Alle Fotos: Kristoffer Cornils

93 Plattenläden verzeichnet das Online-Portal VinylHub für Tokyo – mehr als in jeder anderen Stadt auf der Welt. Die japanische Hauptstadt gilt nicht ohne Grund als ein Digging-Paradies, denn hier sind neben Japan-exklusiven Pressungen auch Funde von obskuren, heiß begehrten Platten ebenso möglich wie absolute Schnäppchen. Mit seinen drei Filialen in Shibuya, Shinjuku und Shimokitazawa dominiert Disk Union den Markt, doch gibt es noch weitaus mehr zu entdecken, wie Online-Redakteur Kristoffer Cornils bei seinem letzten Besuch feststellte. Für euch empfiehlt er fünf Plattenläden, die ihr bei einem Besuch in der Stadt unbedingt aufsuchen solltet. Eine kleine, keinesfalls repräsentative Auswahl – denn alle 93 waren bei seinem achttägigen Aufenthalt in der Stadt natürlich nicht zu schaffen.

5. City Country City

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Nur ein bescheidener weißer Aufsteller im hippen Shimokitazawa-Distrikt verriet mir, dass im vierten Stock eines unscheinbaren Gebäudes eine kleine Goldgrube auf mich wartete. City Country City leiht sich seinen Namen von einem War-Song und, als wäre das noch nicht vertrauenswürdig genug, bestach mit einer Auswahl von Second-Hand-Platten, die von obskurem Funk zu ravigen 90ern-12″s reichte und zudem eine gesonderte Sektion für japanische Releases aufwies. Hier lässt sich mit Blick über das rege Treiben an der einladenden Fensterfront stundenlang diggen und bei Gelegenheit sogar eine Pause im angeschlossenen Café beziehungsweise Restaurant einlegen. Tolle Atmosphäre, tolle Auswahl und moderate Preise obendrein.

2-12-13 Kitazawa世田谷区
Tokyo 155-0031

city-country-city.com

4. El Sur

Was würdet ihr für eine Heino-Platte hinblättern? Klar, ziemlich viel Würde – bei El Sur aber umgerechnet auch eine zweistellige Summe. Etwas abseits vom Kern des lebhaften Shibuya-Viertels gelegen ist in diesem Plattenladen auf engstem Raum die ganze Welt im 12″-Format erhältlich. Kwaito dort, Feldaufnahmen aus Java hier, griechische Folklore und deutscher Schlager nah beisammen – fein geordnet nach Geographie, versteht sich. Der Anlaufpunkt für alle, die gerne außerhalb des eigenen kulturellen Tellerrands diggen wollen oder auf der Suche nach tollem Sample-Material sind. Die Preise für die überwiegend Second-Hand-Platten sowie neue Releases vom Kyotoer Reissue-Label EM fallen dementsprechend aber auch mal etwas höher aus. Dennoch: eine schöne Abwechslung zum westlichen Einheitsbrei, der in vielen anderen Shops der Stadt zu finden ist.

1 Chome-15-9 Jinnan
Tokyo 150-0041

El Sur auf Facebook

3. Jet Set

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Vorneweg: Die Jet Set-Filiale in Tokyo ist keineswegs so groß wie die in Kyoto, lohnt sich aber dennoch. Der Laden, dem auch ein hauseigenes Label angeschlossen ist, konzentriert sich überwiegend auf Hip Hop und angeschlossene Genres, besticht aber auch mit einer ebenso kleinen wie feinen Auswahl an House-Platten, die nicht selten von japanischen Artists kommen – Kuniyuki, Terada Soichi und andere lassen sich hier ebenso finden wie der Vierte-Welt-Ambient-Entwurf eines Inoue Kaoru, dessen neues Album em paz sofort in meine Tasche wanderte. Jet Set bietet vor allem neue Releases an, von denen nicht wenig importiert und dementsprechend bepreist sind, doch regionale Veröffentlichungen und die kleinen Second-Hand-Kisten am Rande bieten auch fürs schmale Budget eine angenehm breite Auswahl.

2 Chome−33−12 柳川ビル201号Tokyo 155-0031

www.jetsetrecords.net

2. Lighthouse

Eine der schönsten Überraschungen bot mir Lighthouse. Schwer aufzufinden ist der Laden allerdings schon, obwohl er direkt im Herzen von Shibuya gelegen ist. Wieder war es nur ein diskretes Hinweisschild, das die Position des dicht gepackten Stores im dritten Stock verriet. Wie fast jeder der von mir aufgesuchten Plattenläden verfolgte auch Lighthouse ein eigenwilliges Sortiersystem: Chronologisch nach Genre sortiert diggte ich mich von Soul und Funk zu 90er-House hin zu Neuerscheinungen aus aller Welt. House-Heads mit einer Vorliebe für den New York-Sound kommen hier ebenso auf ihre Kosten wie Disco-Fans und Jazz-LiebhaberInnen. Einen fantastischen Überraschungsfund bescherte mir der Verkäufer, der gerade Fuji Marikos Album 狂躁曲 abspielte, das ich sofort einsteckte – nicht allein des beeindruckenden Covers, sondern auch des Songs “どんな春が” wegen, der zum Soundtrack meines weiteren Japan-Trips wurde. Ein Besuch bei Lighthouse ist definitiv unverzichtbar. Welcher andere Plattenladen hat schon ein überlebensgroßes Soundsystem mitten im Raum stehen?

2 Chome−9−2 正実ビルTokyo 150-0043

lighthouserecords.jp

1. Technique

Und ja, natürlich führte mich mein Weg auch zu Technique, wo mich ein vor der Tür positionierter Standaschenbecher sogleich mit einem Hardwax-Sticker begrüßte. Nur passend, denn wenn ein Plattenladen in der japanischen Metropole mit der Berliner Institution mithalten kann, dann Technique. Als steter Anlaufpunkt für lokale wie kurzzeitig in der Stadt gastierende House- und Techno-DJs bietet er ein fachkenntliches Sortiment, das sich von konventioneller Dance-Musik hin zu balearischen Sounds und experimenteller Klangkunst erstreckt. Im Second-Hand-Bereich steht da schon mal eine Mille Plateaux-Compilation Rücken an Rücken mit japanischem Boogie, während die Wände die gesamte Farbpalette von monochromem Berghain-Techno hin zu farbenfrohen Disco-Edits durchlaufen. Pflicht!

宇田川町33-14 久保ビル 2FTokyo 150-0042

www.technique.co.jp

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Kristoffer Cornils war zwischen Herbst 2015 und Ende 2018 Online-Redakteur der GROOVE. Er betreut den wöchentlichen GROOVE Podcast sowie den monatlichen GROOVE Resident Podcast und schreibt die Kolumne konkrit.