Revier Südost (Foto: Tjard Asseng)
„Es wäre schön, dort wieder hinzugehen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, das nicht zu tun. Außerdem will ich sehen, was sich verbessert hat. Viele Leute glauben, dass ich eine Hexenjagd betreibe, aber genau das will ich nicht. Schwarze Menschen sind ihr Leben lang gejagt worden, das wäre das Letzte, was ich will. Was ich sehen will, ist eine verbesserte Infrastruktur. Ich stehe nicht drauf, Leuten das Leben zu ruinieren.”
Vor dem Interview mit Nicholas Rose, Diversity-Trainerin Lindi Delight und Sercan, einem Mitarbeiter des Revier Südost, anlässlich der Restrukturierung des Clubs und der Vorfälle, die diese nach sich zogen, hätte man mit einer derartigen Aussage von Rose wohl nur bedingt gerechnet. Zu tief schienen die Gräben, die zwischen Club und dem vor die Tür befördertem Gast aufbrachen und nun von fast schon demonstrativer Einigkeit geschlossen sind.
Doch von vorn: Am 15. August dieses Jahres kam es auf der SYNOID im Revier Südost zu einem Vorfall, der über die üblichen Kreise des Berliner Nachtlebens hinaus Bekanntheit erlangte. Nicholas Rose, amerikanischer Baletttänzer und zu diesem Zeitpunkt frisch aus Kanada nach Berlin gezogen, wurde von Mitarbeitern des Clubs allem Anschein nach rassistisch und homophob behandelt.
Nachdem er vor die Tür gesetzt wurde, nutzte er seinen Instagram-Account, um seine Wut und Verzweiflung zu kanalisieren, ein Hin und Her zwischen beiden Parteien entwickelte sich, in dessen Zuge das Revier Südost situativ für angeblich unaufrichtige Entschuldigungen und schlechtes Krisenmanagement attackiert wurde.
Letztlich schloss der Club nach einem knappen Statement seine Pforten, um sich auf die Aufarbeitung der Ereignisse zu konzentrieren. Vor Kurzem veröffentlichte er eine neuerliche Mitteilung, in der er sich nicht nur für die Vorkommnisse entschuldigt, sondern einsichtig und offen den Prozess dokumentiert, der seit der verhängnisvollen SYNOID angestoßen wurde. Um diesen gemeinsam nachzuvollziehen und zu kontextualisieren, haben sich die drei bereits erwähnten Personen in der GROOVE-Redaktion zum Interview versammelt.
„Ich war derjenige, der zu Nicholas gegangen ist und ihm gesagt hat, dass er seine Maske richtig aufsetzen soll. Dann hatten wir die Diskussion. Dann kam der Türsteher dazu”
Sercan vom RSO
Lindi Delight begleitete die Rehabilitation des Revier Südost als Diversity-Trainerin und Beraterin, wurde von Pioneer empfohlen. Sie stieß erst dazu, als der Vorfall schon passiert war, und zog ihr Programm dann mit knapp 100 Mitarbeiter*innen vom RSO und der übergeordneten Firma ZMF Event GmbH durch.
Sercan hingegen arbeitet seit 2019 für die Griessmuehle und ihren Nachfolgeclub, zuerst in der Artist-Care, dann als Barkeeper. In den letzten beiden Monaten des laufenden Betriebs war er für die Selektion verantwortlich und fungierte außerdem als Mask Ranger. Kernaufgabengebiet dabei: Darauf achten, dass die Corona-Regeln eingehalten werden und jede*r seine bzw. ihre Maske richtig trägt.
„Diese Scheiße passiert in allen Clubs, das ist nichts Einzigartiges. Der Vorfall hat das Revier Südost nur in den Fokus gerückt.”
Lindi Delight
„Ich war derjenige, der zu Nicholas gegangen ist und ihm gesagt hat, dass er seine Maske richtig aufsetzen soll. Dann hatten wir die Diskussion. Dann kam der Türsteher dazu”, erinnert Sercan die Geschehnisse am 15. August 2021. Zwischen Rose und ihm, das wird schon bei der herzlichen Begrüßung klar, scheint es keine Probleme zu geben, zumindest jetzt nicht mehr.
