Eris Drew – Fluids of Emotions (Interdimensional Transmissions)
Fluids of Emotions ist eine typische Debüt-Veröffentlichung; voller Übermut und Esprit, und mit Ideen, die sich viele etablierte Künstler*innen eher nicht trauen: Angefangen beim Stilmix zwischen trancigem Tech-House und britisch angehauchtem Breakbeat (der wiederum fast schon ein Synonym für Fusion ist), aber auch was die Auswahl der Samples anbetrifft, die alte Hasen vermutlich zu platt und zu gewollt fänden. Tja, oft fehlt dem Establishment eben leider der Mut, sich einfach von Lebensfreude leiten zu lassen und undogmatisch zu agieren. Eris Drews Debüt verströmt genau das, und es verwundert nicht, dass der dritte ravig-balearische Track „So Much LoveTo Give” heißt. Aber keine Angst, Drew, die übrigens zusammen mit Octo Octa das Label T4T LUV NRG betreibt, trägt nie zu dick auf, fährt das Emo-Level immer im richtigen Moment wieder herunter und lässt dann statt berauschender String-Kadenzen oder hypnotischer Arpeggios einfach mal einen Drumloop mit einem Flanger-Effekt unverändert über sechzehn Takte laufen. Nonchalant beweist sie damit obendrein ihre Clubkompetenz. Mathias Schaffhäuser
Happa – Blue 07 (Whities)
Übrigens ist die einstige Teenage-Sensation Samir Alikhanizadeh aus Leeds volljährig. Seit zwei Jahren! Er scheint gut klar zu kommen mit dem frühen Ruhm, als etwa 15-jähriger einen vielbeachteten Four-Tet-Remix hingelegt zu haben: stoisch zieht Happa seine Kreise durch die Clubs liefert nun diese beiden Tracks, die Whities als Numero sieben ihrer Blue-Serie veröffentlichen. „Clip” stellt fast Bausatz-artig erstmal das Thema aus: einen steppenden, von weiblichen Chorstimmen gezeichneten Beat. Beschleunigt diesen, um dann, kurz vor dem Höhepunkt, eine Kunstpause zu machen. Nach gefühlt einer Minute (tatsächlich ist es eine halbe) variiert Happa sein Muster in Formen und Farben, lässt die Stimmen seufzen und ornamentieren, die hochgepitchten Streicher kirre werden, und spielt dann schließlich ein paar Fernseh-Lacher ein. „One Three Five” spinnt das Vocals-Ding weiter. Über 135 Beats, die in der Halbzeit shmooven und eine Weite erzeugen, formt Happa die Stimmen hier zu kleinförmigen Clustern, die wie in der Luftaufnahme einer Landschaft immer wieder mal als Kleckse auftauchen. Und zweimal geht der Daumen hoch. Christoph Braun
Jordan – Nocturne Edits 002 (Nocturne Edits)
Seit knapp fünf Jahren veranstaltet Jordan McCuaig gemeinsam mit seinem Partner Timmy Stewart im nordirischen Belfast die Clubnacht The Night Institute. Lange Zeit fanden die Partys im wöchentlichen Turnus statt. Die Locations wechselten in dieser Zeit mehrfach, momentan sind die beiden mal wieder gezwungen, sich nach einer neuen Bleibe für ihre Veranstaltungsreihe umzusehen. Das Konzept ist so simpel wie bemerkenswert: Im Mittelpunkt steht zuallererst mal die Crowd, dann kommen die Musik und die Residents. Gast-DJs sind nicht die Regel, und wenn sie da sind, dann sind sie eben nicht nur ein weiteres Booking. Daneben ist Jordan McCuaig noch als Produzent und Labelmacher zugange. So betreibt er das Label Nocturne samt einem auf Edits spezialisierten Offshoot. Für diese und einen etwas freizügigen Umgang mit Samples ist McCuaig, der sich schlicht Jordan nennt, berühmt. Jordan- oder Nocturne-Edits sind jetzt nicht gerade Feinkost für Cratedigger-Nerds, sie sollen die Party rocken. Und so hat sich der Nordire auch für die zweite Nocturne Edits-EP durchaus sehr bekannte Club Classics vorgeknöpft, allesamt