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R-Label Group: 10 prägende Tracks auf Kobosils Label

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Zehn Jahre R-Label Group sind genug – dachte sich Kobosil und erwies seiner Vergangenheit die letzte Ehre: Ende 2023 war Schluss für das Label aus Neukölln. Nach Dutzenden Veröffentlichungen, Partys und Tourneen. Nach Kollabos mit Rappern. Nach viel Einfluss auf den Technofloors hörte man auf „einem wunderschönen Höhepunkt” auf, wie der ehemalige Berghain-Resident meinte.

Wer Kobosils Weg kennt, ahnt aber bereits: Fad wird dem Berliner auch ohne R-Label Group nicht werden. Die Oversized-Shirts wachsen weiter mit den Oversized-Dancefloors. Der Oversized-Techno wird weiterhin zum Oversized-Erfolg. Dass es mit R-Label Group 2013 weder fast noch fashion losging, wissen wahrscheinlich nicht einmal mehr die, die damals dabei waren.

Deshalb haben wir uns durch zehn Jahre R-Label Group gewühlt und zehn Tracks ausgesucht, die für Künstler:in, Label oder Techno wichtig waren – und gemerkt, wie sehr sich das Imprint über die Zeit gewandelt hat.

Kobosil – Think & Think (2013)

Kennt ihr diese Vorher-Nachher-Schocker, wo rehabilitierte Druggies ihren körperlichen Verfall reflektieren? Das hier wäre Bild 1: Erster R-Label-Release, erste Solo-Veröffentlichung – und so weit von seinem heutigen Zeugs entfernt wie die Toilettenschlange von einem Detox-Camp. Wer Kobo nur aus der TikTok-Werbung kennt, wird hier – gähhhhn – schon nach der ersten Kickdrum wegwischen, weil: kein ADHS-Drop, kein stampfendes Geballer, einfach nur dieses konstant-kriechende Waberwummern und ein bissle was Klopfendes aus dem Sample-Pack für Hobby-Bastler. Ging doch ganz gut los, eigentlich!

HN42 – Alpha Fixe (2016)

Viel kam nicht in den ersten Labeljahren von R, danach zog Kobo aber an: HN42 war ein Projekt, von dem niemand wissen durfte, wer dahintersteckt. Hat dann irgendwann auch niemanden mehr gejuckt. Zwei EPs sind trotzdem erschienen. Gerade die Erste war eine schöne Sache, weil hier andauernd jemand ins Mikro fauchte, das in der Kanalisation unter irgendeinem Technoschuppen rumbaumelte. Anders lässt sich das musikgewordene Tröpferlbad nämlich ebenso wenig erklären wie der neue Spin, den R-Label mit diesem Release bekam.

Parallx – Red Clouds (Somewhen Falling Ashes Mix) (2018)

Dass das mit Parallx was werden könnte, wussten die GROOVE-Leser:innen wieder mal zuerst. 2017 wählte sie den Producer aus dem Pott unter die Newcomer des Jahres. Und seine Releases auf R-Label haben natürlich was damit zu tun. Der Mann weiß schließlich, wie man Gruben aushebt. Immer schön baggern! Irgendwann ist da ein Loch. Dann noch eins. Und immer so weiter. Das Original von „Red Clouds” überlistete bei HATE sogar den YouTube-Algo. Der Remix von Label-Kumpel Somewhen schnupfte dann die Vocals, ist aber genau das, was Techno sein sollte. Die Wiederholung in der Wiederholung. Plötzlich sind sechs Minuten rum, und man kauft sich einen Spaten. Weil man jetzt auch mal so ein Loch buddeln will.

Rikhter – Phiom Enhah (2019)

Der zweiterfolgreichste R-Label-Track, wenn’s nach den ZAHLEN geht. Und 2019 auf jedem Floor, der was von sich hielt, zu hören. Und ich mein: AUF JEDEM. War man Techno-DJ, musste man den spielen, weil BÄNGER! So kam es vor, dass DJs die Bohrmaschine schonmal verkehrt ansetzten. War egal, alle rannten bei dem Teil immer flugs aus den Klokabinen, ich mein, das musste man erlebt haben. Rikther riss einen nämlich raus. Darauf konnten sich menschgewordene Michelinmännchen und die Kettenhemd-Fraktion links vorne genauso einigen wie HasseröderPremiumPils-saufende Nachwuchsgruftis mit Bassbox unter der Autobahnbrücke. Dass der Track nicht alleinverantwortlich für die voranschreitende Vocalisierung von Techno war, darf man übrigens annehmen (Auge, Schacke!). Seinen Anteil hatte er aber. Und zwar genauso wie…