Was nicht heißen soll, dass Rose das Thema nicht noch sichtlich nahegeht. Seine Erinnerungen sehen folgendermaßen aus: „Ursprünglich war es der erste Türsteher, der zu mir kam. Als wir diskutierten, stand ich aber schon auf der anderen Seite der Tür. Mir gegenüber versammelten sich so ziemlich alle Türsteher und schauten mich an. Es war nicht wirklich eine einzelne Person, sondern ein Kollektiv. Und ich sah sie nach dem Motto an: ‚Findet ihr ok, was hier passiert?’ Niemand gab mir eine Antwort. Einer von denen meinte zu mir, dass er zwar verstehe, dass das eine blöde Situation sei, er aber zu seinen Kollegen halten müsse. Diesen Mechanismus gibt es immer wieder.”
Glaubt man Lindi Delight, ist ein solches Verhalten des Personals inzwischen als deutlich unwahrscheinlicher einzustufen. Die Amerikanerin, die neben ihrer Funktion als Diversity-Trainerin auch als Eventmanagerin und als Selbstständige in der Musikindustrie tätig ist, zeigt sich „sehr beeindruckt” von der Partizipationslust der RSO-Mitarbeiter*innen. Die hätten sehr engagiert mitgezogen, wirkten zufrieden und seien definitiv in den Prozess involviert gewesen, Diversity-Training ist schließlich weder eine Einbahnstraße noch ein autoritärer Vorgang: Delight könne nur Anstöße geben, die eigentliche Arbeit leisteten die Teilnehmer*innen selbst.
Dafür war es wichtig, einen Teambuilding-Prozess anzustoßen. Die verschiedenen Abteilungen – Tür, Bar, Runner und so weiter – wurden durcheinandergewürfelt, damit sie sich besser kennenlernen und im besten Falle anfreunden. Aus einer Geschlossenheit und gegenseitigen Kontrolle heraus lassen sich Vorfälle wie der aus dem August besser verhindern.
„Es gab Menschen, die mich Lügner oder Dramaqueen genannt oder beschimpft haben – im Internet und persönlich. Das sind Sachen, die nichts damit zu tun haben, einfach mal zuzuhören und seine eigene Realität kurz zu hinterfragen.”
Nicholas Rose
Nicholas Rose ist mit einigem Abstand allerdings „froh, dass das passiert ist”, weil dadurch größere Probleme in der Szene offengelegt worden seien. Auch der Zeitpunkt sei ein guter gewesen, weil die Clubs bis auf ihre Außenbereiche noch geschlossen waren, die Leute so Zeit zum Nachdenken hatten. „Ich bereue keine Sekunde davon. Jedes Mal, wenn ich ausgehe, werde ich zwar daran erinnert, was das Trauma wieder fühlbar macht, was mich vom Tanzen abhält. Aber auch davor wurde ich als Schwarzer alles Mögliche gefragt. Zum Beispiel, wieso ich überhaupt ausgehe.”
„Partying while black”, ergänzt Delight wissend. Sie und Rose betonen beide, dass es auch in Berliner Clubs keine Seltenheit ist, dass „irgendwer mit Race, Black Lives Matter, dem Selbstempfinden als schwarze Person anfängt”, wenn man doch nur eine gute Zeit haben wolle. Vom Anfassen der Haare ganz zu schweigen.
Die unspezifische Erfahrung von Rassismus erweiterte sich in Roses Fall durch den Vorfall im RSO, nach dem er sich entschieden wehrte und im Netz laut wurde, um persönliche Ablehnung und die Leugnung von irgendwie geartetem Rassismus in der Szene. „Es gab Menschen, die mich Lügner oder Dramaqueen genannt oder beschimpft haben – im Internet und persönlich. Das sind Sachen, die nichts damit zu tun haben, einfach mal zuzuhören und seine eigene Realität kurz zu hinterfragen.”
