Jessica Ekomane ist ein fester Begriff in der experimentierfreudigen Berliner Szene zwischen Klangkunst und elektronischer Musik. Ihre Sets, Musik und Installationen waren beim legendären Berlin Community Radio ebenso wie auf Festivals wie CTM, Heroines of Sound oder eavesdrop zu hören und zu erleben.
Im Dachgeschoss des KW Institute for Contemporary Art in Berlin-Mitte zeigt sie noch bis zum 4. Mai ihre aktuelle Installation, die um das Thema der Zeitwahrnehmung kreist und nicht weniger versucht, als eine Loslösung vom rigiden Zeitregime unserer Kultur zu ermöglichen. Wir wollten von der französischen Künstlerin wissen, wie das funktionieren kann – und welche besondere Rolle dabei das Warten und Warteräume spielen.
GROOVE: Was erwartet die Besucher:innen in deiner Installation in den KW, die Antechamber, Vorzimmer heißt?
Jessica Ekomane: Sie werden in einen Raum eingeladen, in dem sie sich setzen, hinlegen oder auch frei herumlaufen können. Die Klänge zeigen verschiedene Möglichkeiten auf, über Zeitmessung und Zeitverläufe nachzudenken, vermittelt durch Rhythmen. Diese Klänge sind für diesen spezifischen Raum im Dachgeschoss der Kunstwerke gemacht und so konzipiert, dass sie mit den Sinnen spielen. Manchmal haben sie einen fast visuellen Charakter. Über eine halbe Stunde hinweg können die Besucher:innen etwa fünf Szenarien hören, die verschiedenen Zeitmessungssystemen entsprechen, von der UNIX-Zeit der Computer bis zu spezifisch afrikanischen Zeitmessungspraktiken, die südlich der Sahara entstanden sind. Etliche Besucher:innen berichten allerdings, dass sie viel länger geblieben sind – zum Teil mehrere Stunden.

Du hast Antechamber als eine Art Warteraum beschrieben. Wir haben eine ambivalente Beziehung zum Warten: Wir sind etwa genervt, wenn wir auf eine DHL-Lieferung warten. Wir warten aber geduldig, um einen beliebten Club oder ein beliebtes Restaurant zu betreten. Was ist deine Haltung zum Thema Warten?
Ich interessiere mich für den Akt des Wartens und für die Räume, die für diesen Zweck eingerichtet wurden, weil die Tätigkeit des Wartens unproduktiv und vergänglich ist. Hier erfahren wir die Zeit als solche. Warteräume und Vorzimmer sind keine eigenen Räume, sie existieren nur als Erwartung anderer Momente und Orte, die in der Zukunft liegen. Mich interessiert, was in diesen schwebenden Momenten geschieht, wenn man sich von der Erwartung, ein Ziel zu erreichen, löst und beginnt, der eigentlichen Erfahrung des Vergehens von Zeit Aufmerksamkeit zu schenken. Unser Sinnesapparat neigt dazu, die Zeit als lineare Erfahrung wahrzunehmen, was sich auch in unserer Kultur widerspiegelt. Aber das ist nicht das, was zum Beispiel die Quantenphysik zu diesem Thema zu sagen hat. Der Akt des Wartens kann ein Gefühl davon verschaffen, wie sich die Zeit dehnen oder zusammenziehen kann.

Deine Arbeit macht die Zeitmessung zu einer körperlichen Erfahrung, die natürlich sehr persönlich ist. Jemand mag sie als Unterwerfung unter ein mathematisches oder informatisches Regime erleben, andere als Fähigkeit, sich durch Rhythmus und Musik mit anderen Menschen und der Gesellschaft zu verbinden. Wie erlebst du die Zeit?
Ich hatte schon immer Schwierigkeiten mit Pünktlichkeit, obwohl ich mein Bestes gebe. In den letzten Monaten habe ich ein Interesse an Uhren und anderen Zeitmessern entwickelt, um mehr darauf zu achten, wie diese Technik mein tägliches Leben beeinflusst. Natürlich wollte ich mein Erleben von Zeit auch verändern. Letztendlich denke ich, dass sie vom Zusammenhang und vom emotionalen Erleben abhängt. Aus diesem Grund habe ich versucht, die Installation sehr offen zu halten, damit das Publikum Raum für persönliche Projektionen und Erfahrungen hat, basierend auf der eigenen Wahrnehmung.

Mit dem Verkehr, Straßenlärm und der vielen Musik kann das Berliner Leben ziemlich laut sein – wie erlebst du als Klangkünstlerin und Musikerin die Berliner Klanglandschaft?
Ich finde Berlin im Vergleich zu anderen Orten eigentlich ziemlich ruhig, besonders für eine Hauptstadt. Ich liebe an der Stadt, dass sie nie ganz still wird. Da ich ursprünglich in einer Kleinstadt aufgewachsen bin und ein bisschen an einem Tinnitus leide, finde ich diese ständigen Lebenszeichen ebenso beruhigend wie ein Spiegelbild der rastlosen Kreativität, die sich hier eingenistet hat.

Welches ist das erste Geräusch in deinem Leben, an das du dich erinnern kannst? Und warum glaubst du, dass du dich noch daran erinnerst?
Eines der ersten Geräusche, die für mich von Bedeutung waren, war der Klang der Musik an sich, das begann mit den Tönen eines Klaviers. Ich erinnere mich daran, weil ich ihn mit einer starken emotionalen Erfahrung verbinde. Das hat mein Leben verändert, als ich entdeckt habe, dass Musik mich zutiefst berühren und mir komplexe emotionale Erfahrungen vermitteln kann. Ich wuchs nämlich in einem Umfeld auf, in dem ich mich ansonsten ziemlich unterfordert gefühlt habe.
Antechamber von Jessica Ekomane ist bis zum 4. Mai im KW Institute for Contemporary Art zu sehen. Tickets sind vor Ort erhältlich, Information zur Ausstellung findet ihr hier.