Der Kollektivcharakter des Mjut äußert sich vor allem in den AG- und Plenarstrukturen, wie die beiden Bookingverantwortlichen erklären: „Jeder will immer mitreden und das ist auch gut so, weil es dann auch eine Menge Input gibt. Wenn man das Booking macht, selbst wenn man die Bar bestückt, gibt es da immer eine gefühlte Verantwortung gegenüber den Anderen. Das ist kein Druck, sondern eine Art logische Konsequenz: Man will sich eben austauschen, will alle mit einbeziehen.“ Doch solle es auch nicht zu steif werden: „Das Wichtigste ist ja, dass wir den Spaß daran nicht verlieren.“ Zusammengefunden haben sich die Kollektivmitglieder erst vor einem halben Jahr aus vielen verschiedenen Crews und auch Einzelpersonen, die schon in verschiedenen Feierkontexten der Stadt wie dem IfZ, dem Conne Island oder der Pracht unterwegs waren. So wollte es der Zufall, dass sich hier auch sehr schnell ein festes Awareness-Team gebildet hat. Dies ist ein Novum im Vergleich zu anderen Clubs, die für ihre Ansprüche des Safer Clubbing meist Awareness-Teams von außen buchen. Die Veranstaltungsseiten des Mjut auf Facebook beinhalten immer einen Awareness-Hinweis.
Musikalisch lässt sich der Club noch schwer einordnen. Die Eröffnungsfeier START wartete mit einem bunten LineUp auf, das von der Hamburger Band Plastiq über die Drei-Plattenteller-Maschine DJ Marcelle bis zur IfZ-Resident Neele reichte. Dass es nur aus Frauen und Trans-Personen bestand, wurde nicht explizit thematisiert und fiel den meisten BesucherInnen genau deshalb wahrscheinlich gar nicht auf. Genauso divers ging und geht es weiter: Die Veranstaltungsreihe Mother’s Finest aus der Griessmuehle Neukölln war bereits zu Gast, die Drum’n’Bass-Partyreihe Fat Bemme, die früher im Leipziger Westwerk untergebracht war, feiert im Mjut ihr Comeback, am 20. Mai eröffnet Shlømo die Reihe Minerals. Der Mittwoch gehört dagegen der Live-Musik: Nachdem die experimentelle Jazzgruppe The Charlie Bucket Trio & hier gastierte, werden demnächst die Indie-Theatraliker Walls & Birds auftreten.
Diese Vielfalt geht in erster Linie auf den persönlichen Geschmack der Bookingcrew zurück: „Zumindest ist das so im elektronischen Bereich. Wo wir uns musikalisch noch hinbewegen werden und wie sich alles fügt wird sich in den nächsten 12, 24 Monaten noch zeigen. Wir wollen musikalisch schon einen roten Faden haben, aber nach Möglichkeit auch Leute einbeziehen, die wir interessant finden und die nicht unbedingt unseren musikalischen Geschmack treffen. Es sollen jetzt nicht die Nummer-sicher-Tech-House-Headliner gebucht werden, sondern vielleicht auch jemand, der im Wald lebt und vierzig Stunden im Bus aus Rumänien herkommen muss oder so. Ein bisschen nerdy eben,“ meint einer der Gesprächspartner. In jedem Fall soll Platz für Experimentelles sein, „vielleicht auch mal eine Klanginstallation. Das hat auch sehr viel mit Ausprobieren zu tun. Bei Bands beispielsweise kann das schon von Pop bis Noise und Punk alles sein.“
Doch sorgt das Mjut mit der Eröffnung im Szenekiez nicht auch dafür, dass sich das Gentrifizierungskarussell nur schneller dreht? Die Antwort fällt nachdenklich aus: „Das ist uns auf jeden Fall bewusst, aber es ist auch kein Grund, das hier sein zu lassen. Alles, was junges Leben mitbringt und Kunst und Kultur hinterlässt, macht die Umgebung insgesamt attraktiv. Wir haben es hier gesehen, wir haben es in anderen Vierteln gesehen. Wir wollen uns auf jeden Fall mit der Sache auseinandersetzen und vielleicht auch nicht mit Leuten kooperieren, die nur deswegen auf uns zukommen, weil wir hier jetzt der neue Spot sind. Und eben auch die Sachen unterstützen, die hier in der Gegend immer noch unter der Oberfläche laufen.“ Auch der Club selbst steht auf begehrtem Grund: Vor einigen Jahren sollte in unmittelbarer Nachbarschaft ein Einkaufszentrum gebaut werden, die Pläne wurden aber fallengelassen. Jetzt soll nebenan ein Park entstehen. Die Freude am Ist-Zustand lassen sich die Mjut-Vertreter aber durch zukünftige Unsicherheiten nicht verderben: „Wir wissen nicht ob wir ein Jahr oder fünf Jahre da drin sind. Uns geht es einfach darum, hier und jetzt den Ort zu schaffen. Wenn wir irgendwann einmal umziehen müssen und es entwickeln sich dann neue Projekte draus, dann ist das doch genauso gut.“