„Im Club sind keine schwarzen Personen in Führungspositionen. Nirgends hier. In der Clubkultur ist das sehr selten. Das übt einen Einfluss darauf aus, wer spielt, wie kuratiert wird. Hier ist alles ziemlich whitewashed.
Nicholas Rose
Ein Vorgang, den das RSO nun über Monate hinweg durchleben musste, damit aber laut Delight auch die große Chance hat, zukünftig als Vorbild für andere zu fungieren: „Diese Scheiße passiert in allen Clubs, das ist nichts Einzigartiges. Der Vorfall hat das Revier Südost nur in den Fokus gerückt.” Sie habe selbst keine Ahnung, ob es in Berlin sonst überhaupt Clubs gibt, die Diversity-Training machen, und findet es daher umso wichtiger, mit ihrer Arbeit ein gutes Beispiel zu sein.
Die knapp 100 Mitarbeiter*innen aus dem RSO respektive der ZMF Event GmbH wurden in Gruppen à zwölf Personen aufgeteilt, mit denen Delight jeweils zwei Sessions durchführte. Die Themen: White Privilege, ungleiche Behandlung von Personen, Mikroaggressionen, die Konfrontation von Minderheiten mit Rassismus, Antisemitismus, Misogynie, Homophobie und das gemeinsame Lösen von Konflikten.
Auch Nicholas Rose bezog das RSO in die Restrukturierung mit ein. Zwar nicht in dem Ausmaß, wie er es sich gewünscht hätte, immerhin aber erkundigte sich der Club bei ihm nach verbesserungswürdigen Dingen. Eine Sache fiel ihm da gleich ein: „Im Club sind keine schwarzen Personen in Führungspositionen. Nirgends hier. In der Clubkultur ist das sehr selten. Das übt einen Einfluss darauf aus, wer spielt, wie kuratiert wird. Hier ist alles ziemlich whitewashed. Es ist nicht so, als würden schwarze Künstler*innen nicht existieren. Ich bin erst seit Kurzem hier, habe aber das Gefühl, dass es ein starkes Ungleichgewicht gibt.”
Sercan stimmt relativ unumwunden zu: „Wenn ich mir die Berliner Szene so anschaue, hat Nicholas nicht unrecht. Wir sollten versuchen, die tatsächliche Vielfalt der Szene in bestimmten Positionen stärker zu repräsentieren. Und ich habe das Gefühl, dass wir Fortschritte machen. Es geht darum, die Gesellschaft in der Szene widerzuspiegeln.”
Obwohl Rose während unseres Gesprächs vornehmlich versöhnliche Töne anschlägt, stößt ihm die Kontaktaufnahme durch das RSO nach seinem Instagram-Video nach wie vor sauer auf. Ein paar Tage, nachdem er das erste Video online stellte, meldete sich der Club zwar bei ihm, erhielt die öffentliche Kommunikation mit seinem Publikum aber aufrecht. „Ich habe gesehen, wie sie sich auf ihren Kanälen entschuldigt haben, anstatt das bei mir direkt zu tun. Der Fakt, dass andere Leute vor mir Feedback geben konnten, hat mir das Gefühl gegeben, nicht richtig wahrgenommen zu werden. Das hat mich sehr enttäuscht.”
Obendrein wurde er dann noch seines Sprachrohrs beraubt: Rose löschte seinen Instagram-Account entgegen oft getätigter Annahmen keineswegs selbst, um sich rechtlich abzusichern. Die Plattform nahm ihn offline. Wie es dazu kam, kann er nicht nachvollziehen: „Es hieß, ich hätte die Nutzungsbedingungen verletzt. Ich weiß den genauen Wortlaut nicht mehr, aber es hieß sinngemäß, dass meine Posts zu riskant waren. Dabei ging es nur um Rassismus”, schildert er ungläubig lachend.
