Mark Broom im Studio in seinem Bungalow im südenglischen Norwich (Sämtliche Fotos: Privat)

In den letzten 30 Jahren erwies sich Mark Broom als einer der zuverlässigsten Technoproduzenten überhaupt. Der Engländer verfolgt bis heute einen euphorischen, hochfunktionalen Clubsound, dessen Erkennungsmerkmal gerade darin liegt, dass keine offensichtliche Handschrift erkennbar ist. In unserem Studiobericht bringt GROOVE-Autor Felix Gigler in Erfahrung, wie es dem Musiker gelungen ist, den vielbeschworenen Tool-Charakter von Clubtracks zu einer unverkennbaren Ästhetik zu verdichten, die eine ganze Karriere trägt.


Als das Zoom-Fenster aufploppt, grinst Mark Broom in die Kamera. Der Mann hat gute Laune. Soeben ist sein viertes Studioalbum 100% Juice erschienen. Außerdem feiert Broom wenige Tage nach unserem Gespräch seinen 51. Geburtstag. So frisch und locker wie er spricht, würde man kaum annehmen, dass er seit über 30 Jahren im Techno-Game mitmischt. Einen Rat hat der Veteran natürlich auch: Er empfiehlt, sich früh mit den technischen Aspekten des Produzierens zu befassen. Grundvoraussetzung dafür seien eine gute Raumakustik sowie geeignete Lautsprecher. „Alles andere ist sinnlos”, sagt der Musiker ohne mit der Wimper zu zucken.

Mark Broom bei der Arbeit

Zwei Boxen, ein flächiger Glastisch und ein Plattenregal füllen den mit Dämmmaterial vollgepflasterten Raum. Das knappe Platzangebot schütze einerseits vor größeren Investitionen, andererseits habe der Raum dadurch eine gewisse Akustik – erst kürzlich hat Broom ein Boxenpaar von Adam zurückgeschickt, weil sie nicht die erwarteten Klangeigenschaften hatten. Kurz darauf standen die 15 Jahre alten KRK Rokit RP5 wieder im Studio, die mit nicht mal 150 Euro pro Stück zu Buche schlagen. 

Ein Track-Arrangement von Mark Broom

„Ich verliere dadurch kein Potenzial, weil ich genau weiß, wie ein Mix im Studio klingen muss, damit er auf Clubanlagen wirkt”, sagt Broom. Ohne weiteres könne man durch jahrelange Erfahrung auch mit Low-Budget-Gear an die Standards heutiger Hörgewohnheiten rankommen. Nach dem Motto „Never change a running system” sieht Broom deshalb keinen Bedarf für ein Upgrade.


Vier bis fünf Tage in der Woche verbringt Broom im Studio und arbeitet an anstehenden Projekten wie Remixen, Edits, Kollaborationen und Eigenproduktionen. 


Brooms musikalischer Werdegang beginnt Ende der Achtziger, als Musikrichtungen wie Acid House und Chicago House die Sets der DJs infiltrierten und Acts wie Aphex Twin, Plaid und The Black Dog die Messlatte für innovativen Sound höher legen. Erste Studioerfahrungen sammelt Broom in London. Ein paar Jahre später drehen sich schon eigene Platten auf den Tellern. Seine frühen Produktionen zeichnen sich durch hypnotische Acid-Basslines, breakiges Drum-Programming und schaurige Synthesizer-Flächen aus. Heute steht dieser Sound im Kontrast zu seinem geradlinigen, hyperfunktionalen No-Fluff-Techno

Broom setzt dafür wie gesagt auf ein reduziertes Setup. Seit 13 Jahren nutzt er als Studio einen kleinen Raum seines Bungalows in der Nähe der Universitätsstadt Norwich. Neueste Synthesizer, Keyboards und Effektgeräte, die sich auf Racks stapeln? Für den Producer aus London eine schöne Sache – aber nicht essenziell. Er setzt auf Restriktion und Beständigkeit. Charakteristika, die sich wie ein roter Faden durch die Laufbahn des Labelchefs von Beard Man ziehen. Sei es für sein gleichnamiges Alter Ego, das IDM-Projekt The Fear Ratio mit James Ruskin oder die Disco-House-Kollaboration mit Riva Starr unter dem Alias Star B: jedes Projekt folgt einer abgesteckten Ästhetik, die Broom bis ins letzte Detail erforscht.

Das sieht Mark Broom, wenn er sich morgens in sein Studio begibt

Studiosessions startet Mark Broom ohne festgelegte Ideen oder bestimmtes Ziel. Für ihn ist es wichtig, spielerisch ans Produzieren zu gehen: „Man muss Spaß an der Sache haben. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Einfach weitermachen!” Nicht umsonst bezeichne er Routine und Disziplin als Schlüsselfaktoren seines Erfolgsrezeptes. Er sehe das Musikmachen als Job – aber als Job, der Spaß macht. Vier bis fünf Tage in der Woche verbringt Broom im Studio und arbeitet an anstehenden Projekten wie Remixen, Edits, Kollaborationen und Eigenproduktionen.

