µ-Ziq – Goodbye Remixes (Planet Mu)

µ-Ziq – Goodbye Remixes (Planet Mu)

Angeblich hat Mike Paradinas alias µ-Ziq bisher nicht vor, sich als Produzent zur Ruhe zu setzen. Seine EP Goodbye heißt einfach so, wie jetzt die Remixe dazu. Den Titeltrack hat er selbst noch einmal leicht überarbeitet, vor allem der Bass fließt in dieser Version etwas prominenter und zugleich ruhiger unter den Drill’n’Bass-Beats. Die im Original mit bratzigen Sounds ausgestattete „Rave Whistle” wird in den Händen RP Boos zu einem gleich noch einmal komplexer zerschnippelten Ungetüm, unter anderem mit kristallklaren Glockenklängen.
„Giddy All Over“, von µ-Ziq verspielt melodisch gehalten, gerät bei Jlin zu einer dichten Footwork-Nummer, in der vor allem die kaum noch erkennbaren Stimmensamples der Sache etwas energisch Mysteriöses geben. Mehr perkussiven Druck übt auch DJ Manny auf „Goodbye” aus, während Xylitol in seinem Remix desselben Tracks stärker an die Drum’n’Bass-Tradition erinnert. Und womöglich hat er den einen oder anderen Sound der kosmischen Elektronik-Pioniere Cluster hinzugepackt. Tim Caspar Boehme

DJ Heartstring – Met Her At Bäreneck (Lobster Theremin)

MET HER AT BAERENECK

Galoppiert der Puls, schläfst du nicht ein, hör’ bei DJ Heartstring rein. Sorry für den Pausenreim: Seitdem Trance-Getröte nicht mehr dazu führt, dass sich die Leute am Technofloor den Mittelfinger in den Rachen schieben, feiern die Berlin based Buddies (ja, DJ Heartstring sind zwei Dudes) ein großes Fest. Eines, das sie auf Labels wie 1Ø PILLS MATE, Eurodance oder Lobster Theremin austragen. Dort kramt man im Kinderzimmer verzweifelt nach alten Ministry-of-Sound-CDs, um sich in die Neunziger zurückzubeamen und der Kindheit eine Ode an die Drogenfreude zu produzieren.

Sechzehntelbässe plätschern mit Quietscheentchen-Melodien in einen Teich, der sich aus Ecstasytränen speist und durch ein Tal von Tellern führt. Das funktioniert in der Smoothie-Werbung, zum Fünf-Uhr-Tee oder im Club. Selbst dann, wenn das Licht schon wieder an ist und man in einer verrauchten Eckkneipe an der Hasenheide von früher träumt. Wurscht, die Augen rot unterlaufen, haben DJ Heartstring kein Problem mit Pathos oder Kitsch. Der Bumms hat schließlich zu glitzern und glänzen, als hätte man dem Trance der alten Tage eine Unterbodenwäsche mit Aktivschaum gegönnt. Das bringt uns zwar nicht weiter, macht aber Spaß. Hedonismus fickt Nihilismus. Rauschy! Christoph Benkeser

DJ Life – Retina EP (Craigie Knowes)

DJ Life – Retina EP (Craigie Knowes)

Während Trance-Synths in den letzten Jahren ein szeneweites Comeback gefeiert haben, sind die Gräben zwischen Psytrance und puristischem House und Techno nach wie vor gefühlt endlos tief. Der junge Produzent DJ Life überbrückt die Schneise spielerisch mit wirbelnden, sich endlos hinaufschlängelnden Sounds und rhythmisch bouncenden Basslines.

Sein Amalgam aus housigen Grooves und gut gelaunten, trippigen Synthspiralen erinnert hier und da an den unbeschwerten Vibe Skandinaviens, hat dann aber doch eher den Spirit der Trance-Hymne inne, die in den Neunzigern im Norden des UK gefeiert wurden. Kein Wunder also, dass diese vier unkomplizierten und auf den Punkt gebrachten Partytracks auf dem schottischen Label Craigie Knowes ein Zuhause gefunden haben. Leopold Hutter

Kerri Chandler – Lost and Found EP Vol. 1 (Kaoz Theory)

Kerri Chandler – Lost and Found

Die vier Tracks der Lost & Found EP von Kerri Chandler klingen nicht nur sehr traditionell, sondern wurden tatsächlich bereits in den Neunzigern produziert und dürfen nun das Licht der Welt erblicken. Die Nummern haben damals wie heute keine Räder neu erfunden, aber von einem wie Kerri Chandler erwartet man ja auch vor allem eines: Konsistenz. Klassischer Deep-House hat immer Relevanz und ist in Zeiten, in denen die Welt immer schnellere Kreise zu ziehen scheint, einmal mehr ein wichtiger Halt, der etwas Orientierung gibt. Komplexitätsreduzierung durch Besinnung auf all die typischen Chandler-Werte aus warmen Strings, perkussiven Elementen, deepen Chords und nicht zuletzt Vocals von Chandlers very own Großvater. Mehr Traditionsbewusstsein geht nicht. Eine Houseplatte wie eine Folge Friends, im besten Sinne. Stefan Dietze

Sandy B – Lion’s Drums Edits (Biologic)

Sandy B – Lion's Drums Edits (Biologic)

Erst mal eine Dose aufmachen, schön die Kohlensäure zischen lassen, dann sieht man weiter. Die „Student Night” des Produzenten Sandile Bhengu alias Sandy B aus Durban beginnt sehr entspannt und geht ähnlich locker weiter. Da ist der zurückgelehnt euphorische Singsang, der fast spöttisch wirkt und wunderbar zu der erkennbar aus den Neunzigern stammenden, stoisch stampfenden Bassline passt. Überhaupt ist alles, was hier zusammenkommt, uneingeschränkt toll: die an frühen Bleep-Techno erinnernde Piep-Melodie, der zur Unterstützung hinzugezogene 303-Blubbersound, die Perkussion, die den Drumcomputer verstärkt.

Auf die Glückshormone zielt auch „Amojovi”, ein weiterer Edit des französischen Produzenten Harold Boué alias Lion’s Drums, der sich dieser beiden Tracks aus dem Jahr 1994 angenommen hat. Im zweiten Fall klingt der Rhythmus noch mehr nach Kwaito, auch ist der Track deutlicher, aber stilgerecht überarbeitet worden. Beides bestens gealterter Stoff, nüchtern oder anderweitig zu genießen. Tim Caspar Boehme

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