Baltra – Ambition (Local Action)
Michael Baltra liefert mit Ambition eine vielschichtige EP von bemerkenswerter Dichte und Intensität. Mit seiner tiefen und sonoren Stimme legt er Mantra-gleiche Texte über die vollen Beats und lässt mit fünf rund dreieinhalb Minuten langen Tracks keinen Platz für Verschnaufpausen. „Make it B.I.G.” schraubt sich mit seinen luftigen Autotune-Vibes sofort in die Gehörgänge. „Work (It) Out” treibt energisch, klingt dabei aber warm und organisch und pumpt so gnadenlos, dass beim Bankdrücken locker noch ein paar extra Sets drin sind.
„Baby” ist Eurodance auf Valium und hat mit seinen eingängigen Lyrics definitiv das Zeug zum Sommerhit. Darauf folgt mit „Like a Butterfly” die ruhigste Nummer, auf der sich tiefsinnige Helium-Vocals mit Muhammad-Ali-Referenz über einen Boom-Bap-Beat legen. „Will you be?” lässt das Werk schließlich in gefühlvollen Pads ausklingen. Baltras warme Klänge umhüllen wie die Luft einer lauen Sommernacht, während die Texte noch lange im Kopf nachhallen. Philipp Gschwendtner
Emissive – Wave Science (Pacific Rhythm)
„Less thinking, more feeling.” Dieser Leitsatz begleitet Evan Vincents alias Emissives neueste EP. Vincents Gefühl trieb ihn mit Wave Science in eine warme, melodische Richtung, mit der er gleichzeitig die afroamerikanischen Wurzeln elektronischer Musik erkunden wollte. Mit Intuition und Geschichtsbewusstsein im Gepäck präsentiert der Kanadier vier Tracks, die ein behaglicher Boogie verbindet, sich jedoch in unterschiedliche Richtungen verschlagen. Während die himmlisch-schwebende Aura der engelsgleichen Synth-Akkorde bei „Love Perception” von einer zirpenden Acid-Melodie durchschnitten wird, baut sich „Star Mappers” Kartenhaus-ähnlich immer dichter auf, angefangen bei einer schwummernden Bassline, die zunehmend mit galaktisch blubbernden und zwitschernden Synths aufgestockt wird. Die Tracks gehen so leichtfüßig glatt wie groovend in die Ohren hinein, dass sich Vincent von seinem Gefühl in definitiv richtige Gefilde hat leiten lassen. Louisa Neitz
Innere Tueren – Welten (KANN)
Nach dem gleichnamigen Solo-Debüt von Innere Tueren gibt es nun ein Follow-Up-Mini-Album von Ergin Erteber, der auch als Things From The Basement firmiert und mit Welten genau den sphärischen Ambient-Sound weiterentwickelt, der schon auf dem Vorgänger hervorragend funktioniert hat. Erschienen bei den Leipzigern von KANN, schwingen sich die großen Gefühle hier in einen Sound, der eben immer auch etwas mehr als Ambient ist, was Songs wie das epische „I Will Never Leave You Again, For The Rest Of My Life” wunderbar untermauern. Zwischen Vocals, wabernd-wohliger Synth-Wärme und balearischer Gitarre spielen sich hier auf engstem Raum Themen für mindestens drei großartige Songs gegenseitig an die Wand und bleiben doch ein stimmiges Stück Ambient-Gefühligkeit, in das man sich reinlegen möchte, um nie wieder herauskommen zu müssen. Es gibt wenige Ambient-Alben, auf denen soviel passiert wie auf Welten, und die zugleich trotzdem über die ganze Länge eine tiefe und emotionale Intensität aufbauen. Stefan Dietze
Sedef Adasi – Fantasy Zone (Public Possession)
„Gel Gidelim” geht stimmlich getuned im Plug-In-Acid-Stil in Richtung Club-Ausgang und stolpert im Neunziger-Jahre-BR-Spacenight-Ambient-Fade geradewegs ins Tageslicht. Die balearischen Synth-Flächen, die in den letzten fünf Jahren leicht inflationär als so dreamy wiederentdeckt wurden, pannen fleißig, aber etwas zu offensichtlich zwischen dem linken und rechten Kanal hin her. „Mermaids On Acid” erinnert an Detroiter-UK-Electro-Acid mit Synth-Bass-Anleihen der britischen Mitt-80er-Eurodisco. Vielleicht erträumt sich diese Meerjungfrau vor ihren Digital-Audio-Workstation-Automations-Einstellungen einen x-beliebigen Beach-Floor-Nachmittag im südlichen Europa. „Turbo Ride” will auf der Tanzfläche weiter nach vorne und bleibt dabei aber irgendwie in den Lautsprechern hängen. „Input ist gleich Output” war vor der digitalen Wende ein klassischer Tontechniker*innen-Satz. Es ist vielleicht gut so, dass diese Zeit vorbei zu sein scheint. Die Melodien sind wunderschön. Hört man bei „Anonymous Force” tatsächlich eine leicht verhallte Mac-Frauenstimme die Kunst, Kreativität und Gesellschaftsstiftung abfeiert? Jedenfalls hat Public Possession mit Sedef Adasis Debüt erneut eine witzige 12-Inch veröffentlicht. Mirko Hecktor
The Exaltics feat. Paris The Black Fu – Dis turb ance int he tim eline (Clone West Coast Series)
Sich von einem Track mit dem Titel „tim elined is turbance” direkt angesprochen zu fühlen, ist bei Vorliegen bestimmter persönlicher Voraussetzungen eigentlich nicht abwegig. Auch wenn es sich in Wirklichkeit höchst selbstbezüglich um eine typographische Veranschaulichung der Aussage ebendieses Titels handelt. Die komplette EP Dis turb ance int he tim eline von Robert Witschakowski alias The Exaltics widmet sich sogar dieser Störung der Zeitachse bzw. Zeitleiste. Wie für The Exaltics üblich, geschieht dies im Vokabular von Detroiter Electro, mit Beats, bei denen einzelne Teile oft drohen, aus den Fugen zu geraten, käme da nicht spätestens im Remix der alles zusammenhaltende erhöhte Puls der Bassdrum zu Hilfe. Zusammen mit Mack Goudy alias Paris The Black Fu von den Detroit Grand Pubahs, der dem Vorhaben seine Stimme leiht, bieten The Exaltics traditionsbewusste, aber effektive Verstörung. Tim Caspar Boehme