Ende der Zweitausender hat der ebenfalls in Los Angeles ansässige Produzent Dave Aju einen eigenwilligen Minimal-Techno-Sound etabliert, dessen Minimalismus weniger struktureller Natur war als im extrem luftigen Gesamtsound begriffen. Feinste Field Recordings ganz hinten im Mix zu sonnengetrocknet knochigen Beats aus abstrahierten Jazz-, Soul- und Funk-Samples. Dieser speziellen Art der Konstruktion und Produktion von Tracks ist Aju treu geblieben, den Minimalismus hat er allerdings weitgehend hinter sich gelassen. Glossolalia (Broken Clover, 14. Februar) jüngstes Album seines (Solo- oder Band-, das ist nicht ganz klar) Projektes Dave Aju & The Invisible Art Trio nimmt neben Jazz und Soul (und der Kuhglocke der Beastie Boys) explizit noch den Sound der Straße in den Mix für eine wahrlich tiefe, kategoriefreie Tanzmusik, die so viele Fenster öffnet, um Noise und Wärme, Vibes und Stress einzulassen.
Der weltweit vernetzte Kanadier Anthony Tan ist Pianist und promovierter elektroakustischer Komponist, der mit Mikrosounds, zyklischer Zeit und In-Betweenness arbeitet. Seine Arbeiten sind allerdings keineswegs so kopfstreng und hermetisch, wie der akademische Hintergrund es vielleicht impliziert. Im Gegenteil, die beiden langformatigen Stücke auf Susurrus (Gengseng Records, 3. März) suchen die Vernetzung mit allerlei experimenteller Elektronik und Dark Ambient. Sie loopen unrund und bollern untergründig, setzen das allgegenwärtige Piano einer Glitchbehandlung aus und enden mit disruptiertem Knirschen und Grummeln in dunklen Flächensounds, als wären wir im typischen Postclub-Experimental-Keller gelandet.
Irgendwann in dekadenferner Vergangenheit einmal die untergrundigsten aller Technokeller bespielt zu haben, dabei aber strikt antikommerziell geblieben zu sein und später improvisierte Elektroakustik zu machen, das ist ein durchaus ein solider Weg, um in der Würde und Einsamkeit des erleuchteten Außenseiterstatus alt zu werden. Vor allem, wenn man sich dazu ein schorfiges Alias zulegt wie Muellie Messiah & Punk Not Punk, die in den Berliner Neunzigern als 100Records reüssierten. Jan Jelinek hat das Duo nun reanimiert und veröffentlicht mit Exq I (Faitiche, 3. März) eine ihrer späten Klangcollagen, die mal wieder unheimlich perfekt ins Labelportfolio passt.
Einen Raum öffnen, der Club und Bühne, Runway für High-Concept-Mode und Galerie für Performancekunst ist, alles zugleich und doch nichts davon exklusiv, ist das ambitionierte Ziel von PRICE und Cecile Believe auf Little Too Late (The Work of PRICE, 16. März). Sensationell gelungen, übrigens. Eine etwas anders gewichtete wie umfassende Art der In-Betweenness, die es tatsächlich schafft, Konventionen zu sprengen, vor allem die ganz jungen Konventionen, die vorschreiben, wie Deconstructed Club und Post-Internet heute zu klingen haben, (disruptiv und digital) und uns stattdessen eine hundertprozentig eigene Vision von psychedelischem wie zartem Art-Pop schenken.
Hibbeliger Achtziger-Electro-Pop mit japanischen Lyrics, die musikalische Weitsicht von Fourth World und die strukturelle Grenzen sprengende Kraft von Free Jazz. Logisch geht das super zusammen, zumindest, wenn man Kate NV ist und damit ein DIY-Genie, das mit einem einfachen Keyboard, einem uralten Sampler und einer Handvoll Spielzeuginstrumente ein Album wie WOW (RVNG Intl., 3. März) produzieren kann. Die russische Universalmusikerin stellt mit einfachsten Mitteln einen ganzen Saal voll mit hupenden, blökenden, quietschebrummenden Klängen, dass es eine pure Freude am Spiel, am Klang, am Ausprobieren und Rummachen ist. Und gleichzeitig entstehen eben doch tolle, halb-instrumentale Popsongs, die in ihrer immer vorläufigen Skizzenhaftigkeit doch ausgefeilt perfekt wirken.