Fotos: Presse (Kandy K)
„Auf die Residents kann man sich verlassen, persönlich und inhaltlich. Sie kennen den Club, die Gäste, die Anlage, und sie sind ein Grundpfeiler der musikalischen Identität eines Clubs, also ebenso wichtig wie die Architektur, der Raumklang oder die Gestaltung“, sagte einst Nick Höppner in der Groove. Mit unserem monatlichen Resident Podcast wollen wir ihnen den gebührenden Respekt zukommen lassen.
In eigentlich jeder Clubnacht ist die Toilette ein zentraler Ort und Umschlagpunkt, selten jedoch finden die Kabinencrews auf Dauer zueinander. Anders im Falle von DURCH, einem mittlerweile zwischen Berlin und Tel Aviv operierendem queeren Kollektiv, das seinen Anfang im Berlin SchwuZ fand. DURCH steht für einen harten, aber farbenfrohen Sound, der die Euphorie und den Hedonismus des Neunziger-Sounds in die Gegenwart überträgt, mit sozialpolitischem Anspruch vereint und das mittlerweile auch über ein hauseigenes Label mit eigenen Produktionen vorantreibt.
Kandy K gehört zum Kernteam des internationalen Kollektivs, dessen Existenz weitgehend von der Pandemie und den damit einhergehenden Clubschließungen und Kontaktbeschränkungen überschattet wurde. Wie allerdings sein Mix für den Resident Podcast beweist, lässt sich das Prinzip von DURCH allemal auch nach Hause holen: Aufgekratzt und gut gelaunt, um große Gesten nicht verlegen und extrem liebevoll zusammengestellt. Serious fun, wie im DURCH im Gesamten. Am Sonntag veranstaltet das Kollektiv gemeinsam mit Sachsentrance einen Rave im Berliner Fiese und Zornig.
Wann und wie kam es zur Gründung von DURCH – welche Motivation stand dahinter?
Das Konzept der Party ist Anfang 2017 entstanden. Bei einer Türschicht im SchwuZ, so wie mir Nico* mal erzählte. Die Idee war ein „Revival” der harten musikalischen Musik mit Rückbesinnung auf die illegalen Raves der 90er Jahre. Dabei sollte ein begrenzter Tanzraum entstehen und die Musik dahin gebracht werden, wo die Party stattfindet: auf die Toiletten. Die erste Party fand im SchwuZ statt: auf den Toiletten und drumherum.
Angetrieben werdet ihr von einem “strong belief that raves are a much needed place for people to come together, celebrate their diversity and learn to respect each other.” Was bedeutet das konkret – wie versucht ihr bei euren Veranstaltungen einen sicheren Austausch zu ermöglichen?
In der queeren Szene sind Partys mehr als nur eine Ablenkung. Partys sind ein wichtiger Ort des Zusammenkommens und für viele queere Menschen sind Techno-Partys die einzigen Orte, an denen man sich ohne Angst ausdrücken kann. Leider ist das am Ende des Tages in Berlin oft dann doch nicht so. Wir versuchen deshalb erstens immer Inklusivität nach außen zu kommunizieren, sodass sich jeder von Anfang an willkommen fühlt. Gleichzeitig versuchen wir immer noch ein bisschen mehr als Party zu machen, um die Leute, die sich auf Techno Partys sehen, vielleicht auch mal in anderen Kontexten zusammen zu bringen. In Tel Aviv haben wir zum Beispiel einen Bondage-Workshop veranstaltet, in Berlin möchten wir jetzt eine kleine DIY-Fashion-Show in unser Techno-Event einbauen, bei der Menschen ihre eigenen Kreationen oder einfach ihr Lieblings-Rave-Outfit auf dem Laufsteg präsentieren können. Ich glaube, dass die Techno-Szene von gegenseitigem Respekt lebt, der ist aber leider nicht selbstverständlich.
Nachdem die Partys zuerst im Berliner SchwuZ, Untertage und schließlich Zur Klappe veranstaltet wurden, seid ihr seit Ende 2019 auch in Tel Aviv aktiv. Wie koordiniert ihr eure Arbeit und wie greifen die Events in der einen und der anderen Stadt ineinander?
Ich habe lange in Tel Aviv gelebt und auch Nico* hat persönlich eine enge Beziehung zu der Stadt. Wir haben uns irgendwann in Tel Aviv getroffen und hatten Bock dort in der Szene etwas zu machen. Zwischenzeitlich hat Nico* in Berlin gelebt und ich in Tel Aviv, so war die Koordination einfach. Hier haben wir dann einen künstlerischen Austausch versucht und Berliner DJs nach Tel Aviv und Tel Aviver DJs nach Berlin gebracht. Seit 2020 bin ich allerdings auch wieder in Berlin und die Pandemie hat einige Reisen verhindert, was es schwieriger macht, in zwei Städten gleichzeitig aktiv zu sein. Wir versuchen allerdings immer noch den Austausch zum Beispiel hat Noko, eine junge Künstlerin aus Tel Aviv, einen Track zu unserer zweiten Solidarity-Compilation dazu gesteuert. Und wir hoffen natürlich, dass sich die Situation mittelfristig verbessert und dann wieder mehr Austausch möglich ist.
