Underworld. Foto: Rob Baker Ashton
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Über zwei Jahrzehnte ist es her, dass „Born Slippy“ die Leben von Karl Hyde und Rick Smith für immer veränderte. Der Song katapultierte das britische Duo Underworld vom Underground-Phänomen ins Licht der Öffentlichkeit und in die Welt der Radio-Hits. Der legendäre Song, der durch den Soundtrack des Kultfilms Trainspotting weltweite Bekanntheit erlangte, wurde zum Hit der Rave-Kultur und wird bis heute regelmäßig in Clubs gespielt.
Für Karl Hyde und Rick Smith definitiv kein Grund, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Seit der Gründung von Underworld im Jahr 1988 haben sie elf Alben und 43 Singles und EPs veröffentlicht. Und obwohl sie seit mittlerweile mehr als 30 Jahren gemeinsam Musik machen, sind sie produktiver denn je. 2018 starteten Underworld mit DRIFT ein ambitioniertes Projekt: Über ein ganzes Jahr hinweg veröffentlichten sie jede Woche ein Musikstück, Video oder Kunstwerk.
Laura Aha und Finn Heemeyer trafen Sänger und Performer Karl Hyde nach Underworlds Auftritt beim Lollapalooza in Berlin. Ein Gespräch über künstlerische Herausforderungen, die Überwindung von Motivationstiefs und darüber, wie es sich anfühlt, wenn die Freund*innen deiner Tochter zu deinen Songs raven gehen.
Für euer neuestes Projekt DRIFT habt ihr über ein Jahr jede Woche ein Musikstück oder ein Kunstwerk veröffentlicht. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Karl Hyde: Das war Ricks Idee. Er fand, das sei eine gute Möglichkeit, damit jeder sein eigenes Potenzial voll ausschöpfen kann. Das war zu dem Zeitpunkt nämlich nicht der Fall. Ich arbeitete damals viel außerhalb der Band, weil ich sie als sehr restriktiv empfand. Ich habe mit Brian Eno in Galerien gearbeitet und andere Bands gegründet.
Was hast du an der Bandsituation als restriktiv empfunden?
Alles. Es war einfach kein guter Ort, um Spaß zu haben und kreativ zu sein. Niemand schenkte Ricks Vision Aufmerksamkeit, sodass er das Projekt unter seiner Leitung nicht voranbringen konnte. Vor etwa drei Jahren bemerkte ich dann, dass, wenn ich ihm zuhöre und ihm erlaube, mich zu führen, erstaunliche Dinge passieren können. Er versuchte wirklich mein Potenzial zu entfalten. Davor waren wir alle zu sehr in unseren eigenen kleinen Welten beschäftigt, statt zusammenzuarbeiten. Vor etwa zwei Jahren, als Barbara Barbara, we face a shining future herauskam, haben wir festgestellt, dass wir uns doch wirklich mögen und dass, wenn wir zusammenkommen, etwas Magisches passieren kann.
Das Besondere an DRIFT ist, dass es zum ersten Mal kein Ende gibt. Es geht nicht um Alben, Shows oder Galerien. Es geht um eine Reise.
Karl Hyde, Underworld
Hattet ihr bei DRIFT auch das Gefühl, dass ihr eine neue Herausforderung, eine Art konzeptionellen Rahmen, braucht?
Nun, Rick hatte dieses Gefühl. Er sah, dass wir, als wir uns trafen, um einen Film, ein Theaterstück oder die Eröffnungshymne der Olympischen Spiele in London 2012 zu produzieren (Anmerkung der Redaktion: Underworld spielte bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London), immer einen festgelegten Rahmen hatten. An dessen Spitze stand immer ein Regisseur, der sehr klare Anweisungen gab. Das war für unsere Art zu arbeiten sehr befreiend. Ich denke, Rick hat sehr gut verstanden, dass wir einen Rahmen brauchen, der uns herausfordert und uns einen Sinn gibt. Und das Besondere an DRIFT ist, dass es zum ersten Mal kein Ende gibt. Es geht nicht um Alben, Shows oder Galerien. Es geht um eine Reise. Es geht darum, kontinuierlich Arbeiten zu produzieren. Deshalb haben wir der Öffentlichkeit versprochen, 52 Wochen lang jeden Donnerstag etwas zu veröffentlichen.
War das schwierig für euch?
