Foto: Presse (Lockertmatik)

Underground hier, Underground dort: Kaum ein Begriff wurde in den letzten Jahren dermaßen inflationär dem Schreckgespenst der Kommerzialisierung entgegen gehalten. Für einige bedeutet Underground aber vor allem eins: Nicht lang schnacken, einfach machen. Stephan Schindler ist seit gut zwei Jahrzehnten in der Dresdner Szene unterwegs und macht da einiges. Als Kryptic Universe oder als Lockertmatik veröffentlichte er in den letzten Jahren EPs und Compilation-Beiträge auf unter anderem MDR, Wolfskuil, dem Uncanny Valley-Ableger shtum und natürlich seinem eigenen Label, das er zusammen mit Anaxy betreibt. Was von vielen allerdings zur Ideologie hochgejazzt wird, das ist für Schindler eine Selbstverständlichkeit: “faceless music + no red carpet” lautet die Formel für Lockertmatik und sein Mix für unseren Groove-Podcast setzt das mit einer treibenden Mischung aus alten Klassikern und neuen Bangern in die Tat um.

 


 

Du bist Ende der siebziger Jahre in Dresden geboren. Wie kamst du dort zu Techno?
Durch das Jugendradio DT64, das war so 1991/1992. Meine ältere Schwester war schwer auf EBM unterwegs. Ich war also schon mit elektronischer Musik infiziert. Meine erste echte Techno-Platte war die X-101 auf Tresor, die mich sehr inspiriert hat. Ein Meilenstein, bis heute.

Derweil Dresden zuletzt mit dem Sabotage einen Club verlor, gab es aus der Szene mit unter anderem der Eröffnung des objekt klein a auch erfreuliche Nachrichten zu hören. Wie hast du die Veränderungen in Dresden während der letzten Jahre erlebt?
Es ist sehr viel passiert die letzten Jahre, Clubs öffnen, Clubs schließen. Wir haben seit ein paar Jahren das DAVE-Festival und es gibt eine völlig neue junge Generation von Leuten, die was machen, die einen gewissen Spirit haben und die mit Enthusiasmus, Ehrgeiz viel erreichen. Das ist nicht nur schön, sondern auch wichtig. Wenn man sieht was seit Jahren montags in Dresden so “spaziert”, hat doch Musik beziehungsweise Kunst schon auch eine therapeutische Wirkung oder kann darauf einwirken. Alles war und ist immer im Wandel, das ist hier in Dresden nicht anders.

Dein 2011 gegründetes Label Lockertmatik widmet sich einer strikten Underground-Philosophie. Aus welchem Geist heraus hast du es gegründet und worauf legst du bei deiner Arbeit wert?
Es war eigentlich nie meine Intention: Ich gründe jetzt ein Label oder so. Lockertmatik ist eher aus Zufall entstanden. Den Namen allerdings habe ich seit meiner Jugend im Kopf. 2011 hatte ich drei Platten auf Melted Recordings veröffentlicht und der Karsten von dem Label meinte mal zu mir, man könne doch mal ein gestempeltes White-Label machen, wo eben nicht Kryptic Universe draufsteht beziehungsweise man nicht unbedingt weiß, wer dahintersteckt. Das Ganze ist dann über die Jahre etwas gewachsen. All das, was mich vom Sound her geprägt hat, fließt da mit ein. Die Plastic Phreak-Partys, das Hardwax Dresden, der Hang zu Underground Resistance etc. pp. Dresden war ja nach der Wende eine der ersten Städte, wo dieser Sound auf fruchtbaren Boden gestoßen ist. Allerdings haben wir bei Lockertmatik dann doch relativ schnell begriffen, dass wir nicht so die Leute sind, die das jetzt groß publik machen, bzw. liegt uns das “Marketing” offensichtlich nicht so. Sicher, es ist ein wichtiger Bestandteil, gerade in der heutigen Zeit. Aber irgendwann habe ich dann doch begriffen, dass wir weder die Leute dazu sind, noch das wir über ein gewisses Ziel hinausschießen wollen. Sicherlich entsteht auch dadurch der Eindruck das wir etwas bedeckt agieren, was im Grunde genommen auch nicht schlimm ist. Denn Techno war für mich immer “faceless music + no red carpet”.

