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Die Platten der Woche mit Actress, Machine Woman, Rhyw, Sven Weisemann und Tuccillo & Tomoki Tamura

Actress – Push Power ( a 1 ) (Ninja Tune)

Actress at his rawest. Auf seiner Single zum neuen Album LXXXVIII gibt sich der Produzent gleich im Titeltrack schön spröde reduziert. Trocken stotternder Beat, die Titelphrase als mutmaßliches Sample ähnlich trocken vorgetragen und zum Kontrast ein nebelverhangenes Klavier, das über diesem Gerüst zurückgenommen zu improvisieren scheint. In der zweiten Hälfte der Nummer kommen andere Stimmen hinzu, bis sich der Nebel durchsetzt. Nach einem vorbeihuschenden Zwischenspiel gibt sich abschließend Sampha mit einem Gastauftritt die Ehre. Wiederkehr des verhaltenen Spiels über sparsamem Breakbeat, auch Samphas Stimme drängt nicht nach vorn. Sehr herbstlich, aber ohne Kitsch. Tim Caspar Boehme

Machine Woman – When Elegance Becomes Violence (Delsin)

Machine Woman, russischstämmige Produzentin in Großbritannien, macht weiter mit ihrer storytelling (im Gegensatz zu: Geschichten erzählenden) Electronica. Tracks wie „I Received Your Email Today” lotsen die Sensoren sofort mitten rein in die Story, wie etwa Werbung das auch macht. Über seinen Knistersounds verharrt das Stück jedoch zu lange in der Statik; die paar gefundenen Geräusche und Scratches sowie eine tödlich gelangweilte Stimmen machen den Braten auch nicht fett.

Überhaupt fährt die EP eine Länge auf: selbst das noch supergut beginnende „Untitled Glitch House Beat” wäre ein irre gutes DJ-Tool in seinen wankenden, struppigen, runtergepitchten Schlagzeug-Samples und chaotisch umherschwirrenden Synthesizern im Hintergrund. Doch was auf einer Minute gut angelegt wäre, wird hier auf fünf Minuten und 40 Sekunden ausgedehnt.

Genauso geht es im abgewrackt-futuristischen Electro von „Yes Mate” zu oder auf „Heavy Cream”: tolle Ansätze, waghalsige Ideen von Machine Woman, die zu lange ausgewalzt werden. Als EP kann When Elegance Becomes Violence also nicht unterhalten, herhalten jedoch als Werkzeugkoffer. Christoph Braun

Rhyw – Mister Melt (Fever AM)

Techno, so Techno, wie Techno es sein kann. Treffender kann man die Musik des Griechen Alex Tsiridis eigentlich nicht beschreiben. Ein gerader Beat zwischen 140 und 150 BPM, der genau weiß, wo es lang geht – geradeaus nach vorn nämlich. Die schneidenden Hi-Hats tackern dabei die Tanzenden auf dem Dancefloor fest – kein Entkommen. Drumherum entfaltet sich eine Fülle synthetischer Sounds, die ganz sicher an kein irdisches Instrument, sei es akustisch oder elektrisch, erinnern. Mal in abstrakt-hypnotischen Sequenzen, mal in fast schon an Melodien erinnernden Tonfolgen. Fast – denn aufgebrochen werden die Sequenzen von clever programmierten Breakdowns, die ein ums andere Mal die Kinnlade auf den schweißigen Tanzboden herunterklappen lassen.

Überhaupt ist hier an jeder Takt-Ecke etwas los, ständig überrascht Rhyw mit neuen Ideen, sowohl in Arrangement als auch Sounddesign. Das konnte bei früheren Releases schon mal anspruchsvoll kurz vor der Anstrengung sein – doch auf den vier Tracks von Mister Melt hat Tsiridis sich im Griff, ganz auf den Dancefloor fokussiert. Avantgarde-Techno for the Masses. Da kann man nicht meckern – nur bis zur Verausgabung tanzen. Tim Lorenz

Sven Weisemann – Limerence ToolZ Vol.2 (Mojuba)

Die beiden Wörter, die den Titel von Sven Weisemanns EP-Serie formen, sagen immens viel über seine Intention und sein Verhältnis zu der Musik aus, der er sich mit Limerence ToolZ widmet. „Tools” sind Werkzeuge, und damit sind Zielgruppe und Absicht klar benannt: DJs und ihre Arbeit hinter den Playern. Und natürlich weiter gedacht, ihr kreativer Umgang mit diesem Handwerkszeug. Die Tracks sind unverspielt gebaut, abgespeckt, stringent, und damit perfektes DJ-Futter – wer jetzt an das legendäre Label Little Helpers von Someone Else und Butane denkt, liegt genau richtig. „Limerence” wiederum steht für extreme Hingabe, für Verliebtsein bis hin zur Besessenheit. Und aus dieser auf den ersten Blick etwas gegensätzlichen Kombination von funktionaler Ausrichtung auf der einen und tiefen Emotionen auf der anderen Seite entstehen bei Sven Weisemann exzellente Deep- und Dub-House-Tracks, denen trotz ihrer Werkzeug-DNA auch massig Soul und Leidenschaft innewohnen. Mathias Schaffhäuser

Tuccillo & Tomoki Tamura – Salvadanaio EP (Holic Trax)

Die Gründung von Holic Trax im Jahr 2012, dem Label des in Berlin lebenden japanischen DJs und Produzenten Tomoki Tamura, geht einher mit gemeinsamen Veröffentlichungen von ebendiesem und dem italienischen Produzenten Tucillo. Daher ist Salvadanaio, das neue Werk der beiden, nicht überraschend, aber wie gewohnt erfrischend.

Die vier Tracks der EP verfolgen ganz eigenständige klangliche Ansätze, sie verbindet trotzdem eine geschmeidige Leichtigkeit. Der Eindruck, als ob sie kurz über dem Boden flattern und schweben würden, entsteht durch den Anstrich housiger Unbeschwertheit und Melodik, mit dem jedes Stück überzogen wird. Während „Golden Ring” mit einer solchen Vielzahl an analogen Synths zusammengebastelt ist, dass es schon fast Anstrengung benötigt, um jedes noch so kleine Detail zu erhören, evoziert „Salvadanaio” mit Vogelgezwitscher, zirpenden und knarrenden Synths und einer heiter läutenden Melodie Bilder tropischer Natur und warmen Klimas, sodass ein gewisses Urlaubsfeeling aufkommen kann. „Stella” hingegen prescht mit grobem Beat voran, der mit einer an Acid Techno angelehnten Bassline und wuschelig einhergehenden Synths verschwimmt. Die Eleganz und über Jahre eingespielte Leichtigkeit, mit der Tamura und Tocillo Kohärenz in ihre durchaus unterschiedlichen klanglichen Herangehensweisen bringen, ist schwer in Worte zu fassen – da hilft nur selbst hören. Louisa Neitz

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