Du hast in deinem Studio eine ganze Reihe von Tasteninstrumenten stehen, die zum Teil über hundert Jahre alt sind. Bist du ein Sammler?
Ich sammle Instrumente schon, seitdem ich 12 Jahre alt bin. Alte Instrumente sammeln ist so ähnlich wie Oldtimer sammeln. Die sind ein paar Jahre hier geparkt und wenn man sie nicht mehr braucht, dann verkauft man sie halt weiter. Man verliert ja damit kein Geld, meistens steigen sie sogar im Wert. Mein erstes Rhodes-Piano habe ich damals für 100 Mark gekauft, heute kostet das Ding 2000 Euro. Schon seit über zwanzig Jahren stecke ich eigentlich alles Geld, was ich verdiene – vom Taschengeld als Jugendlicher bis zu den Konzertgagen – in meine Musik.

Dein neues Album All Melody sollte ursprünglich mal drei verschiedene Platten werden. Warum hast du dich umentschieden?
Ja, ich hatte schon ewig die Idee, drei Platten zur gleichen Zeit zu machen: eine, die sich ums Klavier dreht, eine mit Ensemble-Arbeiten – mit verschiedenen Musikern und Instrumenten – und eine, bei der es eher um meine Vorstellung von elektronischer Musik geht.

Jetzt hast du alle drei Ansätze in einem Album vereint.
Genau. Diese ursprüngliche Idee diente auch eher zur Orientierung. Daraus wurde dann vor allem der Wunsch, das zu machen, worauf ich gerade Lust hatte, und alles auszuprobieren, was mir zur Verfügung stand. Ich habe Instrumente herausgeholt und dann zum Beispiel tagelang nur Harmonium gespielt und improvisiert. Wenn man viel improvisiert, passieren dabei auch immer Momente, mit denen man vorher nicht gerechnet hätte. Das wurde dann zu einem Ziel für das Album: dass es zumindest ein paar Sachen darauf zu hören gibt, die ich vorher gar nicht mit mir in Verbindung gebracht hätte. Ich wollte mich selbst überraschen.

All Melody klingt ambitionierter als deine bisherigen Alben und du hast dir dafür auch viel mehr Zeit gelassen als bisher.
Ja, das war total luxuriös. Auf eine Art wollte ich das Album so machen können, wie es große Rockbands in den 70er-Jahren gemacht haben: ohne zeitliche Beschränkung, in einem großen Studio und mit der richtigen Atmosphäre. Es wird ja gerade gerne gefeiert, dass man ein Album auch im Flugzeug oder auf Tour machen kann. Aber das ging bei diesem Album gerade nicht, das konnte nur hier in diesem Raum entstehen.


Video: RA Sessions: Nils Frahm – All Melody / #2 | Resident Advisor

Kannst du über einen der Tracks etwas genauer sprechen? Das Stück „#2“ war bereits vor drei Jahren auf einer Session zu hören, die du für Resident Advisor aufgenommen hast. Mit nur drei Instrumenten – einem Roland Juno-60, dem analogen Drumcomputer MFB 522 und einem Delay – hast du damals live einen Technotrack eingespielt. Wie hat sich das Stück seitdem verändert?
Am Anfang wollte ich ein elektronisches Stück machen mit sehr wenigen Sounds, das durch die Art, wie ich sie spiele, dennoch interessant klingt. Seit den ersten Versionen von „#2“ [Er spricht den Titel deutsch „Raute Zwei“ aus; Anm. d. Aut.] sind noch ein paar Instrumente hinzugekommen. Neben der MFB für die Kickdrum habe ich noch zwei Vermona Drum Machines für die Hi-Hats verwendet. Ich benutze gerne elektronische Instrumente, die relativ langweilige Brot-und-Butter-Geräte sind und die ich dann frisch klingen lassen will. Dazu kommen dann noch ein paar Sounds, halb Streicher, halb Saxofon, die ich vom Mellotron einspiele und teils extra einspielen hab lassen. Die Kickdrum hat auf dem Album auch eine geringere Präsenz: Ich will da nicht ständig so ein TOCK-TOCK-TOCK haben, das die Klänge dominiert.

Beim Betrachten des Resident-Advisor-Videos hat man das Gefühl, dass du die Bass- und die Kickdrum lieber in deinem Kopf hörst, als sie tatsächlich zu spielen.
Die Kickdrum spielt schon eine wichtige Rolle in dem Stück, schon dadurch, dass sie immer auf der Drei einsetzt. Aber ich wollte bei der Albumversion bewusst nicht den Filter so weit aufreißen. Im Konzert lasse ich das gerne mal zu, das ist dann auch geil, aber auf dem Album hatte ich eher das Gefühl, dass man davon Kopfschmerzen bekommen würde.

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