den Moment nach dem Rave, in dem die zu singen beginnenden Vögel so richtig reinhauen – ganz unabhängig vom verbliebenen Substanzverstrahlungs-Level. Vollenweider und Boss bauen daraus folgerichtig eine frühmorgendlich-sonnenstrahlwarme Dub-Kraut-Electronica mit trockenhumorig eingebauten Country-und-Western-Nostalgie-Elementen.
Die als Yulippe und unter ihrem Eigennamen veröffentlichende japanische Produzentin Yuri Urano hat eine erstaunliche klangliche Bandbreite. Von brutalistischem Industrial-Techno über Dark Ambient zu unbearbeiteten Feldaufnahmen und sogar New-Age-Meditationsmusik reicht ihr Portfolio. Für das wie sie in Osaka beheimatete Tape-Label Muzan Editions hat Urano im vergangenen Jahr das exzellente Dark-Ambient-Power-Noise-Album Awawa veröffentlicht. Ihr jüngstes Tape Yuragi (Muzan Editions, Ende Oktober) kommt etwas weniger kühl und lärmig daher. Es kann aber eine ähnliche Vielfalt, einen mindestens so großen Reichtum an Ideen und Klangereignissen aufweisen. Das ist Ambient jenseits der Kategorien. Ein Interessant-Klang, der nie beliebig wirkt.
Es ist nicht leicht, beim dänischen Drone-Minimalist und Grafiker Paw Grabowski alias øjeRum den Überblick über alle künstlerischen und musikalischen Aktivitäten zu behalten. Ziemlich eindeutig ist allerdings, dass das Tape Ikke En Sjæl (VAKNAR, 4. Oktober) für das Berliner Vaagner/VAKNAR-Konsortium einen herausragenden singulären Punkt in Grabowskis Diskografie darstellt. Das Album öffnet den Drone in Richtung Ambient, lässt erkennbare Instrumente herein, sogar ein Piano darf klanglich herumtupfen. Dennoch bleibt der spezifische øjeRum-Sound wiedererkennbar präsent. Also eine Verfeinerung durch Erweiterung.
Wo bei øjeRum die grafische Einbettung der Musik in und aus surrealen Collagen im Stil von Max Ernst besteht, der Sound allerdings eher flächig geschlossen bleibt, liegt die Ästhetik der Collage beim kanadischen Kollegen Daniel Majer in der Musik. Die LP Time For No Memory (VAKNAR, 4. Oktober) ist eine durchaus handfeste elektroakustische Sample-Collage – von Gesprächsfetzen, aus dem Radio aufgeschnappt, von YouTube gesampelt, von Grammofon-Aufnahmen mürbe gemacht und zu Loops geschreddert. Schleifen, Zeichen und Referenzen, die erst mal nur auf sich selbst verweisen. Majer macht weder politisch aufgeladenen Sample-Agit-Prop wie Ultra Red noch nostalgische Hauntology, bei der die Indices zu Geistern geworden sind. Es ist etwas anderes, beinahe Synthetisches, das aus den Loops hervorkommt. Wie passend, dass Majer schon bei Jan Jelineks Faitiche veröffentlicht hat.
Wie es mit sogenannten Kultprodukten gerne so läuft, war Werner Herzogs Fata Morgana von 1971 anfangs ein veritabler Reinfall bei der Kritik. Der Streifen wurde im Laufe der Zeit, wie Herzog eher desinteressiert bis amüsiert zur Kenntnis nahm, allerdings zu einem Hit. Vor allem unter jungen Menschen, die Drogen genommen hatten, ja sogar – gegen Herzogs Intention – zu einem Vorzeigebeispiel für filmische Psychedelik. Als Mouse on Mars den Film 2007 für eine musikalische Neuinterpretation auswählten, war wohl abzusehen, dass diese nie zu einem offiziellen Soundtrack werden würde.
Nun, knapp 17 Jahre später, gibt es die Stücke immerhin als vom Film abgekoppelte, reine Musikveröffentlichung. Die Herzog Sessions (Sonig, 25. Oktober) bieten tatsächlich einen cinemascopisch breiten Überblick über den Sound, den Andi Thoma und Jan St. Werner in den Nullerjahren pflegten: abstrakter Dub, komplexe Rhythmen, scharf geschliffenes, elektrisches Sirren, das Ein- und Ausatmen von grauem Noise, Klappern und Poltern aus allen Richtungen, vereinzelt sogar Glitches. Alles mit höchster Souveränität zusammen gemengt und eiskalt serviert.