In musikalischer Hinsicht bezieht ihr euch auf “the tradition of original raves, was in einer Mischung aus Hardcore, Ghetto House, Acid Techno und anderen Spielarten hörbar wird. Was reizt euch an diesem Rückbezug auf den Sound der neunziger Jahre?
Zum einen ist das einfach persönliche Präferenz, ich mag roughe Sounds, die irgendwie auch emotional sind, die heute vielleicht auch ein bisschen ironisch verstanden werden. Ich hab vielleicht eine Vorstellung von Techno, die heute ein bisschen belächelt wird, so ein Auf-der-Tanzfläche-in-Trance-sich-vereint-Fühlen. Ich habe die Neunziger nicht selber als Raver miterlebt, aber allein vor ein paar Jahre hatte ich das Gefühl, dass in Berlin noch anders gefeiert wurde. Vielleicht ist das auch eine Verklärung meiner persönlichen Erfahrungen, aber mir fehlt diese Selbstvergessenheit, dieses Sich-selbst-nicht-so-wichtig-Nehmen-und-einfach-Tanzen bei Techno-Veranstaltungen heute manchmal.
Ende letzten Jahres habt ihr ein Label gegründet, die ersten beiden größeren Veröffentlichungen waren zwei Charity-Compilations. Welches Konzept verfolgt ihr mit dem Label?
Mit dem Label haben wir größtenteils angefangen, weil wir jungen queeren Artists eine Plattform in der elektronischen Musik geben wollten und auch einfach Bock auf gute Musik hatten. Zusätzlich wollen wir auch all unsere Gewinne an queere Einrichtungen spenden und so etwas an die Community zurückgeben. Gleichzeitig können wir so auch auf Organisationen und Einrichtungen aufmerksam machen, die sich in ihrer Arbeit politisch und/oder gesellschaftlich für queere Menschen einsetzten und so deren Sichtbarkeit erhöhen.
Du selbst hast über das Label einen Remix von Ke$has “Cannibal” veröffentlicht, bist sonst aber vor allem als DJ aktiv. Wie hat sich deine Mitgliedschaft bei DURCH auf dein Auflegen ausgewirkt?
Ich glaube, durch DURCH habe ich das Auflegen ein bisschen ernster genommen. Ich habe viel Oldschool-Techno und -Trance gespielt und habe mittlerweile auch durch DURCH mehr junge Techno-Artists kennengelernt.
Welche Anforderungen bringt der Job des Residents für dich im Vergleich zu anderen Gigs mit sich?
Ich habe Ende 2019 angefangen aufzulegen, deshalb habe ich noch gar nicht so viel Erfahrung mit anderen Gigs gemacht. Ganz allgemein ist ein Gig für DURCH aber natürlich viel aufregender, weil ich neben dem Auflegen auch noch mit für den Rest der Veranstaltung verantwortlich bin. Dafür ist es dann auch um einiges schöner!
Gibt es eine besonders denkwürdige Nacht aus deiner Geschichte mit DURCH?
Den ersten Rave den wir in Tel Aviv organisiert haben! Wir haben ein leerstehendes Restaurant gefunden, Boxen gemietet, tagelang aufgeräumt und dekoriert. Das war am Ende so eine Nacht, in der alles zusammenpasst, die Leute, die Musik, die Location. Seitdem versuche ich glaube ich immer wieder diese Nacht zu wiederholen bei DURCH-Events.
Was war die Idee hinter deinem Mix für unseren Groove Resident Podcast?
Um ehrlich zu sein gibt es keine große konzeptuelle Idee dahinter. In Berlin wird gefühlt gerade überall House gespielt und ich habe in letzter Zeit wieder Lust auf harten Techno, also habe ich versucht harten, schranzigen Techno mit ein bisschen Hardstyle im ersten Teil des Mix zu mischen.
Last but not least: Was sind deine und eure Pläne für die Zukunft?
Wir hoffen natürlich, dass wir irgendwann wieder mehr Dinge live machen können. Im Moment arbeiten wir noch an unserem ersten Vinyl Release und einem Release zusammen mit unseren Freunden von Sachsentrance. Ich persönlich hoffe, dass wir mit DURCH auch irgendwann mal richtig auf Tour gehen können.
Stream: Kandy K – Groove Resident Podcast 21
01. Auto Kinetic – Backstep (Original Mix)
02. Mark Verbos – Chicago Dirt (Deep)
03. Blokka – Midsummer’s Dream
04. Manuel T, DJ Mill – Little Green Man (LGM Mix)
05. Daniele Mondello – Commander (Mondello 1st Mix)
06. Upflifters – My Mind
07. Black Art – Freak Out
08. Alex Calver – Drop Zone
09. Jan Fleck – Restrealität
10. Viper XXL – Innocent Saball
11. FL-X – Pursuit of Life
12. Please Martine – Sacristy
13. DJ Loser – Adrenalina Demonica