Du veröffentlichst auch unter dem Namen Kryptic Universe. Wie unterscheiden sich die beiden Projekte?
Kryptic Universe ist etwas verspielter, reicher an Melodien manchmal wärmer. Lockertmatik ist eher kälter, skizzenhafter nicht zu sehr ausgetüftelt. Lockertmatik spielt mit Zahlen.

Dein Beitrag zu unserem Groove-Podcast setzt stark auf Klassiker von unter anderem Jeff Mills, Surgeon und dem Underground Resistance-Umfeld. Was war deine Idee dahinter?
Ich kombiniere immer ältere Sachen, die mich stets begleitet haben mit neuem kram. So packe ich auch meinen Plattenkoffer. Das ist natürlich oft auch ein Wagnis beim Mixen, da die heutigen Sachen vom Klang und von der Pressung her cleaner sind als die Pressungen von früher. Aber dafür gibts ja den Equalizer.

Last but not least: Wann können wir dich in nächster Zeit hinter den Decks oder live erleben und wie sehen deine Pläne als Produzent und Labelmitbetreiber aus?
Als nächsten steht eine Split EP mit Milton Bradley an. Die wird dann hoffentlich im März in die Plattenläden kommen. Diesbezüglich wird es auch eine Release-Party im Golzheim Düsseldorf geben. Die Lockertmatik 10 wird dann ein Projekt mit Anaxy werden, mit dem ich auch das Label betreibe. Das Ganze wird dann auch als 10″ erscheinen. Des Weiteren erscheint ein Release von mir auf einem Label aus Dublin. Ich erhoffe mir in Zukunft auch weiter zusammenarbeiten mit Künstlern wie Andy K, Tilman Hornig oder Stephan Ruderisch. Ich mag ja diese Streetstyle-Aspekt bei dieser Art Musik sehr, waren es doch auch Leute aus dem Hip-Hop-Umfeld, die bei den Plastic Phreak-Partys damals mitgemacht haben. Und die wussten auch was Basic Channel ist und schätzten das sehr.



Stream: Lockertmatik – Groove Podcast 147

01. Richard Devine – Model (Schematic SCH-019)
02. Sean Deason – Endomorphine Machine (!K7 Records K7R008LP)
03. Henning Baer – The Idea Of Instinct (NONPLUS 040)
04. Leiras – Violet Flame (Ownlife 006)
05. Rok & Jonzon – Discraft Ultrastar (Jackfruit Records – JF01)
06. Sweet Reinhard – Wild Heart (Profan 005)
07. Oliver Ho – Terra Incognita B1 (META02)
08. Fishermen – Dyspnea (Steve Bicknell Remix) (Skudge White WR01)
09. Antigone – Voltage (Token 53)
10. Jeff Mills – Transport (Purpose Maker PM-021)
11. The Memory Foundation – Heated Hats (Central 04)
12. Dark Comedy – Clavia’s North (Art Of Dance ART-2003)
13. Suburban Night – Echo Location | Bat Trance Mix (Underground Resistance UR-036)
14. Suburban Night – Infra Red Spectrum (Underground Resistance UR-011)
15. X-102 – OBX-A (Underground Resistance UR-019,5)
16. Terrence Dixon – Ocean To Sea (Surface SFTDXLP 001)
17. Claude Young – Signals (DETA 03)
18. Surgeon – Scorn (Tresor 73)

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Kristoffer Cornils war zwischen Herbst 2015 und Ende 2018 Online-Redakteur der GROOVE. Er betreut den wöchentlichen GROOVE Podcast sowie den monatlichen GROOVE Resident Podcast und schreibt die Kolumne konkrit.