Regina Baer 1992 im Tresor (Foto: Tilman Brembs)

Am 21. Juli ist Regina Baer nach schwerer Krankheit in Berlin verstorben. Mehr als 30 Jahre war sie im Team des Tresor mit verschiedenen zentralen Aufgaben betraut. Regina Baer wurde 56 Jahre alt.

Baer gehörte 1991 zum Gründungskollektiv des ersten Tresor und war von 1994 an dessen Geschäftsführerin bis zur Schließung 2005. Im Team des neuen Tresor an der Köpenicker Straße kümmerte sie sich um Personalfragen und war als Supervisorin tätig. Sie managte Ausbau und Nutzung des Kraftwerk-Gebäudes. Zuletzt gründete sie mit Dimitri Hegemann die Tresor Foundation Berlin.

Regina Baer ist am 1. Dezember 1966 geboren, sie wuchs in Hannover auf. 1986 zog sie in die damalige Mauerstadt. „Ich habe von Berlin geträumt”, sagte sie im vergangenen März in einem Interview. „Ich wollte Hannover entkommen. Damals war Berlin weit weg, man brauchte fünf Stunden mit dem Auto. Berlin war meine geheime Insel. Dabei war die Stadt verstaubt und unheimlich.”

Regina Baer 1992 im Tresor (Foto: Tilman Brembs)

Zum Tresor stieß sie über Dimitri Hegemann. Sie lernte ihn auf der Landwirtschaftsmesse Grüne Woche im Januar 1991 kennen, noch vor der Eröffnung des Tresor. „Damals haben wir immer verrückte Sachen gemacht. Ich hatte mit Freunden ein Space Beer entwickelt. Wir hatten vom Tourismus im Weltraum gelesen und wollten dafür ein entsprechendes Bier aus kosmischen Substanzen anbieten”, erinnert sich Hegemann.

Für dieses Bier suchte er auf der Grünen Woche einen Vertrieb. An einem anderen Stand in der Amerikahalle pries Regina Baer lautstark einen Smoothie namens Strawberry Kiss an, ein Studentenjob. Hegemann kam mit ihr ins Gespräch und bot ihr einen Job in der Künstler:innenkneipe Fischlabor an, die er mitbetrieb.

Baer meldete sich wenig später und jobbte in dem Schöneberger Szenetreff. Dort schloss sie einige folgenreiche Freundschaften. Unter anderem lernte sie Alexandra Dröner kennen, die später das Booking des Tresor übernehmen sollte.

Zwischenzeitlich hatte Hegemann mit Achim Kohlberger und Johnnie Stieler den Tresor-Keller entdeckt, der in Berlin-Mitte im Grenzbereich zwischen Ost und West lag. Der Raum für einen Technoclub war mit diesem Ort gefunden, nun ging es darum, ihn zu entwickeln.

Regina Baer und Dimitri Hegemann 1992 im Tresor (Foto: Gustav Volker Horst)

„Ich würde dir da gerne etwas zeigen”, sagte Hegeman zu Baer. „Über den Raum konnte ich ihre Fantasie wecken”, erzählt er. Er fragte sie kurzerhand, ob sie die Stahlkammer zum Club ausbauen will. „Die Space Cowboys [eine Band auf Hegemanns Label Interfisch, d.Red.] können dir dabei helfen, die brauchen Jobs.”

Baer reagierte nur mit einem: Hä? „Ich war damals 23”, erklärt sie. „Ich hatte nichts mit Bauen und Handwerk zu tun. Ich habe Deutsch und Technikgeschichte an der Technischen Universität studiert. Ich verstand nicht, warum Dimitri mich in dieser Rolle sah und sagte ihm das. Er fragte mich nur, ob ich einen Führerschein habe.” Den hatte sie. „Dann bist du die Richtige”, sagte er. „Du kannst schreiben, du kannst denken. Hier ist der DJ, da ist die Bar.”

Der Tresor-Keller war für 45 Jahre unberührt, es gab kein Wasser, keinen Strom, keinen Notausgang. Durch ihren klaren Kopf und ihre Zuverlässigkeit sticht Baer schnell in der wilden Truppe, die den Keller zum Club umbauen will, hervor.

