Zuerst erschienen in Groove 170 (Januar/Februar 2018).

Manchmal beneide ich Menschen, die in allem etwas Positives suchen und finden. Nicht dass ich grundsätzlich negativ eingestellt oder gar ein überzeugter Pessimist wäre. Trotzdem glaube ich daran, dass zielorientiertes Nörgeln, besserwisserisches Finger-in-die-Wunde-Legen oder ein konstruktiver rant letztlich mehr Veränderungen oder Nachdenken bewirken kann als jedes Herz-Emoji.

2017 war jetzt kein schlechtes Jahr, rein musikalisch betrachtet. So richtig gut aber auch nicht, allgemein gesprochen. Gerade im Technobereich, und da spreche ich ausnahmsweise mal für die Redaktion, scheint eine Sättigung erreicht zu sein. Aufgrund der Mainstreamisierung ist nicht nur die Debattenkultur garstiger geworden, auch die Qualität der Musik rückt gerne mal zugunsten perfider Konkurrenzwettbewerbe in den Hintergrund.

Das fängt da an, dass sich immer mehr gute DJs – jene, die ihr Handwerk wirklich beherrschen und eine LP als Booking-Push nicht benötigen – gezwungen sehen, höchstens mittelmäßige und sowieso viel zu lange Alben zu veröffentlichen, und geht bis zum schamlosen Self-Branding inklusive lächerlicher PR-Aktionen: Niemand, der sich wirklich für Musik interessiert, will seinen Favorite-DJ auf dem Pariser Eiffelturm spielen sehen – gerade dann nicht, wenn man an der „Veranstaltung“ sowieso nicht teilnehmen kann, ist der ganze Zweck doch nur, ein schönes Video zu haben, das man durch den digitalen Äther schicken kann.

Man muss ja populär und im Gespräch bleiben, seinen Follower etwas bieten, also packt man seinen Namen auf eine (selbstverständlich) eigens entworfene DJ-Tasche. Kapitalismus, wir hören dich nicht nur trapsen, in Form von Festival-Tokens oder überteuerten USB-Alben schlägst du uns auch gerne gleich direkt ins Gesicht! Sicher, der Exzess gehört (nicht nur) in unserer Szene zur Norm. Trotzdem wäre es schön im kommenden Jahr statt einer weiteren 36-stündigen Eröffnungsparty auch mal Clubs zu erleben, die sich trauen einen Ambientfloor aufzumachen.

2018 brauchen wir weder die noch immer nicht verbannten Phones auf dem Dancefloor noch weitere KünstlerInnen, die sich durch (hier bitte die Minderheit einfügen)-feindliche Aussagen demaskieren oder noch schlimmer: nicht zu ihrem Fehlverhalten stehen und lieber ihren Labelmanager als Bauernopfer vorschicken. Und ganz sicher brauchen wir keine weiteren Drogentote. Es wird Zeit, das Thema Drug-Checking verstärkt auf die Agenda zu setzen. Ein erster Schritt in diese Richtung: Wie wär’s denn mit einer Petition?

Vorheriger ArtikelA DJ’s DJ: Mr. G über Joe Claussell
Nächster ArtikelD’Julz – Groove Podcast 137