Eine knappe Stunde nach dem Interview mit Nicholas Rose, Lindi Delight und Sercan laden Michaela Krüger, PR-Beauftragte des Clubs, und Daniel Plasch, Mitglied der Clubcommission, früherer Betreiber des Stattbad und neuer Leiter des RSO-Clubs, zur Besichtigung der Räumlichkeiten. Obwohl das Gelände wenige Wochen vor der offiziellen Eröffnung am 20. November noch nicht vollends betanzbar aussieht, lässt sich das Potenzial der rustikalen Venue erahnen.
Wie mit der S-IMMO, der Eigentümerin des Geländes an der Sonnenallee, wird es dieses Mal aber ganz bestimmt nicht laufen, ist sich Krüger sicher.
„Damals war das Konzept eher auf Paletten ausgerichtet, jetzt gehen wir mehr in Richtung Stahl und Metall. Wie in der Griessmühle versuchen wir den Charakter des Gebäudes aufzugreifen und weiterzuentwickeln”, fasst Krüger das Ambiente treffend zusammen. Die ehemalige Brauerei spielt ihre Rohheit voll aus, das beginnt am schlicht gehaltenen Einlass nahe dem S-Bahnhof Schöneweide, mitten im Gewerbegebiet, gewissermaßen der perspektivischen Standardheimat diverser Berliner Clubs, und setzt sich auf dem kleineren der beiden Floors fort. Die Bezeichnung „House-Floor” vermeidet Plasch zwar, „ein bisschen gemütlicher” soll es hier aber schon zugehen. Dazu tragen denkmalgeschützte Säulen, die den Raum auflockern, bei wie auch die DJ-Booth, die nicht am Ende des Raumes steht, sondern in ihn hineinragt. Keine „Konzertraum-Logik”, sondern der „Tanz um das Feuer” soll künftig beschworen werden.
Das Soundsystem steht auf Paletten, das Design des Clubs wirkt modular. Das hat seinen Grund, wie Plasch erklärt: „Diese Location wird noch für einige Monate und auch Jahre in Bewegung bleiben.” Das wiederum liegt nicht zuletzt daran, dass der Eigentümer der Bärenquell-Brauerei, Ofar Hava mit seiner Firma HCM 365, große Pläne mit gleich mehreren Bauabschnitten hat: Seine Visionen umfassen: Kunst und Kultur, Hostels, Ateliers, Büroräume, Start-Ups, Tonstudios, Galerien und weitere feuchte Träume eifriger Gentrifizierer*innen.
Der oder die DJ spielt vom einen Ende des großen Raums ans andere, wo eine Treppe in den „Begegnungskeller” führt, wie ihn Krüger und Plasch unisono nennen.
Wie mit der S-IMMO, der Eigentümerin des Geländes an der Sonnenallee, wird es dieses Mal aber ganz bestimmt nicht laufen, ist sich Krüger sicher. „Wir haben ein ganz anderes Verhältnis zum Eigentümer. Der war tatsächlich bei einer der letzten Veranstaltungen in der Griessmuehle und hat sich das angeguckt. Was wir sind, wo wir herkommen. Und er war beeindruckt, wie wir und die ganze Community sich für den Club eingesetzt haben.” Möglich sei zwar ein Umzug auf dem Areal, aber auch erst in fünf oder zehn Jahren.
Das Prunkstück des Clubs, der vorerst also bleibt, wo er ist, ist der voluminöse, ausladende Techno-Floor, der vielleicht noch einen Tick größer ausfällt als der Hauptraum der Griessmuehle. „Hier ist die Messe vorgesehen”, begründet Plasch schmunzelnd, wieso im Herzen des Clubs die Konzert-Logik doch angewandt wird: Der oder die DJ spielt vom einen Ende des großen Raums ans andere, wo eine Treppe in den „Begegnungskeller” führt, wie ihn Krüger und Plasch unisono nennen. Das Wort „Darkroom” wird, ähnlich wie „House-Floor” oder „Griessmuehlen”-Versprecher, nicht goutiert. Feststeht aber: Im Keller soll es dunkel sein, die Optionen vielfältig, auf dem Boden befinden sich kleine, podestartige Sitzgelegenheiten, eine Toilette soll eventuell noch dazukommen.