„Sie hat den Leuten gesagt: das geht und das geht nicht”, erklärt Hegemann. „Wir hatten viele merkwürdige Gestalten, die dabei sein wollten. Regina konnte kompliziertes Gequatsche in einem Satz auf den Punkt bringen. Sie hatte Rückgrat, sie war in den ganzen Jahren eine ständige Inspiration. Ich war sehr frei, verrückt, ich konnte machen, was ich wollte. Sie hat die Zügel zusammengehalten. Meine Qualitäten sind Leidenschaft und Risikobereitschaft, sie war der Schutzengel. Ich konnte mich auf sie verlassen.”

Dimitri Hegemann und Regina Baer in den späten 2000ern vor dem neuen Tresor. (Foto: Walter Wasacz)

„Sie hatte auch einen besonderen Draht zu den Ostdeutschen, mit denen wir zusammenarbeiteten, etwa zur Sanitärfirma Hummel”, ergänzt Hegemann. „Am Tag der Tresor-Eröffnung im Oktober 1991 machte die Firma Hummel pünktlich um 14 Uhr Feierabend, obwohl der Zugang des Clubs zum Berliner Wassernetz noch nicht gelegt war.” Die Eröffnung absagen? Das kam nicht in Frage. Man hatte die Idee, den Club an den Hydranten vor dem Gebäude anzuschließen. So wurde mit sehr viel Gaffatape eine Verbindung zur Wasserleitung des Tresor hergestellt. Die Polizei war in dieser Zeit in Berlin-Mitte kaum präsent. Auf diese Konstruktion wurde aber eine Streife aufmerksam. Baer kann sich nicht mehr erinnern, was sie zu den Polizisten sagte. Jedenfalls waren diese so überzeugt, dass sie sogar ein Absperrgitter anbrachten, und der Club konnte aufmachen.

In der Zeit gab es in Ostberlin kaum Telefone, deshalb war es schwierig, den Teammitgliedern mitzuteilen, wie sie im Dienstplan eingetragen waren. Von einem von ihnen, Mario Felsen, dem langjährigen Türsteher des Tresor, wusste Baer, dass dessen Mutter alle 14 Tage in der Wohnung ihres Sohnes nach dem Rechten sieht. Deshalb schrieb sie ihr eine Postkarte mit der Bitte, ihren Sohn über seine Arbeitszeiten zu informieren.

1994, in einer schwierigen Phase, nachdem Kohlberger und Stieler ausgestiegen waren, nachdem das Bauamt die Schließung des Tresor-Kellers verfügt hatte, bot Hegemann Baer an, die Geschäftsführung zu übernehmen. „Regina war so klar, so tough und so unverstellt offen”, erklärt Hegemann diese Wahl. Baer übernahm diese Aufgabe bis zur Schließung des Clubs in der Leipziger Straße im Jahr 2005. Zwischenzeitlich wurde sie Mutter zweier Kinder.

Regina Baer 2019 in Schweden (Foto: Dimitri Hegemann)

Nach der Schließung des Tresor 2005 arbeitete sie mit Hegemann am Restaurant Schwarzenraben in der Schönhauser Straße. Sie entwickelte ein weiteres Restaurant, das Fritz Fischer im Universal-Gebäude, und parallel dazu den Club 12/34 am selben Ort.

2007 eröffnete der neue Tresor an der Köpenicker Straße, wenig später stieß Baer als Supervisorin zum Team dazu. Ihre Hauptaufgabe lag im Ausbau des Kraftwerks und dessen wirtschaftlicher Nutzung. Als letzte Aufgabe initiierte sie mit Hegemann die Tresor Foundation, um das Kraftwerk als Kulturort in Berlin-Mitte zu schützen und der Spekulation zu entziehen. Ziel der Stiftung ist es, das Gebäude für Musik und Kunst zu sichern und folgenden Generationen eine Bühne für große Projekte zu bieten.

„Regina und ich waren immer wie Katze und Hund, aber ich weiß um ihr enorm großes Herz”, erinnert sich Johnnie Stieler. „Diese unbegrenzte Energie, keiner Diskussion aus dem Weg zu gehen, hat unsere Kommunikation geprägt. Dafür hab’ ich wirklich den allerhöchsten Respekt. Ein wirklich großer Verlust eines feinen Menschen und einer starken Frau.”

„Ihre Werte der Klarheit und Aufrichtigkeit waren essenziell für die Erfolgsgeschichte des Tresor”, sagt Hegemann. „Sie hat keinen Konflikt gescheut, war integer, ehrlich, menschlich, mitfühlend – eine der stärksten Frauen und Menschen, die ich je gekannt habe – und hatte dabei einen so tollen Humor, der ihr fast nie verging.”

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