Es war wirklich hart. Aber eigentlich das Beste, was uns passieren konnte, weil wir ehrlich sagen mussten: „Diese Woche ist das magischste Stück, das wir haben, ein Chorwerk, ein Jazzstück oder ein Technotrack.“ Das Versprechen, jede Woche etwas herauszubringen, zwingt uns, ehrlich mit unserer Arbeit umzugehen. Das ist wirklich wunderbar.
Wie lief der Produktionsprozess, wurde tatsächlich alles in der jeweiligen Woche erschaffen?
Nein, wir hatten im Vorfeld bereits viele halbfertige Projekte und Ideen. Wir schrieben, wo und wann immer wir konnten: Ob in Hotelzimmern oder in unseren Studios. Manchmal nahmen wir was mit dem Telefon auf, und dann gab Rick später Anweisungen wie ein Theaterregisseur: „Wir müssen das beenden!“ Und: „Kannst du dir das nochmal ansehen?“ Und: „Schau hier noch mal drauf.“ Spezifischer wurden seine Anweisungen nicht. Manchmal konnten wir auch einfach nicht zusammenarbeiten und mussten uns dann aufteilen, um den Text oder den Beat allein zu bearbeiten.
Du hast gesagt, du hast in Hotelzimmern geschrieben. Inwiefern beeinflusst die Umgebung eure Musik?
Das war noch so eine Sache, die Rick eingesehen hat. Er fragte sich: „Warum pendelt Karl die ganze Zeit hin und her? Warum geht er nach Manchester und Berlin und wieder zurück?“ Also begannen wir unterwegs zu schreiben. Das Touren hat sich so zu einem sehr nützlichen Werkzeug entwickelt. Wir spielten Shows, hatten dann aber zwei Tage Zeit im Hotel. Zwischen Business- und Strategiesitzungen fanden wir tatsächlich die Zeit, etwas Neues zu schreiben. So kamen wir mit 20 oder 30 neuen Schnipseln von der Tour zurück. Und natürlich hatte unsere Umgebung darauf einen Einfluss. Zum Beispiel haben wir einmal in diesem wirklich seltsamen Hotel in Mexiko übernachtet.
Was war daran seltsam?
Es war eigentlich ziemlich unscheinbar. Aber die Leute waren sehr nett und warnten mich: „Geh nicht in der Umgebung spazieren, es ist nicht sicher!“ Aber es sah fantastisch aus, also ging ich dort spazieren. Es war ziemlich schön und ich wusste nicht, warum sie sich überhaupt solche Sorgen gemacht hatten, denn alle waren einfach wirklich, wirklich nett. In diesem Hotel haben wir danach tatsächlich einen meiner Lieblingstracks geschrieben, den Song „Toluca Stars“. Der Gesang und die meiste andere Produktion flossen einfach direkt aus uns heraus.
Deine Vocals wirken wie Assoziationsketten, in einer Art stream of consciousness-Stil. Improvisierst du deine Texte oder schreibst du sie vorher auf?
Ich schreibe jeden Tag in meine Notizbücher. Wenn ein Notizbuch voll ist, schreibe ich ein Datum auf den Buchrücken und stelle es zu den anderen in die Bibliothek.
Wie viele Notizbücher stehen dort bereits?
Sie gehen bis ins Jahr 1988 zurück. Einige Jahre sind produktiver. Wenn ich unterwegs bin, habe ich nur ein Notebook dabei und hoffe, dass da etwas drin ist. In „Toluca Stars“ schreibe ich zum Beispiel buchstäblich über das Leben in Toluca. Wir haben zwei Laptops, eine tragbare Gitarre, ein Interface mit Kopfhörern und ein Mikrofon. Und dann gibt mir Rick einen Beat. Ich spiele dann vielleicht etwas Gitarre und schalte das Mikrofon ein. Der Beat fängt an, mit mir zu kommunizieren und ich schaue mir das Buch an. Einige Worte sprechen dann zu mir: „Ich gehöre zu diesem Groove, ich gehöre zu dieser Musik!“ Und von den Worten und der Musik leite ich dann ab, in welchem Frequenzbereich, in welchem Geisteszustand, wie ich singen soll. Und dann nehmen wir auf und vielleicht ist das schon das Ende dieser Session. Dann gehen wir raus, essen was und das war’s.
Gräbst du manchmal in der Vergangenheit, ziehst etwa ein Notizbuch von 1995 zur Inspiration hervor?