„Wir haben hier ein komplettes Programm für ein breiteres Publikum aufgestellt, um auch das Publikum ringsherum mit einzubinden und uns nicht wie ein gelandetes UFO zu präsentieren.”
Michaela Krüger
Der Mangel an ebendiesen wurde in der Griessmuehle immer wieder bemängelt. Ein Kritikpunkt, der definitiv behoben ist. Zwischen den beiden Indoor-Floors lauert ein regelrechter Wald an Toiletten und Klokabinen, der ähnlich labyrinthisch wirkt wie der Club als Ganzes: „Wir haben hier den Raum, uns als Club komplett zu entfalten und verschiedene Atmosphären abzubilden. Dazu gehören neben den neu gestalteten Tanzflächen auch Rückzugsorte und die notwendige Infrastruktur. Das merkt man dann auch an so einfachen Dingen wie der Wartezeit an Toiletten, Garderobe oder Bars”, meint Plasch. Die Frequentierung der Toiletten würde ohnehin immer wichtiger, merkt er noch an.
Der Begegnungskeller, sofern man denn rausfindet, funktioniert neben der etwa 15 Meter hohen Eingangshalle auch als Wurmloch auf den Open-Air-Floor, den im Sommer bereits diverse Künstler*innen bespielten. Auch hier herrscht industrielles Flair, in Schlag bzw. Beschallungsdistanz befinden sich ein Kohlekraftwerk, ein Baumarkt und der Zoll, was dafür sorgt, „dass man eine Lautstärke fahren kann, die über Nacht angenehm ist”, so Plasch. Erste Lärmbeschwerden in den Sommermonaten gab es bereits, woraufhin der komplette Floor gedreht und mit Absorbern ausgestattet wurde. „Wir sprechen mit den Nachbar*innen und haben nach verschiedenen Rückmeldungen im Sommer das Soundsystem der Außenfläche ein zweites Mal eingepegelt”, meint Krüger. Seitdem sei es aber ruhig geblieben.
Viele Leute sind der Griessmuehle ins Exil gefolgt, ein beträchtlicher Teil rekrutiere sich aber auch aus der unmittelbaren Umgebung. Irgendwie verständlich, wo es doch zu Shoppingcentern und großen Ketten in S-Bahnhof-Nähe kein nennenswertes Gegengewicht zu geben scheint.
Karlshorst, Schöneweide, der Südosten Berlins: Das sind auf den ersten Blick nicht zwingend clubkulturelle Wegmarker, sondern abgeschnittene Randbezirke, in denen höchstens illegale Open Airs stattfinden. Das RSO tritt an, um das nachhaltig zu ändern – gemeinsam mit der hiesigen Bevölkerung. „Wir haben hier ein komplettes Programm für ein breiteres Publikum aufgestellt, um auch das Publikum ringsherum, die Schöneweider*innen, mit einzubinden und uns nicht wie ein gelandetes UFO zu präsentieren.” Vermeintlich elitäres Feier-Kulturgut aus dem inneren Ring soll für alle geöffnet werden. Erste vermittelnde Anlaufstationen zwischen Exzess und Schöneweider Bodenständigkeit existieren bereits: Ein samstäglicher Wochenmarkt mit Live-Musik und ein Biergarten.
Wo im Club selbst, der so ziemlich das Gegenteil eines Panoptikums darstellt, Stein und Stahl dominieren, ist der Ansatz hier ein anderer: Recycling, Upcycling und ein holziges Mobiliar geben den Takt vor. Feiern und Gemütlichkeit tummeln sich auf einem Areal nebeneinander, das locker groß genug ist, um beide zu beherbergen. Die freizeitlichen Gestaltungsmöglichkeiten gehen aber schon bald über den passiven Konsum hinaus: Eine Skatehalle soll kommen, ebenso wie Lost-Places- und Urban-Arts-Führungen und Betätigungsflächen für Sprayer*innen.