Rosa Anschütz – Rigid (Kobosil 44 Rush Mix) (2019)

Man kann es lieb ausdrücken und sagen, dass das ein wichtiger Track war, für Rosa Anschütz und Kobosil und Techno generell. Oder man sagt, na ja. Und hält dann besser die Klappe, weil man sonst noch jemanden in seiner künstlerischen Entwicklung stören könnte. Die Entwicklungsrichtung war damals jedenfalls: Ohne Vocals geht’s nicht. Deshalb klatschten fortan drittklassige Producer viertklassige Samples über ihre geilen Techno-Loops. Bei Kobo und Rosa klang das zumindest TECHNISCH nach Champions League. Liegt aber auch daran, dass die beiden das Berghain auch schon mal von innen gesehen haben, Hashtag 44!

In Verruf – Too Much DMT (2019)

Du ziehst viermal an, viel zu oft, aber das spürst du gleich, dann ist es längst zu spät. Shit. Was? Du checkst nix, holst dein Handy raus, halbleer, so wie du, nur noch verschwommen – zusammenreißen, drei Wörter eintippen, too much dmt. Seite lädt sich, Körper sagt ja, nein, geradeaus. Doch statt der erhofften Überweisung ins nächste Detox-Camp kommt nur dieser Track. Immer und immer wieder. Auf alle Ewigkeit. Bis der Blutsturz dich von deiner Seele scheidet.

Radical G – The Deserted Kingdom (2021)

Was hockt denn da auf dem Cover? Ist es der leibhaftige Nachtmahr? Oder ein psychotischer Raver, der Radical Gs Künstlernamen willfährig als toxikologische Marschroute adaptiert hat? Wie auch immer, selten klang Musik auf R-Label Group EBM so nahe wie hier, und das will was heißen. Als morbides Schattenwesen zwischen Slenderman und spooky Stachelkopf und mit einwandfreier Marilyn-Manson-Intonierung trachtet der Belgier Glenn Keteleer hier dramatisch nach Einlass in irgendein Königreich. Cleveres Angebot an die Schwarze Szene – und nein, damit sind keine Jungraver:innen gemeint, die ihr Taschengeld im KDW für Kobosil-Merch auf den Kopf hauen. Maximilian Fritz

Wallis – Match (2021)

Producerinnen und R-Label, auch so eine Sache. Keine Handvoll zählt man in zehn Jahren – zach, könnte man sagen. Oder dem Kobosil cold turkey den Hintern versohlen, wie das Wallis auf RW1 gemacht hat. Viermal holte sie dafür aus. Dreimal zog sie durch – mit Geklöppel für die Streckbank, straight aus der schwitzigen Kammer, wo es nach Latex, Wachs und Handflächenabdrücken duftet und man die Kinder lieber zuhause lässt.

Franck – Whistle Tool (2022)

Ich hör’, ich hör’, was du nicht hörst, und das ist ein bounciger Track, der einzige auf diesem Label! Hörst du nicht? Gestatten, Franck! Der Schotte lüftete 2022 seinen Schottenrock, drunter war nix außer der harten Wahrheit: kein Geballer, dafür Bounce! Hätte der Frühjahrskollektion bei R noch mal einen anderen Touch geben können, wäre da nicht der beschissene Konjunktiv gewesen. Kobosil war nämlich längst anderweitig beschäftigt – T-Shirts drucken sich schließlich nicht von selbst und Haken auf Kreuzen wollen auf Covern wie diesem ebenfalls gekonnt versteckt sein.

Ueberrest – You Know What (2023)

Ja, bumm, tschau. So klang 2023, so haben wir das gerade noch in Erinnerung. Schnell, zu schnell. Aber immer noch nicht SCHNELL genug. Deshalb die Claps, Claps, Claps, weil: Für irgendwas muss man heute ja die Arme nach oben schmeißen. Und dann geht’s auch schon los, das Synthesizer-Geknatsche macht auf bitterböse, so wie Scheinwerferblenden auf einem Ford Fiesta, der mit blinkender Lichthupe und zwohundertdreißig Sachen auf dem Pannenstreifen überholt. Nur: Den Karren lenken längst andere Klangkuenstler. Das hat auch Kobosil eingesehen und dem Brutalismus ein Ende gemacht.

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