Mor Elian/Ella Gotman (Foto: Oltre Booking/Presse)

Die aus Israel stammende Mor Elian jongliert schon seit Langem eine ganze Reihe von Projekten gleichzeitig – sie ist DJ, Produzentin, Partyveranstalterin und Radiomoderatorin. Als sei das nicht schon genug, macht sie seit 2017 zusammen mit Alex Tsiridis alias Rhyw auch noch das Label Fever AM. Sie legt auf, seit sie in den 2000ern von Tel Aviv nach Los Angeles zog, dort organisierte sie die Underground-Party-Reihe Into the Woods. Heute lebt sie in Berlin.

Die zahllosen Projekte, Veröffentlichungen und Gigs zeugen von einer ehrgeizigen Künstlerin. In unserem Gespräch betont sie jedoch, welch wichtige Erkenntnisse sie aus der Pandemie ziehen konnte. In Zukunft will sie nicht in ihr präpandemisches Arbeitspensum zurückfallen. Sie nehme inzwischen lieber lokale Bookings an und versuche, sich in ihrer Freizeit vorwiegend der Komposition neuer Musik zu widmen.

In ihrem A DJ’s DJ spricht Mor Elian über Ella Gotman. In den Anfängen der israelischen Technokultur war Ella Gotman eine der bedeutendsten DJs der Szene. Bis heute aktiv, ist sie vielleicht das israelische Äquivalent zur deutschen Rave-Legende Marusha: eine lebensbejahende Persönlichkeit, die ein breites Spektrum an Sounds spielt. Für Mor Elian, die das Geschehen der Szene als Teenager eifrig mitverfolgte, war Ella Gotman eine nicht wegzudenkende Wegbereiterin.

Wir befinden uns am Ende der Neunziger in Tel Aviv. Clubs wie das Allenby 58 brauchen den Vergleich mit dem Tresor in Berlin oder dem Rex in Paris nicht zu scheuen. Nicht nur in Tel Aviv und in Jerusalem wird heftig gefeiert, sondern auch in der freien Natur: Dort hat sich eine Festivalszene herausgebildet, die oftmals zu Psytrance und Goatrance tanzt. Von Mor Elian wollte unsere Autorin Andrea Würtenberger wissen, welchen Stellenwert Ella Gotman in der Technoszene von Tel Aviv einnahm, wie Mor sie erlebt hat und was ihr persönlicher Bezug zu der israelischen DJ war.


Ich wuchs in einem Umfeld in Tel Aviv auf, für das elektronische Musik lebenswichtig war, und auch mich begeisterte sie von klein auf. Durch meine älteren Schwestern hatte ich sehr früh die Möglichkeit, auf Partys und in Clubs zu gehen. Auch an meiner Schule, die ich als Teenagerin besuchte, war es vollkommen üblich, sich nach dem Unterricht mit einem organisierten Schultransport zu einem der Clubs für Jugendliche fahren zu lassen und seine Freizeit tanzend zu verbringen.

Mor Elian (Foto: CCL)

Jugendliche wie ich konnten in dieser Zeit generell sehr früh an elektronischen Veranstaltungen wie der Gay Parade, der Love Parade von Tel Aviv oder den damals angesagten Autowerkstatt-Raves teilnehmen. Dazu sah ich als Teenagerin schon deutlich erwachsener aus und konnte mich, schon bevor ich 18 wurde, in die großen Clubs der Stadt einschmuggeln. Das war damals zugegebenermaßen einfacher als heute, weil die Personalien weniger kontrolliert wurden.

Ella Gotman war eine beliebte und prominente DJ. Sie bespielte bereits die Bühnen der großen Clubs und Raves. Sie galt als führende Stimme der Szene und war Resident in einem der legendärsten Clubs in Tel Aviv, dem Allenby 58. 

Ella Gotman in den Neunzigern (Foto: Presse)

Ich kann nicht behaupten, dass ich damals dieses eine besondere Erlebnis mit ihr hatte, noch würde ich mich als eine ihrer größten Fans bezeichnen. Ich bewunderte Ella vorwiegend aus der Ferne. Ihren phänomenalen Auftritt auf der Berliner Loveparade im Jahr 2000 habe ich beispielsweise noch deutlich vor Augen. Jeder in Israel war einfach hin und weg, dass Ella, der große israelische Star, auf der Loveparade in Deutschland spielen durfte.


Ella war für mich die erste weibliche DJ, die ich mitbekommen habe, aber da ich noch so jung war, schien das normal und natürlich.


Damals war es noch sehr auffällig, als Frau aufzulegen, aber bei Ella Gotman war es anders. Es hieß nicht: ‚Oh, Ella ist eine Frau.’ Obwohl es damals viel schwieriger war, als weibliche DJ Anerkennung zu erhalten, wurde Ella Gotman in der Umgebung, in der sie verkehrte, respektiert und erhielt viel Zuspruch. Zumindest nahm ich das als junges Mädchen in meiner Außenperspektive so wahr. Ich weiß nicht, wie sie das selbst erlebt hat.

Ella arbeitete in einem Plattenladen und hatte dort die Möglichkeit, aufzusteigen. Sie war Teil einer DJ-Crew, in der sie nicht aufgrund ihres Geschlechts besonders hervorstach. Vielmehr war sie ihren männlichen Kollegen gleichgestellt. Sie arbeitete genauso hart, aber nicht härter als ihre Kollegen. Sie galt einfach als gute DJ.

Ella war für mich die erste weibliche DJ, die ich mitbekommen habe. Aber weil ich noch so jung war, schien das normal und natürlich. Ich kannte sie also von Anfang an, während ich die Technowelt erkundete. Das trug unbewusst bestimmt dazu bei, dass ich das Selbstvertrauen aufbauen konnte, dass ich als Frau genauso gut auflegen kann wie ein Mann.

Ella Gotman heute (Foto: Presse)

Trotzdem glaubte ich lange Zeit nicht, dass das Auflegen ein greifbares Ziel für mich sein könne. Vielleicht hatte ein Teil von mir genau das Gefühl, das man leider oft als Frau bekommt: Sich häufig zu unterschätzen. Rückwirkend ist es für mich umwerfend, dass ich jetzt Teil der Welt bin, die für mich damals unerreichbar schien.

Umso mehr freut es mich, dass Ella Gotman eine private Facebook-Gruppe speziell für die weibliche DJ-Gemeinschaft ins Leben gerufen hat, in der sich Künstlerinnen vernetzen können und sich gegenseitig Auftrittsmöglichkeiten organisieren. Es ist wirklich lobenswert, dass Ella Gotman ihr Ansehen in Israel nutzt und sich für weibliche DJs besonders der jungen Generation engagiert.

Vorheriger ArtikelÖsterreich: Illegaler Rave führt zu 250 Anzeigen
Nächster ArtikelCarsten Klemann: Berliner DJ überraschend verstorben