Ist es heute eigentlich schwieriger oder einfacher, innovative Tools zu entwickeln?
Black: Wir arbeiten gerade an Jamm Pro, einer Weiterführung unserer Musik-App Ninja Jamm. Da stecken 25 Jahre Entwicklung drin. Und erst jetzt fühlt sich das Programm wie jenes Instrument an, das uns im Anfangsstadium vorschwebte. Kurz: Es gibt keinen Mangel an Ideen, im Gegenteil, es ist heute schwieriger, unsere Ideen im Zaum zu halten, angesichts der neuen technologischen Möglichkeiten.
Ninja Tune gibts mittlerweile seit 27 Jahren. Was hat euch von den vielen anderen britischen Elektroniklabels der 1990er-Jahren abgehoben, von denen die meisten irgendwann aufgegeben haben?
Black: Das ist einfach zu beantworten: Kokain. Das hat viele ruiniert.
More: Unser Motto ist: vernünftig mit der Kohle, verrückt mit der Musik. Viele Labels starteten mit mit Designermöbeln ausgestatteten Büros im West End und verschuldeten sich schnell. Wir machten das nicht.
Black: Keine Porsches für uns!
More: Wir waren auch immer sehr bedacht, was das Artwork unserer Platten angeht. Mittlerweile sind wir in der Lage, aufwendigere Projekte wie Amon Tobins ISAM-Live-Show und Box-Sets realisieren zu können. Aber am Anfang hatten unsere Platten schlichte, gestempelte Einheitshüllen. James Lavelle vom Mo’-Wax-Label, den ich sehr respektiere, konnte angeblich seine Künstler nicht bezahlen, weil er zu viel Geld ins Artwork steckte.
Von außen betrachtet hat Ninja Tune nach einer Durstrecke zuletzt wieder sehr an Bedeutung gewonnen. Seht ihr das ähnlich?
Black: Unser A&R-Mann Adrian hat ein außergewöhnliches Gespür. Das war genau das, was Ninja Tune brauchte. In den Nullerjahren gab es eine Phase, in der wir nicht den besten Riecher hatten. Wir ritten beständig auf der Trip-Hop-Welle weiter, die irgendwann verebbte. Es war dann zur Zeit des 20. Jubiläums von Ninja Tune, als mich Bekannte vom Elevate-Festival in Österreich auf Künstler wie Dorian Concept, Floating Points und Flying Lotus aufmerksam machten. Ich hatte das Gefühl, dass da wieder etwas Aufregendes in der elektronischen Musik passiert. Zum Geburtstag des Labels veröffentlichten wir dann 100 neue Tracks, darunter Remixes alter Ninja-Tune-Stücke von einigen dieser neuen Produzenten. Und auf einmal waren wir wieder voll da.
Für euer aktuelles Album Coldcut x On-U Sound: Outside The Echo Chamber habt ihr euer Label Ahead Of Our Time wiedererweckt, auf dem die allerersten Coldcut-Platten erschienen sind. Weshalb?
More: Da gibt’s mehrere Gründe. Einer davon ist, dass Ninja Tune mittlerweile erwachsen ist. Am Anfang waren es Matt, ich und ein Assistent. Heute haben wir mit Peter einen großartigen Labelmanager und über 60 Mitarbeiter. Wir selbst sind nur mehr am Rande ins Tagesgeschäft involviert.
Black: Oft ist es ein regelrechtes Tauziehen zwischen denen und uns. Es ist nicht immer einfach.
More: So als ob deine Kinder älter werden und du am Steuer des Familienautos sitzt. Sie rufen: „Papa, hier geht’s lang!“ Und du schüttelst den Kopf. „Nein, nein, ich bin diesen Weg schon tausendmal gefahren, ich kenn die Richtung.“
Black: Mit Ahead Of Our Time haben wir uns sozusagen ein eigenes Auto besorgt. Ein sehr kleines, dafür haben wir es ganz für uns allein. (lacht)