Alle Fotos: James de Ara (Nathan Fake)
Nathan Fake wuchs in Norfolk auf, einer idyllischen Grafschaft an der Ostküste Großbritanniens, wo sich die Leute mehr mit ihren Gärten als mit Synthesizern beschäftigten. Anders Fake: Er setzte sich schon in der Pubertät mit den Möglichkeiten des Musikmachens auseinander, besorgte sich mehr Soft- als Hardware, weil es günstiger war, und verbrachte lange Zeit mit Jam-Abenden. In der englischen Einöde galt er mit diesem Hobby als Outsider. Mittlerweile ist es sein Beruf. Mitte der 2000er avancierte er mit seinen ersten Veröffentlichungen Outhouse und Drowning In A Sea Of Love zu einem der vielversprechendsten Newcomer und verlieh Techno wie er selber sagte “eine Prise Swing”. Vor allem war Fakes Musik immer schon von elegischen und romantischen Klängen geprägt. Dabei klingt sie rough, aber doch auch zart.
Auch auf seiner neuesten EP Sunder beweist er erneut, dass er ein intuitives Gespür für Klänge und Harmonien entwickelt hat. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass Musikmachen für ihn etwas sehr Persönliches und Selbsttherapeutisches darstellt. “Egal ob ich gute oder schlechte Laune habe: Wenn ich Musik mache, fängt sie diese Zustände ein und kann helfen”, erzählt er im Interview. “Da ich schon immer allein Musik mache, ist es eine sehr persönliche und intime Sache. Ich kann mich dabei komplett fallen lassen und alles vergessen.” Bei Sunder war es nicht nur die Musik allein, sondern auch die zur Verfügung stehenden Mittel, die ihn erneut haben fallen lassen. Die auf Ninja Tune veröffentlichte EP entstand während eines One-Man-Jams mit ausschließlich Hardware. “Ich habe einfach nur gespielt, nach keinem speziellen Sound gestrebt oder etwas vorher arrangiert, sondern nur mit dem gearbeitet, was vor mir lag.” Fake hat sich nach seinem letzten Album Providence erneut ausgetobt und seine Fähigkeiten als experimentierfreudiger Produzent spielen lassen. Wir sprachen mit ihm über Geräte-Workouts, bittersüße Inspiration und dem Weg zurück zum Dancefloor.
Neben einem alten Marantz Tapedeck hast Du eine kaputt klingende Akai Midi Drum Machine benutzt. Bevorzugst Du diesen Vintage-Sound?
Lustigerweise war die Drum Machine neu, sie klingt nur total hart und kaputt. Als ich das zusätzlich auf einem Tapedeck aufnahm, klang der Sound noch härter. Ich habe allerdings nicht danach gestrebt, sondern einfach nur gespielt, ohne etwas zu arrangieren. Ich habe bloß Aufnahme gedrückt, gejammt und geschaut, was passiert.
Klingt nach einem sehr natürlichen und intuitiven Prozess.
Ja. Ich dachte sogar, dass es ziemlich schlecht klingt, aber dann hat es mich positiv überrascht und ich habe mich mit dem Sound wohl gefühlt. Ich mag eben eine Mixtur aus analogem und klarem Sound. Vor allem Digitales und 90s-Synths, wenn sie schrottig klingen. (lacht)
Stream: Nathan Fake – Sunder
Wie lange dauerte die Jam-Session bzw. der Produktionsprozess zu Sunder?
Es ging sehr schnell, eigentlich genau so lange wie die Tracks sind. Ich habe versucht, nicht an die Zeit zu denken, sondern nahm einfach mein mein Keyboard und spielte los. Ich wollte mich so frei wie möglich fühlen.
Genau diese Art, dieser fast schon emanzipierte Habitus, erscheint interessant in einer Generation, in der Editierungsprogramme wie beispielsweise Ableton Hand in Hand gehen mit Produktionsphasen. Dein Jam steht im Gegensatz dazu. Es scheint, als ermögliche er wieder einen Fokus auf die eigene Subjektivität, die zum Teil von Editierungsprogrammen unterdrückt werden kann.
Es kann ein endloser Prozess sein, der nie aufhört. Mein Gejamme, bei dem Sunder entstand, spiegelt eigentlich das Gegenteilige wider, ja. Die Vielfalt der Möglichkeiten finde ich zwar gut und positiv, andererseits können sie auch dazu führen, dass du nie zu einem Endpunkt kommst. Manche Leute speichern ihre Arbeiten für immer, weil der Moment des Zufriedenseins nie eintritt. Ein Tapedeck, wie ich es benutzt habe, nimmt dir da die Entscheidung quasi ab. Ich habe alles aufgenommen und irgendwann war es dann fertig. Editierung erscheint da redundant, weil du sonst wieder von vorne anfangen müsstest, um es zu verändern oder “zu verbessern”.
Der Prozess klingt heute eher unüblich, da doch heute fast jede*r Software benutzt, um seine Musik zu verändern.
Ja, die Software ist zum Standard geworden. Als ich angefangen habe, Musik zu machen, gab es zwar schon Ableton, aber viel weniger Möglichkeiten. Meine Musikerfreunde und ich haben früher alle ganz unterschiedliche Software benutzt. Es hat sich niemand auf ein spezielles Programm konzentriert. Hardware war kein Thema, weil es zu teuer war. Es wirkte komisch, wenn man ein Studio besaß, obwohl man lediglich einen Laptop benutzen und damit alles machen konnte.