DJ Heartstring – Eternal Euphoria (1Ø Pills Mate)
Eine Platte, die auf ein Pillen-Label wie der Drops in die Kehle passt. Runterschlucken, zurücklehnen und genießen. Wobei: mit Zurücklehnen ist hier eigentlich nix, schieben die vier Tracks dieser EP (beziehungsweise fünf bei Digital-Kauf) mit aller Macht auf den Dancefloor.
Das beginnt mit dem hyperaktiven Trance-Techno des Eröffnungsstücks „Lost In Emotion”, danach gibt’s kein Zurück. „In der Nacht” ist herrlich stumpfer Hochgeschwindigkeits-Techno mit Zuckerguss, „Bubbly Paradise” ein fein verspielt antreibender Afterhour-Tune und „São Paulo Fever” eine endlos anschwellende, perkussiv akzentuierte House-Hymne mit Break-Anleihen. Der digitale Bonus-Track „Coming Back 2 U” schliesslich überschwemmt mit Bongo-Wellen und Trance-Arpeggien.
Ewige Euphorie fürwahr – und da keiner der Tracks unter 145 BPM daherprescht, auch mit ewiger Energie gesegnet. Tim Lorenz
Disclaimer: Eine Hälfte von DJ Heartstring war in seinem früheren Leben als GROOVE-Praktikant tätig.
FJAAK – Your Time Is Ov3r (Seilscheibenpfeiler)
Die FJAAK-Dudes haben 2021 circa 38,532 Kilo Gras geraucht. Das ist eine einfache Rechnung. Pro Johnny gehen mindestens 2G drauf, rechnet man alle Gigs seit dem Sommer, jede Insta-Story und jedes Facebook-Posting beim Heizen sowie eine geheime Dunkelziffer abseits von Social Media zusammen, kommt man auf 38,53 Kilo medizinisches Qualitätskraut. Seitdem die Ampel auf Grün gesprungen ist, steigt überhaupt eine Rauchwolke nach der anderen aus der FJAAK-WG auf.
Deshalb haben die beiden mit Your Time Is Ov3r übrigens eine alternative Abschiedshymne komponiert, mit der Merkel zwar keinen Zapfen, aber den Seilscheibenpfeiler gestrichen hätte. Scheiß auf Nina Hagen, Techno-Baby, Balla-Balla! Die Bundeswehr hätte ihren Spaß gehabt – endlich mal Arbeit für die Pauke! Im Beckenbodenarsenal klopfen FJAAK schließlich mehr weg als Jura-Studis nach der Prüfungswoche.
Die Breaks schnattern wie bei Shed, der Falke landet auf dem Truppenübungsplatz von Blawan. Wer wissen will, wie sich eine Aufmerksamkeitsstörung anhört, ballert sich die A-Seite rein. Alle anderen sind eh schon gut dabei! Und schnorcheln mit dem Titeltrack ins FJAAKlantis. Christoph Benkeser
Jlin – Embryo (Planet Mu)
Jede*r kennt es. Wenn man nicht glückstrunken auf den Floors des Nachtlebens raved, liegt man in Embryonalstellung in der Waagerechten und erholt sich von der Zeit des Rausches. Oder aktuell: Man wartet deprimiert darauf, dass dieser ganze Wahnsinn endlich ein Ende hat und man die angestaute Energie wieder in Hüfte und Extremitäten leiten kann statt in die Grübelei, ob und was man denn nun bei Gorillas, Flink oder Foodly bestellt.
Stattdessen kann man aber auch zur neuen EP Embryo von Jerrilynn Patton alias Jlin greifen. Diese ist nämlich ein wesentlich zuverlässigerer Lieferdienst. Als sie in rosigeren Zeiten ihre drei Alben veröffentlichte, machte sie damit bereits Schule. Mit „Black Origami” im Jahr 2017 erschien ihr erstes Meisterinnenwerk, wobei sie Clubmusik de- und als eine komplexe, vom Footwork und IDM beeinflusste Form rekonstruierte. Die bereits im Oktober veröffentlichte Single „Embryo” erzeugt mit ihrer rhythmischen Vertracktheit und dem quirky Acid-Sound eine aggressive Partystimmung, wie man es sich zur Zeit nicht anders wünschen könnte.
„Auto Pilot” ist dagegen relativ straighter Acid Techno, „Connect the Dots” jukiger IDM mit frechem Panflöten-Sound. „Rabbit Hole” erfindet das Genre zwar auch nicht erneut neu, doch weiß er wie auch alle anderen Tracks der EP wie gewohnt auf höchstem musikalischem Niveau zu unterhalten. Lutz Vössing
Move D – Inside The Freero Dome (Smallville)
Wo Move D draufsteht, steckt meistens mindestens Gutes drin. Beim Freero Dome des Freerotation-Festivals in Wales, dem diese EP ihren Titel verlangt, strömt das Gute im gleichnamigen Stück aus jeder Hi-Hat, aus jedem einzelnen sanft ansteigenden Basston, aus jedem hingeschlackerten Groove, den die traumverwaschenen Synthesizermelodien wie unabsichtlich beisteuern.
Auch die anderen beiden Stücke „The System Is…” und „Swarm Robot Love” halten die freundliche Euphorie am Fließen. Move D verführt mit stringentem Groove, der völlig unauffällig zusammengefügt ist. Dabei trägt er genau genommen Argumente für das Tanzen vor, die diskret zwingend sind. Körper und Geist werden scheinbar von selbst auf die Bewegung gerichtet, die Musik sagt: „Alles wird gut” – und es stimmt. Tim Caspar Boehme
Pretty Sneaky – Pretty Sneaky (Meakusma)
Obwohl Pretty Sneaky in den vergangenen Jahren eine 12-Inch nach der anderen droppten, weiß kein Schwein, wer eigentlich hinter diesem Projekt steckt – dem Namen wird hier also schon mal über einen beachtlichen Zeitraum alle Ehre erwiesen. Via Mana erschien letztes Jahr das gleichnamige Debütalbum Pretty Sneaky, auf das nun eine weitere 12-Inch gleichen Namens mit vier unbenannten Tracks folgt.
Die klinken sich zwar eher bei fünf als 15 Minuten ein, führen den deliranten Dub voriger Veröffentlichungen aber auf ähnlich hohem Produktionsniveau fort, nur ohne Techno und Field Recordings, also eingängiger. Trotzdem verlangen diese rund 25 Minuten ein paar Durchgänge, um Suchteffekte zu erzeugen.
Tief zurückgelehnte Grooves durchziehen die ganze EP, deren Arrangements stilecht auf subtile Veränderungen setzen – alles klingt verschwommen, etwas lo-fi und ganz sanft positiv. Bemerkenswert dabei auch wieder: Trotz (oder gerade wegen) der bewussten Limitierung auf ein diesiges Sound-Repertoire, das manch eine*r vielleicht schon für ausgelutscht hielt, haben Pretty Sneaky eine völlig eigene Handschrift entwickelt, klingen sublim und frisch zugleich. Würden sie damit einen Liebesbrief an den Sommer schreiben – es wäre sicher ein berauschendes Fest. Nils Schlechtriemen