Ja. Denn sie gehören zu verschiedenen Epochen. Es gibt bestimmte Zeitspannen, die sehr dunkel sind. Zum Beispiel könnte ich ein düsteres Notizbuch mit einem glücklichen kombinieren. Ich blättere einfach durch, bis etwas meine Aufmerksamkeit erregt. Manchmal nehme ich einen kleinen Stapel Notizbücher und nichts verbindet sich mit der Musik. Dann sehe ich mich einfach um und nutze das, was ich gerade sehe. Zum Beispiel hier: „Wi-Fi-Access“ (er zeigt auf ein Schild mit der Aufschrift „Wi-Fi-Access“ im Interviewraum). Wenn ich mit „Wi-Fi-Access“ anfange, dann sagt mein Notebook vielleicht: „My phone rings, I guess it’s you“. Na also! Das ist eine sehr interessante Art, einen Track anzufangen. Oder vielleicht gibt es auch gar nichts. Also setze ich mich hin und frage Rick: „Was sagt dir diese Musik?” Und dann sagt er: „Ich habe an meinen Vater in Wales gedacht.“ Und ich tippe dann einfach ab, was er zu mir sagt. So schreibe ich meine Texte.
Lässt du dich von anderen Musiker*innen inspirieren?
Bob Dylan. Seine Musik höre ich die ganze Zeit.
Tatsächlich hab ich mich nie wirklich der Clubszene verbunden gefühlt.
Karl Hyde, Underworld
Gibt es aktuell Newcomer*innen oder zeitgenössische Bands, die dich inspirieren?
Meine Tochter hat mir die Band Silver Jews gezeigt. Die sind brillant! Leider hat sich David Berman dieses Jahr umgebracht, was wirklich traurig ist. Und dann gibt es noch Sun Kil Moon. Ich liebe es einfach, wie sie ihre Songs schreiben, diese langen Reisen.
Die Künstler*innen, die du erwähnst, stammen alle aus einem eher traditionellen Bandkontext. Fühlst du dich auch noch der aktuellen Clubszene verbunden?
Tatsächlich hab ich mich nie wirklich der Clubszene verbunden gefühlt. Ich bin mit Kraftwerk aufgewachsen, mit Can, Tangerine Dream, La Düsseldorf und Stockhausen. Solche Dinge sind die Wurzeln dessen, was wir heute tun. Aber ich war selbst nie in Clubs. Es gibt ein Label namens Detroit Underground. Das ist die einzige elektronische Musik, die ich höre. Aber ich liebe alles, was sie veröffentlichen.
Ihr habt letztes Jahr eine beachtliche Anzahl von Shows gespielt. Stehst du lieber auf der Bühne oder produzierst du lieber zu Hause im Studio Musik?
Ich mag es, zu Hause zu sein, im Studio zu sein. Ich arbeite sehr gerne mit Rick zusammen. Die Zeit, in der man auf Flieger wartet, ist leider verschwendete Zeit. Wenn das Reisen nicht wäre und wir einfach plötzlich irgendwo sein und eine Show spielen könnten, das wäre toll. Aber wir versuchen, diese Zeit produktiv zu nutzen. Deshalb schreibe ich in meine Notizbücher und nehme Umgebungsgeräusche mit dem Handy auf. Du kannst diese Zeit nutzen. Dann wird sie Teil des Prozesses.
Bevorzugst du Festivals oder normale Konzerte?
Es sind immer sehr unterschiedliche Energien auf unterschiedlichen Bühnen. Bei einem Festival ist die Energie einer sehr großen Menge eher schwach. Man muss auf der Bühne sehr große Bewegungen machen, sehr langsam und ausholend. Aber es ist körperlich viel weniger anstrengend auf einer großen Bühne, weil man entspannt von einer Seite der Bühne zur anderen gehen kann und die Leute das schon als eine sehr große Bewegung sehen. Im Gegensatz dazu ist ein kleinerer Ort sehr energetisch und körperlich viel fordernder. Deine Bewegungen werden ziemlich ruckartig. Du kannst keine großen Ballettbewegungen machen. Auch das Publikum hat eine ganz andere Energie: Es fühlt sich eher wie viele Individuen an. Du kannst sie atmen hören und sie können sehen, wie du schwitzt. Und das ist eine gute Sache. Es ist also irgendwie schön, zwischen den beiden Extremen hin- und her zu pendeln.
