Teile des Albums entstanden in einer Zeit der Orientierungslosigkeit für dich. Was ist da passiert?
Das war Ende 2015 nach zwei Jahren mit sehr intensiven Touring. Ich hatte auf einmal ein Gefühl nicht sicher zu sein, wo ich hingehöre und das meine ich auch ganz konkret was den Ort anbelangt. Ich hab mich an dort wo ich in Berlin gewohnt habe nicht mehr wohlgefühlt und dachte die Lösung bestünde darin, zurück in meine Heimat nach Bayern zu ziehen. Ich hab relativ kurzfristig ein Haus gemietet und bin mit meiner Frau dorthin gezogen. Während ich auf Tour in Südamerika war fand der Umzug statt und ich kam dann direkt zurück in das neue Haus, wo schon die neuen Vorhänge hingen. Rückblickend war das vielleicht keine gute Entscheidung. Wenn manche Indianer eine Flugreise machen bleiben sie erstmal ein paar Tage am Ankunftsort, weil sie darauf warten, dass ihre Seele nachkommt. Ich hab praktisch das Gegenteil davon gemacht. Ich wollte es komfortabel haben, aber warum möchte man etwas denn komfortabel haben? Ich denke oft als Ausgleich, weil man an anderer Stelle mit etwas überfordert ist. Das gilt ja auch für viele DJs, die es sich über Jahre hinweg richtig geben und ständig unterwegs, dass dann aber an anderer Stelle kompensieren, indem sie zum Beispiel einmal im Jahr auf Ayurveda-Kur zum Entgiften gehen. Oder sich einen Personal Assistant anstellen, weil sie es kaum mehr auf die Reihe bekommen, ihre Wäsche zu waschen. Für mich selbst geht da das Gleichgewicht verloren.
Aber du musstest selbst erstmal in so eine Situation kommen, um das zu erkennen?
Richtig. Das liegt auch daran, dass es bei mir mit den Booking-Anfragen fast von null auf hundert ging. 2014 hatte ich 130 Gigs, 2015 136 Shows. Das ist ein Drittel des Jahres und das heißt, dass du auf jeden Fall mehr als die Hälfte deiner Zeit im Hotel verbringst. Das ist ja keine normale Lebensführung. Es gibt auch nomadische Typen, die kein Zuhause brauchen, das kann man gar nicht so pauschal sagen. Aber ich brauche das auf jeden Fall und auch so Dinge wie Ruhe und Struktur in meinem Laben. Jetzt spiele ich so 90 Mal im Jahr und damit komme ich gut klar. Das Spielen und Auf-der-Bühne-Stehen war für mich auch nie ein Problem, das macht mir Spaß. Aber oft steht halt die Zeit, die man auf der Bühne steht nicht in Relation zu der Zeit, die man für die Reisen benötigt.
Was ist dann passiert als du von deiner Südamerika-Tour zurück in dein neues Haus nach Bayern kamst?
Ich war ziemlich ausgelaugt und müde. Und plötzlich habe ich gemerkt, dass ich mich in meinem neuen Zuhause gar nicht wohlfühle. Eines morgens bin ich mit einem Geräusch im Ohr aufgewacht, das war so ein tiefes Brummen. Ich bin zum Fenster gegangen, weil ich dachte vor der Tür steht vielleicht ein Postauto, das seinen Motor laufen lässt. Da war aber nichts. Etwa 200 Meter entfernt war eine Baustelle und dann dachte ich, das kommt vielleicht von einem Presslufthammer, aber auch da war nichts. Am nächsten Tag war das Brummen immer noch da. Ich bin dann sogar zu einem ein Kilometer entfernten, Geothermie-Heizkraftwerk gefahren, weil ich vermutete, dass das die Quelle des Brummens sein könnte – vergeblich. Mich hat verunsichert, dass ich das Geräusch nicht zuordnen konnte und das hat mich wiederum vorm Einschlafen in der Nacht abgehalten. Ich hab dann auch meine Frau im Schlaf aufgeweckt, um sie zu fragen, ob sie das nicht auch hört, hat sie aber nicht. Ich hab Hörtests gemacht, bin zum Ohrenarzt – alles ohne Ergebnis. Das Brummen hat mich so verrückt gemacht, dass ich Foren im Internet nach der möglichen Ursache durchsucht habe. Irgendwann habe ich dann sogar das stille Schlafzimmer mit einem Mikrofon aufgenommen und die Tieffrequenzbereiche der Aufnahme in Ableton so stark angezogen, bis ich etwas gehört hat. Nur, wenn man das macht hört man immer irgendetwas (lacht). Das ganze wurde erst besser, als ich nach Wochen begriff, dass ich einen Tinnitus hatte. Das hatte ich vorher nicht in Erwägung gezogen, weil ich davon ausging, dass ein Tinnitus immer hochfrequent ist. Bei mir hatte das muskuläre Ursachen, der Tinnitus wurde ausgelöst durch starke Verspannungen im Nacken- und Schulter-Bereich. Aber auch als ich den Tinnitus schließlich im Griff hatte, fühlte ich mich immer noch bedrückt. Meine Frau und ich fühlten uns in der neuen Umgebung einfach nicht wohl. In so einer dörflichen Siedlung spielen die Nachbarn auch eine viel größere Rolle als in der Stadt. Wir fühlten uns da beobachtet und nach fünf Monaten haben wir dann beschlossen, wieder zurück nach Berlin zu ziehen, in einen anderen Bezirk. Und dort fühlten wir uns auch gleich zuhause.
Ist der Brummton heute noch da?
Nur wenn ich sehr verspannt und gestresst bin. Einige der Stücke auf meinem Album sind in dieser Zeit in Bayern entstanden und es gibt auch einen Track, der sich konkret auf den Brummton bezieht: „Immer Da“. Ich hab versucht die Stimmung dieser Zeit in dem Stück wiederzugeben, ein Gefühl der Vertrautheit, weil ich in der Straße in der wir gewohnt haben schon als Kind zur Schule gegangen bin, aber kombiniert mit einem Unwohlsein.