Marcel Dettmann – Fear of Programming (Dekmantel)
Marcel Dettmann ist eine der Galionsfiguren des Berghain und mit diesem untrennbar verbunden. Bis heute ist sein prägender Einfluss für den Sound des Clubs unbestritten. Auf seinem neuen Album, Fear of Programming, knüpft er vergleichsweise unmittelbar an den Vorgänger Dettmann II von 2013 an. Dort erweiterte er seinen musikalischen Radius und erkundete Territorium jenseits des Dancefloors. Fear of Programming funktioniert ebenso wie Dettmann II als persönliche Werkschau eigener Vorlieben. Das Spektrum reicht von rauen Industrialklängen und zarten wavigen Flächen bis hin zu warm-flirrenden Detroit-Sounds und spröden Technoexperimenten aus den 1990ern.
Hatte man beim Dettmanns Debütalbum von 2010 noch den Eindruck einer gehärteten Stahl- und Stein-Ästhetik, befinden wir uns auf der neuen Platte eher innerhalb filigraner elektronischer Schaltkreise, die durch Sweeps und Zaps unterschiedlicher Art Ausdruck finden. Die 13 Tracks zeichnen sich durch klare Linien und mutige Ideen aus. In ihrer Reduktion aufs Wesentliche entstehen skizzenartige Sequenzen und Texturen, die aber mit Leichtigkeit für sich stehen können und durch ihre angenehm raumgreifende Präsenz auffallen.
Wie durch eine Lupe lassen sich die Hauptelemente des jeweiligen Stückes betrachten und verstärkt genießen.
Eine Überfrachtung oder gewollte Komplexität sucht man in den Tracks vergeblich. Die jeweilige Hauptidee mäandert immer klar nachvollziehbar durch nur wenige Effekte und lässt somit den Blick frei auf die Nuancen in der Veränderung der Bewegung. Wie durch eine Lupe lassen sich die Hauptelemente des jeweiligen Stückes betrachten und verstärkt genießen. Selbst die wenigen Stücke, die mit ihrem Bassdrum-Einsatz eher auf den Floor abzielen, reihen sich dann doch in die Philosophie der autarken macro patterns und eher zur Abstraktion des Tanzflures ein.
Der Titel Fear Of Programming ist von Dettmann sehr bewusst gewählt worden, er reflektiert laut Pressetext die Schwierigkeiten des kreativen Prozesses, vor dem Künstler:innen oft stehen. Das ist vielleicht eine so banale wie allgemeingültige Erkenntnis erfolgreicher Artists, zentraler wiederkehrender Bestandteil jedes künstlerischen Prozesses, der auf eine bestimmte, zeitlose Qualität abzielt.
Die angestrebt-heitere bis konzentrierte Gelassenheit im Studio spiegelt sich in der unverbauten Klarheit seiner Patterns wider
Paradoxerweise geht es dabei darum, sich von Erwartungshaltungen der Musikindustrie, aber auch der Fans so weit wie möglich freizumachen, um zur höchsteigenen künstlerischen Ausdrucksweise zu gelangen und mit seinen Gefühlen in eine ungetrübte Verbindung zu gelangen. Es sei in den letzten zwei Jahren sein Ziel gewesen, im Studio eine Atmosphäre purer Spielfreude zu schaffen und Ideen, Texturen, Sequenzen von Musikmaterial für ein Album zu sammeln, die den inspirierten Moment festhalten, so Dettmann in einem kurzen Telefonat mit GROOVE.
Tatsächlich ist es Dettmann gelungen, sich dem Dschungel der Ambivalenzen zu entziehen und richtungsweisende, überzeugende Klangkombinationen zu finden. Die angestrebt-heitere bis konzentrierte Gelassenheit im Studio spiegelt sich in der unverbauten Klarheit seiner Patterns wider. Nicht zu überhören ist dabei sein begnadetes Händchen in der Inszenierung seiner stilistischen Vorlieben wie eine deutlich weiterentwickelte, unverkrampfte Form eines verspielten Purismus. Dass hier antagonistisch gegenüberstehenden Pole vereint werden, macht dieses Album zu einer echten Freude – und zu einem äußerst verdienten Album des Monats. Richard Zepezauer