aus den Achtzigern. Den Auftakt macht der Electro-Hip-Hop-Klassiker „Boogie Down Bronx” von Man Parrish. Ist leider ziemlich dünn und auch sonst nicht so toll, die anderen Tracks sind besser. Richtig gut ist der Edit von „Touch Me”, einem Latin-Freestyle-Hit von Eileen Flores von 1989. Spaß macht auch „Simon Says”. Dieser Track mit seinen Italo-Disco-, Stephen-Hague- und Shep-Pettibone-Versatzstücken kommt von der schottischen Synth-Popband Secession. Ein ganz großer Italo-Disco-Banger, Kotos „Visitors”, markiert den Schlusspunkt der Platte. Funktioniert natürlich immer. Holger Klein
Perko – The City Rings (Numbers)
Bei Perko, einem ursprünglich aus Schottland stammenden und in Kopenhagen lebenden DJ, denkt der*die etwas betagtere Hörer*in sofort an das Label Good Looking, an Kruder & Dorfmeister, Omni Trio oder die Massive-Attack-Mad-Professor-Dub-Remixe. Das ist nicht die schlechteste Reminiszenz. Obwohl die Sounds der mainstreamigeren Intelligent-Drum’n’Bass- oder Trip-Hop-Phase auch in Fahrstühlen, Supermärkten oder in 90er-Werbungen auf deutschen Privatsendern zu hören waren. Eine hallige, digitale Soundästhetik passt gut zum UK-Breakbeat-Dub-Ambient. Diese Genres vermischt auch das Mini-Album The City Rings auf dem Glasgower Label Numbers, das seit einer Dekade mit Veröffentlichungen von Stars wie Jamie XX, Rustie oder Hudson Mohawke auffällt. Glasklare, flächige Synths jagen nervös gegatetes, weißes Rauschen und Reverb-Blubbern im Sechzehntelakt. Das sorgt für eine wohltuend ruhige 2Step-Drum’n’Bass-Panik („Stutter”/ „The Reason”). Zwischen den Rhythmus-Tracks kommen Field Recordings zum Einsatz. Kirchen-, bzw. Kuhglocken („Pippin Version”) und Sirenen („Grounds” feat. Lia) lösen sich mit Bleeps oder Granularsynthese ab, treffen auf analog klingende Sequencerpatterns und dehnen die Zeit in die Unendlichkeit. Ästhetisch und harmonisch durchaus gut gemacht. Vielleicht liebäugelt Perko mit einer Karriere als Hollywood-Film-Sounddesigner. Womöglich wurde er aber auch frisch aus einer der unzähligen europäischen Kreativkultur-Legebatterien (Design-, Kunst-, Film- und Theater-Hochschulen) entlassen und hat dort im Propädeutikum etwas über John Cage, Klangkunst oder die Produktionsweise von Jamaican Dub gelernt. Egal, die raumgreifende Breakbeat-Deepness und Verspieltheit der Nummern machen trotzdem Spaß. Obwohl das drei Jahre andauernde UK-Breakbeat-Revival vielleicht gerade schon begraben wurde. Denn Red Bull Music erklärte vor kurzem dem geneigten Mainstream-Hörer: „Why the current revival of liquid Drum’n’Bass is so refreshing.” Mirko Hecktor
Tobias. – 1972 (Ostgut Ton)
Mit 1972 setzt Ostgut Ton einmal mehr qualitative Maßstäbe. Tobias Freund alias Tobias. brilliert mit hervorragendem Mixing eines von ihm lang entwickelten warmen Sounds, der trotz aller Verspultheit konstant stimuliert. Beim Titelstück darf man sich beispielsweise über die im Panorama hin- und herflackernden Hihat-Rolls mit brüchigen Streichern freuen, die in einem vokalen politischen Einspieler enden. Bei allen Tracks changiert die Stimmung stets zwischen zarter Ernsthaftigkeit und einer Art somnambulen Losgelöstsein. Leicht herausragend ist dann aber doch noch „The Wisdom Of No Escape”. Hier verbindet sich ein treibenderes Beatgerüst mit organisch tropfenden Glasperlenklängen. Der extrem feinfühlige und leicht drohende Bass, den nur von beschwörerische Stimmeingaben unterbrechen, erzeugt so eine kontrastierende Stimmung, die absolut fasziniert. Lucas Hösel