Rookley – Playground (Aimend)

Rookley? Nie gehört. Sollte sich ändern. Mit Playground hat der US-italienische Producer eine Platte auf dem Berliner Label Aimend in der Pipeline, für die man die alten Burial-Scheiben aus dem Fenster schmeißt, um endlich wieder Platz für eine Sause zu machen. Ernsthaft, das Album geistert nicht nur einmal gefährlich nahe an einer Untrue-Nostalgie vorbei. Fast glaubt man, Hyperdub’s Finest hätte alte Festplatten voller Demos entdeckt und den Soundcloud-Fischlein zum Fraß vorgeworfen. Aber alles falsch! Rookley, der eigentlich aus Italien kommt, mit 21 nach New York zog (because: why not?) und mittlerweile in Berlin gelandet ist, bastelt schließlich keine Beats für verregnete Ausfahrten im Nachtbus, bei denen man verträumt in alten Spex-Ausgaben blättert. Er bimmelt vielmehr an der Hymnen-Glocke, bis das allnächtliche Elend der Großstadt in einem Sound untergeht, für den man die Popintellektuelle nie gelesen haben muss, um im Berghain Spaß zu haben.

Außerdem macht es Rookley spannend. Er will anonym bleiben, postet nur Fotos, die so verrauscht sind wie die Crowd in der hellen Kammer um kurz vor sechs. Sein Name bleibt deshalb sein Geheimnis – im Gegensatz zu seinen Einflüssen. Er möge Moderat, Boards of Canada, Four Tet und Paula Temple, von Burial habe er natürlich auch schon gehört. Und mit den Heads von FJAAK würde er gerne mal einen durchziehen. Kein Wunder, der Mann hat sich an allen Ecken was abgeschaut, ohne den gesamten Schaltplan abzukupfern. Trotzdem sind die Referenzen näher dran als Schalke an der Bundesliga. Allein „Warriors” füllt den Körper mit Ecstasy-Vibes im „Archangel”-Modus. Die Welt wird warm, die Farben glühen. Ein Synthesizer öffnet die Schleusen, dann: Broken Beats. Brimborium. Ballast für Menschen, die sich beim Drohnenflug mit Four Tet lieber das linke Ohr absäbeln, als sich eine Sekunde länger die Schönwetterkonserve aus dem Applerechner reinzuziehen.


Leicht paranoid die Augen im Rücken, aber mit genügend Bass-Boost, um in der U-Bahn während des nächsten Breaks alle abzuziehen.


Mit Rookleys Sound kann man seine 350-Euro-Lauscher von Bose füttern, die Kapuze ins Gesicht ziehen und sich ein bisschen so fühlen wie Mr. Robot auf Xanax – leicht paranoid die Augen im Rücken, aber mit genügend Bass-Boost, um in der U-Bahn während des nächsten Breaks alle abzuziehen. Genau zwischen diesen zwei Polen bewegt sich Playground. Es ist melancholisch wie ein 18-jähriges Kid, das zum ersten Mal Pillen ballert und am nächsten Tag mit Post-MDMA-Depressionen beim Familiendinner sitzt. Und so brutal wie ein Strizi im Schanzenviertel, der dir mit einer gestohlenen Mastercard die Mundwinkel aufschlitzt. Allein „Parasite” knattert ganze Straßenzüge nieder. Das ist Grime, der sich in den Technokeller verirrt, aber sofort auf die Streckbank gespannt wird, ehe ein Track wie „Panic” schlaffe Körper mit einer Kick versohlt, für die man kein Safeword ausgemacht hat.


Eine kleine, heile Welt, die Rookley da zusammengeschraubt hat. Eine, in die man sich jederzeit fallen lässt, weil man weiß, dass einem der Scheiß niemals wehtun wird.


Dass „Run” genauso gut auf der neuen Platte von Moderat hätte landen können, ohne dass sich dabei ein Hipster an den Fischerhut gefasst hätte, passt ins Moodboard dieses Albums. Dabei gibt sich Rookley richtig Mühe. Er sampelt sich quer über den Schrottplatz. Es gluckert und knirscht. Metall knallt auf Metall. Im „Dockyard” spielt sich der Hokuspokus zwischen den Beats ab. Und dann: Immer wieder Tränendrüsen-Synths, für die das Blasorchester drei Kurze kippt und Engelsstimmen zum Frühschoppen in Ekstase geraten. Am Ende knistert sogar das Burial-Gedächtnis-Feuer. Eine kleine, heile Welt, die Rookley da zusammengeschraubt hat. Eine, in die man sich jederzeit fallen lässt, weil man weiß, dass einem der Scheiß niemals wehtun wird. Christoph Benkeser

Vorheriger ArtikelLeipzig: Distillery muss vorerst nicht umziehen
Nächster ArtikelStudiotechnik: Gewinnt ein Monitor-Paket von Focal JMlab im Wert von 1600 Euro