Jeden Tag werden DJ-Mixe ins Netz geladen. Manche sind besser, manche sind schlechter und nur wenige werden uns jahrelang begleiten. Jeden Monat sucht die GROOVE-Redaktion die fünf besten Mixe des vorangegangenen Monats aus, präsentiert in alphabetischer Reihenfolge. Diesen Monat mit Alma Negra, Azu Tiwaline, Inga Mauer, Paramida und Yaeji. Und wer danach noch nicht genug hat, schaut einfach mal beim GROOVE-Podcast vorbei.
Alma Negra – Podcast #34 (Heist Recordings)
Ein Spätsommer, wie er im Buche steht. Als passende Untermalung haben sich Dersu und Diego hinter ihren Mixer gestellt und alle Zutaten vereint, die ein nahrhaftes House-Set ausmachen. Man nehme eine große Portion strahlender Chords aus Shakas „A Sign Of Revolution”, vermengt mit einer Hand voll funky Basslines. Das Ganze mit einer Mischung aus Prince-Disco-Funk-Band und Rhythmen aus Palms Trax’ „La Musique Edit” verfeinert, und voilà: fertig ist Alma Negra. Das Projekt der Zwillinge hat sich mit diesem House-Mise-en-place in den letzten Jahren europaweit einen Namen gemacht und erst kürzlich auf Detroit Swindles Label Heist Recordings ihre neueste EP Dakar Disko veröffentlicht. Philipp Thull
Azu Tiwaline – Dekmantel Podcast 296 (Dekmantel)
Erst im März und Mai diesen Jahres konnte Azu Tiwaline mit ihrem zweiteiligen Debüt Draw Me A Silence I und II bestechen. Im Juli legte die tunesische Produzentin noch eine EP, Magnetic Service, oben drauf. Als letztes Sahnehäubchen eines doch erlebnisreichen Sommers präsentiert Tiwaline ihren Dekmantel Podcast. Alle ihre Releases verbindet ein polyrhythmisches Kaleidoskop aus Minimalismus, Wiederholung und ihrer Heimat in der Sahara. Nachdem sie ihre Jugend in Frankreich verbrachte, zog es Tiwaline wieder nach Tunesien zurück. Seit 2017 lebt sie im Haus ihrer Mutter in der Region el-Djerid im Süden Tunesiens. Tiwalines Kaleidoskop deckt bei jedem Dreh eine neue Seite der Wüste auf – ihre Kälte bei Nacht, die sengende Mittagssonne und das wenige Leben, das sich in der kargen Landschaft durchschlägt. Besonders aber hört man ihre leeren Flächen. Ihr Mix verbindet dubbige Basslines mit erdigen Percussions, Field Recordings und Synth Drones. Unheimlich rhythmisch, aber genauso elegant und betörend ist Tiwalines Mix perfekt, um die Augen zu schließen, das Gesicht gen Himmel zu recken und die letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres aufzusaugen. Louisa Neitz
Inga Mauer – Бум Бум Микс (Oddysee)
Vor circa einem halben Jahr startete Oddysee ein multidisziplinäres Projekt in Amsterdam. Neben einer eigenen Radioshow und einer Partyreihe gehört auch die Podcast-Serie zum Kern des kuratierten Programms. Für die 13. Ausgabe liefert die russische DJ und Produzentin Inga Mauer ihren „Boom Boom Mix”. In einer knappen Stunde weiß sie allerdings durch mehr zu überzeugen als stumpfes Geballere, wie der Titel suggerieren könnte. Hypnotisierende Loops, atmosphärische Soundflächen und Arpeggios, die einen Zustand zwischen Trance und Ekstase provozieren, sind die Hauptzutaten dieses Sets. Natürlich darf auch eine Prise Acid nicht fehlen, in der zweiten Hälfte des Mixes streut Mauer gezielt die quietschenden Sounds der TB-303 ein. Zum Ende schaltet sie einen Gang runter und lässt stimmungsvolle Ambient-Stücke die Reise beenden. Während sich der Sommer dem Ende zuneigt, präsentiert dieser Mix die perfekte Untermalung für die wohl letzten warmen Nächte des Jahres. Jonas Hellberg
Paramida – 13. September 2020 (RinseFM)
Paramida präsentiert auch in ihrem neuesten Set wieder zwei Stunden voller Freude an der Musik. Jeden Monat erscheint ihre Radioshow auf RinseFM, in der die Panorama-Bar-Resident-DJ ihre neuesten Musikraritäten ausstellt. Seit 2010 in Berlin, prägt sie seither die Clubszene mit ihrem sinnlichen und vielseitigen Zugang zur Musik. Immer auf der Suche nach obskuren Juwelen der Tanzmusik, durchkämmt sie die Veröffentlichungen der letzten 40 Jahre und spielt Sets, die sich durch ihren Eklektizismus jeder Genreeinordnung entziehen. Von Proto-House bis Trance über Italo bis Breakbeat legt die Labelchefin von Love On The Rocks auf, was sie begeistert. Dabei spielt sie aus der Sicht einer in die Euphorie der Nacht verliebten Tänzerin, die sich der Musik nicht referenziell oder theoretisch, sondern durch ihren mit Freude und Adrenalin durchströmten Körper nähert. So entstehen Sets, die sich stilsicher über Dogmen hinwegsetzen und neue Ansätze mit alter Musik schaffen. Provokant und überraschend, aber immer hörenswert. Johann Florin
Yaeji – Yaeji in Place (Boiler Room)
Wer immer noch glaubt, bei Streaming-Konzerten aus dem eigenen Wohnzimmer könne man nicht performen, der sollte sich dringend den Boiler Room von Yaeji reinziehen! Hier wird auf der Sofalehne gevogued, live kollaboriert und in ferne Welten gereist. Das Beste daran: Die südkoreanische Produzentin und DJ kann in einer Decke eingekuschelt auf der Couch entspannen, während sie ihre Hörer*innen mit in ihr knallbuntes Yaejiverse nimmt. Das Visuelle ist für die studierte Grafikdesignerin schon immer untrennbar mit ihrer Musik verbunden und so reizt sie die virtuellen Projektionsmöglichkeiten voll aus: Yaeji lässt aus ihren Musikvideos bekannte Animefiguren auftreten, Tänzer*innen erscheinen, facetimed mit Featuregästen und beamt sich mal eben selbst in eine pixelige Gamingwelt. Musikalisch verknüpft sie dabei die verspielten Vocal-House-Tracks ihres kürzlich erschienen Mixtapes What We Drew 우리가 그려왔던 mit den funky Hip-Hop-Grooves von Wajeeds „My Father’s Rhythm”, wagt mit „Fill This Night” Ausflüge in südkoreanischen Discopop von Clazziquai, um schließlich bei Dua Lipa zu landen, für deren Remix-Album Club Future Nostalgia sie einen Remix von „Don’t Start Now” beigesteuert hat. Zum Fade-Out mit nooon.s „so.called” legt sich Yaeji schließlich wieder hin, zieht sich die Decke über den Kopf und schiebt dabei lässig die Regler mit dem Fuß runter. Geht so DJing 2020? Yaeji versucht jedenfalls, das Beste daraus zu machen. Laura Aha