Das Rattern und Brummen der analogen Maschinen bekommt im Phantom Kino Ballett (Commend See/RVNG Intl.) von Lena Willikens & Sarah Szczesny eine hintergründige Qualität. In der audiovisuellen Performance, deren Audio-Part nun als Tape mit einem weiteren Stück veröffentlicht wird, ist es nur ein Teilaspekt eines größeren Ganzen. Das Phantom Kino Ballett ist eine komplexe Bild- und Soundcollage, die auch eine theatralische Bühnenperformance und Tanz mit einbezieht. Die in Bild und Ton jeweils unabhängige aber korrespondierende Montage von Bild- und Tonfragmenten alter (oder in einem Körnungsprozess auf alt getrimmter) Schwarzweißfilme, die das Fundament dieser Arbeit bildet ist lose genug um Raum für allerlei Assoziationen zu bieten. Die Zusammenarbeit von Lena Willikens, ansonsten eine der freidenkerischsten und genialsten DJs auf den größeren Bühnen der Welt, und der bildenden Künstlerin und Gestalterin Sarah Szczesny, die unter anderem für den Look von Matias Aguayos Label Cómeme verantwortlich ist, hat einen Umfang und eine Reichweite, die mit Deproduction dem jüngsten Multimedia-Großwerk von Terre Thaemlitz mithalten kann. Auch die verknüpften Themen, von Repräsentation über Familie und häusliche Gewalt zur Funktion von Kunst ist verwandt, wenn auch verspielter und offener eingeflochten als bei Thaemlitz.
Video: Lena Willikens & Sarah Szczesny – Phantom Kino Ballett Trailer
Wie super! Die höchstwahrscheinlich superste und definitiv freundlichste Supergruppe der Indie-Electronica, Spirit Fest, hat ein zweites Album aufgenommen. Die im Dezember 2017 spontan aus einem Auftritt des japanischen Duos Tenniscoats auf dem von The Notwist kuratierten Alien Disko Festival entstandene Combo des Ehepaars Saya & Takashi Ueno mit Cico Beck von Aloa Input, Mat Fowler von Jam Money und Markus Acher von The Notwist hat sich zu einer Band verfestigt, die sogar hin und wieder Konzerte gibt. Wie schon auf dem Debüt bringen alle Beteiligten auf Anohito (Morr Music) ihr typisches Sounddesign und Songwriting zwanglos ein und finden in einem Jam-Prozess zueinander in zarte Songs von schlichter Schönheit. Ganz große kleine Popmusik. Eine weitere nicht minder bezaubernde Kollaboration kommt heuer von Kama Aina + Hochzeitskapelle. Mit der Münchner Folk/World-Blaskapelle, die ihre Inspiration aus Wurzelmusiken der ganzen weiten Welt zieht und ebenfalls mit The Notwist Beteiligung glänzen kann, hat sich der Japaner Takuji Aoyagi eine instrumental versierte wie handfeste Plattform geschaffen auf dem seine zarte Ambient-Electronica – rein akustisch interpretiert – an Spannweite und Farbe gewinnt. Wayfaring Suite (Gutfeeling/Alien Transistor) besitzt diese gewisse Würze der bayerischen Wurzelmusik, die die Hochzeitskapelle selbstverständlich auch im Schlaf beherrscht, hat aber gleichzeitig einen ganz modernen, unprovinziellen und offenen Charakter. Wenn schon „Weltmusik“ sein muss, dann bitte so.
Video: Spirit Fest – Anohito (Till The Gate)