Bislang werde besonders der Biergarten gut angenommen, meint Krüger. Doch auch das Club-Publikum, das zeigen die Erfahrungen aus dem Sommer, setzt sich neu zusammen. Viele Leute sind der Griessmuehle ins Exil gefolgt, ein beträchtlicher Teil rekrutiere sich aber auch aus der unmittelbaren Umgebung. Irgendwie verständlich, wo es doch zu Shoppingcentern und großen Ketten in S-Bahnhof-Nähe kein nennenswertes Gegengewicht zu geben scheint. Die Veranstaltungen im Sommer seien ziemlich schnell ausverkauft gewesen, weswegen sich Krüger keine Sorgen macht, den Club auch etwas weiter ab vom Schuss vollzubekommen.
In den Büroräumen, die noch etwas provisorisch aussehen, aber wärmen, sprechen wir über das Interview früher am Tag. Krüger zeigt sich interessiert und betont mehrfach, dass der ganze Vorfall das RSO „wahnsinnig getroffen” habe. Zudem habe man aufmerksam registriert, „dass es neben der Geschichte um Nicholas Rose noch weitere Beschwerden gab.” Das führte zu tiefgreifenden strukturellen Veränderungen, die auch mithilfe der Clubcommission angestoßen wurden. Zur Erinnerung: Auch Daniel Plasch kam, „weil die CC ein paar Anlaufstellen zur Verfügung gestellt hat.”
Das RSO hat aber auch eigenständig Maßnahmen getroffen: Ein internes Awareness-Team wurde gegründet, für alle neuen Mitarbeiter*innen soll es künftig Onboardings geben, aktuelle Mitarbeiter*innen werden weiter geschult. Die gravierendste Neuerung bemerken Gäste aber schon vor dem Club: Smiley Baldwin und sein Team haben die Leitung der Tür übernommen. „Das macht jetzt Smiley”, so Krüger, „er und sein Team passen super zu den Werten, die wir vertreten.”
Das war nicht immer so. Schon zu Griessmuehlen-Zeiten war die Tür des Clubs berlinweit für einen rauen Umgangston und befremdliches Verhalten bekannt, damals beschäftigte man ein externes Team. Teile dieses Teams wanderten mit ins RSO, nun folgte der Kahlschlag, Die Tür ist jetzt komplett extern verwaltet. Alte Mitarbeiter*innen, wie etwa Sercan, selektieren allerdings noch.
Auch auf der Führungsebene hat sich was getan: David Ciura, Gründer und ehemaliger Chef des Clubs, hat sich zurückgezogen und die Leitung an Daniel Plasch übergeben. „Er hat die Griessmuehle gestartet und auch den Aufbau des Reviers verantwortet. Aber wir sind als Team gewachsen, und auch das Projekt wurde größer als der Club. Deswegen hat er entschieden, die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen, um sich anderen Projekten im RSO-Universum widmen zu können, die bisher zu kurz gekommen sind oder nur als Idee existieren”, kommentiert Krüger die Entscheidung.
Die vielbeschworene Aufbruchsstimmung, sie lebt durchaus im Revier Südost. Einem Club, der infrastrukturell die Voraussetzungen hat, die Fußstapfen der Griessmuehle auszufüllen. Bei aller Euphorie, die die dreifloorige Exzessmaschine aber versprüht, bleibt eine Ungewissheit, die durch versöhnliche Interviews und jede noch so gut gemeinte Maßnahme nicht zu bändigen ist.
Zwar ist es löblich, dass alle Mitarbeiter*innen „mitgezogen haben” und das kürzlich veröffentlichte Statement von allen kommt, die für den Club stehen, wie Krüger betont: „Die Botschaft ist gemeinsam entstanden. Jede einzelne Mitarbeiterin und jeder einzelne Mitarbeiter hat unser Statement gesehen, und es wird von allen getragen.” Erst im laufenden Betrieb wird sich aber zeigen, ob und wie die drei Monate der Restrukturierung gefruchtet haben. Diversity Training beseitigt strukturellen Rassismus und Machtverhältnisse schließlich nicht von heute auf morgen, kann aber immerhin dazu beitragen, dass im Club gewisse Standards eingehalten werden.