Stimmt es eigentlich, dass du früher gerne in Hamburger Clubs als „Deckshark“ neben dem DJ-Pult standest, um dir die Namen der Tracks zu notieren?
Hm, ich war schon immer sehr interessiert, aber eigentlich habe ich das nur in einem Club und bei einer Veranstaltungsreihe gemacht: bei den MFOC-Partys im Golden Pudel Club und da weniger bei den Gast-DJs als bei dem Resident-DJ Superdefekt [alias Groove-Autor Tim Lorenz; Anm. d. Aut.], der hat immer die krassesten Sachen gespielt. Er und Ralf Köster waren Helden für mich!

Kannst du dich noch an Tracks aus dieser Zeit erinnern?
Weniger an Clubtracks, aber das hat mich sensibilisiert für Labels aus der Zeit wie Scape, City Centre Offices oder Morr Music und später Rhythm & Sound. Ich mochte, dass viele der Veröffentlichungen auf den Labels so viel Luft hatten.

Im Jahr 2006 bist du dann von Hamburg nach Berlin gezogen. Du hast dann deine ersten Platten veröffentlicht, hattest aber das Gefühl, dass sich niemand richtig dafür interessiert. Warum?
Weil das so war. Geändert hat sich das ausgerechnet mit Wintermusik, einer Platte, die ich aufnahm, weil ich ein Weihnachtsgeschenk für meine Eltern brauchte, aber keine Kohle hatte. Ich hab dann Klavier, Harmonium und Cellesta aufgenommen – Musik, von der ich wusste, dass sie meiner Mutter gefällt, sonst hätte ich so einen Quatsch gar nicht gemacht. Aber als das veröffentlicht wurde, ging das sofort durch die Decke. Vorher hatte ich eher so elektronische Frickelmusik gemacht. Dass den Leuten jetzt ausgerechnet diese Kuschel-Kuschel-Musik interessierte, hat mich damals extrem gekränkt. Aber die Musik traf einen Nerv, es war scheinbar gerade die Zeit für Pianomusik.

Chilly Gonzales hatte 2004 sein Album Solo Piano herausgebracht und Hauschka ein Jahr später The Prepared Piano.
Ja, vieles war damals sehr klavierig. Zu der Zeit lernte ich den Musiker Peter Broderick kennen, der mich ermutigte, als Pianist auf Tour zu gehen. Ich hab mich zunächst dagegen gewehrt, weil es da draußen 1000 bessere Pianisten gab als mich. Aber das führte auch dazu, dass ich mit The Bells dann ein richtiges Klavier-Album aufnahm, für das ich zwei Tage lang auf einem Flügel improvisierte. Diese Platte brachte mich schließlich in Kontakt mit Robert Raths und seinem Label Erased Tapes, auf dem ich seitdem veröffentliche.

Hältst du dich denn mittlerweile für einen guten Pianisten?
Ich bin immer noch davon überzeugt, dass es sehr viel bessere Klavierspieler als mich gibt. Aber ich denke, dass es ein Talent von mir ist, ein Klavier nach mir klingen zu lassen.

All Melody erscheint am 26. Januar auf Erased Tapes und ist bis zur Veröffentlichung bei NPR einzuhören.

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