Der Step-Sequencer MDD SnAkE von Max 4 Live gehört zur Software, die in Mark Brooms Studio zum Einsatz kommt

Wenn ein Produktionsansatz nicht fruchtet, wechselt Broom den Kurs, um die kreative Blockade zu durchbrechen. Deshalb empfiehlt er auch, Kollaborationsangebote wahrzunehmen. Schließlich sorgen sie dafür, sich neue Produktionstechniken anzueignen. Außerdem erhalte man Denkanstöße, mit denen sich gefestigte Muster durchbrechen lassen. Für The Fear Ratio verwendet Broom zum Beispiel einen modularen Synthesizer. Das chaotische und teils atonale Klangmaterial bildet oft den Ausgangspunkt ihrer gemeinsamen Produktionen. Sounds, die beide später in ausgeklügelten Effektketten weiterverarbeiten.

Einheitlichkeit und Wucht bei subtiler Distortion

Für sein Soloprojekt verwendet Broom wiederum gerne den Step-Sequencer MDD SnAkE von Max 4 Live. Neben seiner Übersichtlichkeit und Flexibilität schätzt der Producer vor allem den Zufallsgenerator. Tonhöhe, Rhythmus, Dynamik und sogar der Abspiel-Algorithmus lassen sich per Knopfdruck oder Modulation randomisieren, bis das passende Pattern erzeugt wurde.

Bei der Arbeit, die Spaß macht

In manchen Sessions suche Broom auch klassisch nach Sound-Ideen – zum Beispiel an der Novation Bass Station II oder am Hybrid-Sampler Circuit Rhythm. Abermals handelt es sich um erschwingliches Equipment fernab von Hype und Vintage.

Eines der wichtigsten Tools Studio sei die Groovebox Octatrack MK1 von Elektron. Seit sieben Jahren dient sie als Inspirationsquelle für neue Projekte. Broom hat damit ganze Alben produziert und baut das Gerät auch in seine DJ-Sets ein. Sein Instagram-Channel ist nicht ohne Grund voll mit Videos des Geräts. Übrigens: Den Output der Groovebox übersteuert Broom oft ein bisschen, weil so eine gewisse subtile interne Sättigung hörbar werde. Folglich benötigt Broom meist nicht mehr als seine Go-To-Equalizer-Plugins von Solid Stage Logic und Lautstärkeanpassungen am digitalen Mischpult, um einen zufriedenstellenden Mixdown zu kreieren.

Mit dem Saturation Knob kann man Basslines fetter machen, Vocals ein Glänzen verleihen – oder den Drum-Loop komplett demolieren. Und es ist kostenlos – So beschreibt der Hersteller Softube sein Plugin Saturation Knob

Der Broom’sche Punch und Klangcharakter entsteht nicht auf individuellen Spuren, sondern durch Return-Tracks. Durch sie lassen sich beliebig viele Elemente eines Projekts einheitlich und präzise mit Kompressoren oder anderen Effekten bearbeiten. So verändert Broom zum Beispiel den Charakter und das Zusammenspiel von Kickdrum und Bassline durch zwei Sättigungseffekte: den SaturationKnob von Softube und den ReelBus von Tone Boosters. Zum einen handelt es sich um subtile Distortion auf drei Arten, zum anderen um eine Emulation von analogen Bandmaschinen. Die Klangfarben der beiden Elemente werden so im gleichen Wirkungsgrad angepasst, was zur Einheitlichkeit und Wuchtigkeit der beiden Elemente beiträgt.


Selbst hergestellte Drums seien noch formbarer als Samples, findet Mark Broom.  


Für Melodie und Harmonie greift Broom oft zu Surge von Vember Audio. Der kostenfreie Hybrid-Synthesizer bekomme aufgrund des Open-Source-Konzeptes laufend Updates, und die Community stellt massig Presets zur Verfügung. Besonders die Presets von Inigo Kennedy finden in den Produktionen Brooms oft Anwendung.

Der semi-modulare Synth Aalto von Madrona Labs

Für Sounddesign Experimente greife er zum semi-modularen Synth Aalto von Madrona Labs. Design, Klang und Workflow sind an Buchla-Synthesizer angelehnt. Für das derzeitige Projekt synthetisierte Broom mit Aalto eine Snaredrum. Selbst hergestellte Drums seien noch formbarer als Samples, ergänzt der Brite. 

„Honest Broom”, hat Mark Broom dieses Bild betitelt

Das Studio ist überschaulich, die Synthesizer und Plugins zählbar. Die Tour durch Mark Brooms Arbeitsbereich holt Gear-Nerds auf den Boden der Tatsachen zurück. Fokussiere dich auf das, was du hast, statt neuen Instrumenten und Effekten hinterherzulaufen. Auch innerhalb der Projekte sind bewusste Limitierungen die Hilfestellung schlechthin, der Umfang an veröffentlichter Musik von Mark Broom ist ein handfester Beleg. Durchhaltevermögen und der Fokus aufs Wesentliche, kombiniert mit einer spielerischen Haltung, sind Eigenschaften, die Mark Broom seit Beginn seiner Karriere kultiviert. Der Rest ergibt sich irgendwann von selbst.

Equipment in Mark Brooms Studio

Hardware
MacBook Pro mit Ableton 11 
Focusrite Clarett Soundcard
Rokit KRK5 
Novation Circuit Rhythm
Novation Bass Station II
Elektron Octatrack MKI

Software
Vember Audio Surge 
Madrona Labs Aalto
Max for Live MDD Snake 
Output Portal
Solid Stage Logic EQs 

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