Es war, als wäre der Korken aus der Flasche geschossen.
Karl Hyde, Underworld
Das hängt wahrscheinlich auch von der Art des Publikums ab, für das ihr spielt, da ihr ja für sehr unterschiedliche Live-Events gebucht werdet, oder?
Ja! Bei Festivals kommt es darauf an, ob wir auf einem elektronischen Tanzmusikfestival oder auf einem traditionellem Rockfestival spielen. Wir haben diesen Sommer auf einem Festival in Großbritannien gespielt, wo wir noch nie zuvor gespielt haben. Wir kamen direkt vom Sónar, was definitiv ein Techno-Festival ist, und wollten dort ein ganz anderes Set spielen. Auf diesem Rockfestival waren viele Familien mit Kindern und jugendliche Schulabgänger. Es gab viele Bands. Also dachte ich mir: „Weißt du, Mann, sie hören den ganzen Tag Bands!“ Also gingen wir auf die Bühne und ich sagte nur: „Wollt ihr tanzen?“. Und alle riefen nur: „Jaa, ENDLICH!“. Dann sagten wir: „Oh, okay. Also gut.“ Es war tatsächlich einer meiner Lieblingsauftritte des ganzen Jahres. Es war, als wäre der Korken aus der Flasche geschossen.
Habt ihr die Live-Situation im Hinterkopf, wenn ihr neue Songs produziert?
Nein, nie. Das sollten wir auch nicht. Wir müssen ehrlich mit uns sein und dann sehen, was passiert. Das Tolle an DRIFT ist, dass wir damit so viel Material geschaffen haben, das wir in die Live-Show einfließen lassen können. Und die Leute kennen es häufig sogar schon. Es muss dafür nicht mal im Radio gespielt werden. Anfang des Jahres hatten wir vier Shows im Sydney Opera House, und jeder kannte das gesamte Material. Auch wenn einiges davon erst ein paar Tage zuvor erschienen war! Es dauert sonst drei Jahre, um ein normales Album zu machen, und dann gibt es vielleicht nur einen Track, der es in die Live-Show schafft. Alle drei Jahre ein neuer Track, das ist langweilig. Dank DRIFT konnten wir unsere Shows so sehr verändern wie seit Mitte der Neunziger nicht mehr. Wir können jedes Mal ein komplett einzigartiges Set spielen.
Apropos „Mitte der Neunziger“: Vor zwei Jahren erschien die Fortsetzung von Trainspotting und ihr habt wieder am Soundtrack mitgearbeitet. Wie fühlte sich das für euch an, sich noch einmal intensiv mit der Zeit eures ersten großen Erfolgs „Born Slippy“ zu beschäftigen?
Nun, es war Rick, der das gemacht hat. Es war eine sehr harte Zeit für ihn. Nicht die Erfahrung, die er sich erhofft hatte. Aber es gab ihm die Möglichkeit, mit Iggy Pop zu arbeiten. Das Konzept von Danny Boyle war „Iggy Pop und Underworld machen einen Track zusammen“. Aber der hat es leider nie in den Film geschafft. Dennoch war das der Beginn einer fantastischen Zusammenarbeit.
Die Leute erwarten oft, dass wir uns von dem Track ziemlich gelangweilt fühlen. Aber er erfindet sich immer wieder neu.
Karl Hyde, Underworld
Kannst du dich daran erinnern, was sich für euch geändert hat, nachdem der erste Trainspotting-Film herauskam?
Türen öffneten sich. Menschen boten uns neue Möglichkeiten. Plötzlich waren wir nicht mehr diese Underground-Band. Wir spielten Musik für viele Leute. Plötzlich waren wir im Mainstream-Radio. Die Leute pfiffen „Born Slippy“ im Taxi. Irgendwie seltsam. Es haben sich enorm viele neue Möglichkeiten ergeben für uns.
Ihr spielt „Born Slippy“ immer noch bei euren Shows, meist als Abschlusstrack. Wie fühlt es sich an, den Song für eine ganz andere Generation von Menschen zu spielen?
