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Motherboard: Februar 2024

Hin und wieder muss es wohl solche Glücksfälle geben, in denen etwas beinahe schon Vergessenes doch nochmal den Weg aus den Archiven in die Öffentlichkeit findet. Better Late Than Never (Facture Records/Fluid Audio/Flau, 20. Dezember 2023), dürften sich aus and Danny Norbury, der japanische Produzent und Flau-Labelbetreiber Yasuhiko Fukuzono und der Cellist aus Manchester, gesagt haben, als sie die vor zehn Jahren aufgenommenen, improvisierten Live-Sessions mit Piano, Cello, Raumklang und Umgebungsgeräuschen wiedergefunden haben. Denn diese heuer durch zwei respektvoll ambiente Remixe erweiterten Aufnahmen sind an unaufdringlicher Schönheit und Zartheit kaum zu überbieten. Nicht mehr als eine einfache Pianolinie in fragiler Melodik, begleitet vom feinsinnigen Cello-Spiel Norburys und sehr viel Atmosphäre – mehr braucht es nicht für einen potentiellen Klassiker. Ein Glücksfall, der bleibt.

Die Musik der Wiener, seit geraumer Zeit in Berlin lebenden Vokalistin Rosa Anschütz hat in den wenigen Jahren vor, in und nach der Pandemie eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht, von konsistenten Emo-Maximalismus im Darkwave-Gewand der ersten EP Rigid über die theaterdonnernde Tanzbarkeit des Albums auf Bpitch hin zum elektroakustischen Kammerpop von Interior (Klangbad, 23. Februar), das wohl nicht zufällig auf dem Faust-Label erscheint. Die stimmliche und produktionelle Opulenz und die existenzielle emotionale Dunkelheit, die alle Anschütz-Stücke im Kern definieren, kommen selbstverständlich nicht zu kurz, bahnen sich aber subtiler den Weg nach außen. Ruhe und Introspektion überformen den immer intensivstmöglichen Ausdruck. Nach außen gerichtete Innerlichkeit, die leise bleibt und doch extreme innere Zustände plausibel und mit der notwendigen Distanz in überaus kunstvoll konstruierte nichtlineare Popsongs windet.

„Alles wird so wie immer sein, nur in anderem Licht, alles wird so wie immer sein, nur die alte Welt nicht.” So viel warmer Optimismus in dunkelsten Zeiten kann nur von der unvergleichlichen Barbara Morgenstern kommen. In anderem Licht (Staatsakt, 26. Januar) erzählt also in üppigen neoklassisch instrumentierten Piano-Melodien davon, wie alles anders sein kann, ja, nicht nur sein kann, sondern sogar werden müsste, muss. Milde experimentell und massiv akustisch, mittelleise im Detail austarierter, sacht glänzender Pop mit klugen Texten und kluger Musik, glockenklarer Stimme und Hoffnung. Wärme, Licht und Hoffnung gegen den Horror. Liebe.

Die süddeutsche Berlinerin Franziska Ameli Schuster kommt vom Jazz, lebt im Jazz, bleibt im Jazz, hat aber noch weitere Interessen und Ambitionen. Weshalb ihr klassisch besetztes Quartett Ameli In The Woods eben nicht nur akustisch agiert und nicht nur auf Jazzfestivals und Clubs spielt, sondern ebenso auf der Fusion. „Indie-Jazz” nennen sie das, und ihr weitschweifendes Debüt Throw My Fears In The River (Meiosis Records, 19. Januar) führt bestens vor, wie es klingen kann. Die zehn in unaufdringlicher Perfektion live eingespielten und spürbar gelebten, lange gereiften Songtracks reichen von leicht angedunkelten traditionellen Slow-Jazz-Balladen zu minimal groovender Elektronik. Das ist zwar etwas tradierter, aber letztlich nicht weniger frei und offen als der Sound der toechter.

Im Großen und Ganzen innerhalb von modernem R’n’B und elektronischem Pop und doch mit unvorhergesehenen Abzweigungen und interessanten Um- und Abwegen schweift das Mannheim-Berliner Trio Mayuko munter umher. Nicht ganz ungefährlich, glaubt man dem sprechenden Albumtitel Songs To Whistle When Strolling Along The Abyss (Sinnbus, 26. Januar). Vielleicht ist Das Starren in den Abgrund ja gar nicht so interessant wie der krautüberwucherte Wanderweg um ihn herum. Jedenfalls gibt es da wesentlich spannendere Dinge zu entdecken als in der Finsternis. Was die Mehrfach-Instrumentalistinnen Rebecca Mauch, Kasia Kadlubowska und Sängerin Michelle Cheung daher fabrizieren, bleibt jedenfalls im freundlichen Territorium des mediterranen Synthpop und traut sich doch, weiter zu denken und tiefer zu fühlen, als die Klischees es verlangen.

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