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Fred Again: Eine Gefühlsdröhnung aus Sprachmemos und FaceTime-Gesprächsfetzen

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Erst war Fred Again als Studio-Nerd für Eminem, The XX oder Skrillex tätig, später samplet er Tagebucheinträge oder pitcht die Sprachmemos von Freund:innen und verpackt sie zu so melancholischen wie chartverdächtigen Songs. Und seit seinem Boiler Room kommt auch der poppaffine Flügel der Clubszene nicht mehr an ihm vorbei. Die Wenigsten wissen jedoch, dass er nicht erst keineswegs als Newcomer dieses Jahres gelten kann.

Wencke Riede erklärt, wie der Künstler schon seit der Mitte der Zehnerjahre das Geschehen zwischen Pop- und Clubmusik mit zahllosen Produktionsjobs mitdefiniert und aus dieser Zuarbeitertätigkeit den Blueprint für den Sound einer postpandemischen Euphorie erschaffen hat, die immer einen Funken von Melancholie in sich trägt.

Bis 2019 kreiste sein Name nur als Silhouette über die von ihm produzierten Alben von Popstars wie Ed Sheeran, Shawn Mendes, BTS, Stormzy oder The XX. Mit seiner Debütsingle „Kyle (I Found You)” trat er zum ersten Mal aus der Rolle des unscheinbaren, im Hintergrund operierenden Produzenten. Aus Fred Gibson wird Fred Again – der Künstlername, der die Grenzen zwischen Produzent, Songwriter, Sänger und DJ in die Facetten seiner Künste aufdröselt und seither in aller Munde ist.

Fred Again (Foto: Theo Batterham)

In Gibsons ein wenig klischeebehafteter Erfolgsgeschichte ist es Brian Eno, der das Talent des damals 16-Jährigen, heute 29-Jährigen erkennt. Als Mitglied einer A-Capella-Gruppe besuchte er das Studio der Ambient-Ikone und überzeugte sie kurzerhand von seinen Fertigkeiten an der Digital Audio Workstation Logic. „Ich habe eine Weile gebraucht, um zu erkennen, dass das eine neue Art ist, Musik zu machen. Ich habe also viel von ihm gelernt”, berichtet Eno später. 

Mit einem Hauch melancholischer Synthpads verwandelt Fred Again das Poetry-Slam-Stück von Kyle alias Guante in einen anheimelnden Club-Schunkler.

Während Gibson wenig später mit Eno zusammenarbeitet, prasseln parallel die ersten Anfragen musikalischer Größen in das Postfach des jungen Briten. So beginnt Gibson für Ed Sheeran oder Burna Boy zu produzieren, werkelt an Clean-Bandit-Songs und lässt seine Skills in die Alben von Eminem oder Rita Ora fließen. Viele seiner Produktionen schaffen es in die Charts und werden alsbald von Nominierungen und Auszeichnungen gekürt. So gewann Fred 2020 den BRIT Award in der Kategorie Producer of the Year.

Die Erfolgsgeschichte als Musikproduzent scheint bis dato geschrieben zu sein. Dabei bleibt es aber nicht. Mit seiner Debütsingle „Kyle (I Found You)” beginnt für Fred Gibson das nächste und für Fred Again das erste Kapitel. 

Nun wendet Gibson eine neue Arbeitsweise an, sein Material sind nicht mehr Songtexte, sondern Tagebucheinträge oder wie hier die Verse eines Gedichts, die er mit seinen Melodien umhüllt, gepaart mit gepitchten Sprachfetzen, die von verflossener Liebe erzählen. Mit einem Hauch melancholischer Synthpads verwandelt Fred das Poetry Slam Stück von Kyle alias Guante in einen anheimelnden Club-Schunkler. Ein Song, der nach seinem Erzähler benannt ist und schon bald die Charts diverser Streaming-Plattformen dominiert.

Liebe, Trauer, Hoffnung und Freiheit bündeln sich zu einer klingenden Gefühlsdröhnung, die Fred again auf seinem Album archiviert.

Im Zuge dieser Produktion entwickelt Fred Again Produktionsschema und Herangehensweise, die bis heute die Markenzeichen seiner Musik sind. Sein Debütalbum Actual Life erschien 2020, als erster Teil einer Album-Trilogie. Die beiden Nachfolger veröffentlichte er in den beiden folgenden Jahren. Die Titel der Platten lässt er dabei unverändert und klammert lediglich den Entstehungszeitraum seiner Tracks hintenan. Drei Alben also, die das Leben des Künstlers dokumentieren und so den erwähnten Tagebuch-Charakter gewinnen.

Fred Again auf dem Cover von „Actual Life 3”

Gibson verarbeitet Sprachmemos und FaceTime-Gespräche, kleine Videoschnipsel und Audiosamples, kombiniert sie mit eigenen Vocals und puzzlet ihre Einzelteile in eine melancholisch klingende Momentaufnahme zusammen. Seine Tracks vereinen Eskapismus und Realismus aus dem Hier und Jetzt. Liebe, Trauer, Hoffnung und Freiheit bündeln sich zu einer klingenden Gefühlsdröhnung, die Fred Again auf seinem Album archiviert.

In den einstündigen Sets fließen die Eindrücke nur so ineinander und trotzdem wirken jede Bewegung und jeder neue Track perfekt aufeinander abgestimmt. 

Sein Boiler-Room-Debüt gab Gibson am Tag der Veröffentlichung von „Turn On The Lights again..”. Eine Single, für die er sich Unterstützung von US-Rapper Future und der Swedish House Mafia holte. Seit dem 29. Juli wurde der Mitschnitt seines DJ-Sets über acht Millionen Mal geklickt. Vom einstigen Produzenten, der sich im Schatten seiner Kolleg:innen verbirgt, ist keine Spur mehr übrig – im Gegenteil. Gibson reiht einen Track an den nächsten und tanzt dabei mit der gleichen Euphorie wie die Menschen um ihn herum. Manchmal springt er wie wild auf und ab und grinst dabei in die jubelnde Menge.

Seine Live-Performances erwecken seine eigenen Produktionen zum Leben. Auf YouTube lädt er gelegentlich Live-Sessions aus seinem Londoner Studio hoch und gewährt damit Einblicke in seinen Arbeitsprozess. Während es draußen dämmert, sitzt Fred vor einer Palette an Drummachines, Keyboards und Groovepads. Ab und an zückt er seine Gitarre oder singt in ein kleines Mikrofon. Neben ihm ragt eine Leinwand empor, auf der die gesampelten Video-Fetzen umherwirbeln. In den einstündigen Sets fließen die Eindrücke nur so ineinander und trotzdem wirken jede Bewegung und jeder neue Track perfekt aufeinander abgestimmt.

Am 28. Oktober erschien der dritte und letzte Teil seiner Albumreihe. Actual Life 3 (January 1 – September 9 2022) vollendet damit das Musik-Tagebuch des Künstlers. Bevor jedoch Ruhe einkehren kann, kündigt Fred Again schon die Daten seiner Tournee an. Insgesamt zwölf Gigs wird er spielen – drei davon in Deutschland. Der Trubel um den jungen Briten wird also nicht so bald verhallen.

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