Es ist bizarr, auf eine wirklich positive Art und Weise. Ich denke, die Leute erwarten oft, dass wir uns von dem Track ziemlich gelangweilt fühlen. Aber er erfindet sich immer wieder neu. So viele neue Generationen entdecken ihn. Meine jüngste Tochter ist 16 Jahre alt und ihre Freunde lieben ihn. Sie schickt mir immer wieder Instagram-Stories von jungen Leuten, die dazu tanzen. Als wir jung waren, gab es Bands, die diese legendären Songs wie „Stairway to Heaven“ hatten. Natürlich dachten wir nie, dass wir jemals so einen Song machen würden. Wir dachten, wir könnten irgendwann vielleicht mal eine Nummer eins bekommen – was wir nie hatten. Aber wir haben diese Art von einem Hit und das ist irgendwie seltsam. Es ist fast so, als hätte man ein Familienmitglied oder ein Haustier, das auf der ganzen Welt unterwegs ist, und man sieht es regelmäßig wieder und sagt: „Oh, da ist es! Schau, das Haustier der Familie ist da drüben und macht etwas.“
Guter Techno durch ein gutes Soundsystem ist wie eine Skulptur.
Karl Hyde, Underworld
Im Moment scheint es ein ziemliches Rave-Revival zu geben, sowohl ästhetisch als auch musikalisch. Kannst du dir erklären, was junge Menschen heute an dieser Zeit fasziniert?
Es ist seltsam, nicht wahr? Zwei meiner Kinder, sie sind 21 und 19, gehen jetzt zu Raves. Für mich klingt das so, als würde man sagen, dass man in einen Rock’n’Roll-Club geht. Als ich mit meiner Ältesten, die auch Musikerin ist, darüber sprach, fragt sie mich nach den alten Raves. Sie denkt, dass es „echt cool“ gewesen sein muss. Und ja, eigentlich war es ziemlich cool! Wir spielten auf der allerersten Cocoon Party mit Sven Väth in einem Lagerhaus in Frankfurt. Wir waren die ersten Headliner, die auf dem Mount Fuji spielten, dem allerersten Techno-Festival in Japan. Wir waren die erste Band, die in den Neunzigern als Headliner auf dem ersten Techno-Festival in Amerika auf einem Berg in Kalifornien spielte.
Und doch sagst du, du hast keine Verbindung zu Clubs…
Ebenfalls seltsam, nicht wahr? Ich gehe nicht in Clubs, aber wenn ich mich doch mal in einem Club wiederfinde, denke ich immer: „Ist das toll!”. Weil ich es liebe, diese repetitiven Beats zu hören. Guter Techno durch ein gutes Soundsystem ist fantastisch. Es bewegt dich ganz tief. Es ist wie eine Skulptur. Das geht irgendwie in die Seele und es kommt wieder heraus, wenn wir ins Studio gehen. Ich liebe es. Mein Körper muss sich bewegen, wenn ich das höre. Es ist eine Kraft. Das ist es, was Techno für mich ist und das war es auch schon immer. Als Kraftwerk im Radio kam, das erste Mal, als ich „Autobahn“ hörte, dachte ich mir: „Das ist Musik von einem anderen Planeten!“. Ich dachte: „Ja, ich bin auf der Autobahn, ich bin auf einer Reise, ich gehe irgendwo hin.” Und das ist es, was es für mich immer war: Es ist Musik, die dich irgendwo hinführt.
Und was glaubst du, wohin sie führt?
Wo es hingeht? Keine Ahnung, aber ich folge! Ich bleibe in Bewegung. Das hat tatsächlich wieder einen gewissen Zusammenhang mit DRIFT. „Wohin gehen wir? Ist mir egal, hauptsache wir bewegen uns.“ Und es gibt Wurzeln in dieser Musik, die aus Deutschland stammen. Es kam aus Düsseldorf. Und wir sind die Fortsetzung dieser Reise. Ich erinnere mich, dass 1996 Leute zu uns sagten: „Nur noch zwei weitere Jahre davon. Dann ist es vorbei!“ (lacht). Was ich an dem Genre liebe, ist, dass es um Evolution geht. Das kann man von Rockmusik nicht behaupten. Das kannst du einfach nicht. Ich mag ja einiges an Rockmusik, aber sie entwickelt sich nicht weiter. Bei elektronischer Musik geht es um Evolution, die sich ständig weiterentwickelt. Das ist der Grund, warum sie immer noch hier ist.
Underworlds DRIFT Series 1 ist digital, als 7CD Box, als 1CD und als 2LP erschienen.
Underworld treten am 19.03.2020 im Palladium in Köln und am 21.03.2020 im Tempodrom in Berlin auf.