burger
burger
burger

Zeitgeschichten: Robert Görl / DAF

Das Herz macht Bumm

- Advertisement -
- Advertisement -

Lass uns zurückgehen zu eurer ersten Reunion im Jahr 1986: Der ziemlich schwülstige Disco- und Housesound von 1st Step To Heaven war ein echter Stilbruch. Was war da los?
Nach meinem Soloalbum wollte ich nicht mehr Schlagzeug spielen, weil ich mich ja schon als Sänger präsentiert hatte. Das gab mir einen richtigen Persönlichkeitsschub und das Singen gefiel mir auch viel besser. Meine Bedingung für das Comeback war also, dass ich nicht wieder nur Schlagzeug spielen werde.

Und wie fand Gabi Delgado das?
Der ist ein sehr spontaner Typ und kann sich schnell mit etwas arrangieren. Ich bin ja sowieso immer derjenige, der ihn anruft. Ich bin der Mann für die Comebacks, das
sagt er selbst auch. Und Gabi hat schon eingesehen, dass ein Comeback nicht heißen kann, dass wir einfach wieder das alte Programm fahren. Den Rest haben wir dann wieder zusammen ausgeheckt: diesen skurrilen Style mit Aruba-Band auf der Bühne und zwei Sängern im Oriental-Look. Die Hardcore-DAF-Fans sind bei dieser Platte alle ausgestiegen. Aber weißt du, wo diese Platte direkt ein Hit wurde? In New York. Die Deutschen haben das nicht verstanden, dass ihre Lederjungs jetzt auf einmal wie zwei Araber daherkommen. Aber der Gabi und ich, was haben wir gegeiert! Das hat uns so einen Spaß gemacht. Das war wieder ein Tabubruch, obwohl „Der Räuber und der Prinz“ eigentlich schon als Gay-Hymne akzeptiert worden war. So gesehen war dieser Move auch wieder sehr radikal. Die Deutschen waren enttäuscht, aber in der amerikanischen Clubszene ist die Platte eingeschlagen. Wie dem auch sei – das war das kürzeste Comeback ever. Als das Album im Kasten war, hatten wir uns wieder zerstritten. Gabi war zwar noch geneigt, das irgendwie weiter durchzuziehen, aber ich habe komplett abgesagt.

Gab es bis zu deinem Autounfall dann noch andere Projekte?
Ich ging nach New York, aber nicht um Musik zu machen. Ich war von diesem Split so enttäuscht, dass ich wieder eine Pause brauchte. Deshalb ging ich ans Stella Adler Conservatory, um Schauspiel zu studieren. Etwas ganz anderes, aber ich wollte dort auch Bühnenpräsenz üben. Ich wurde direkt genommen und es lief auch gut, allerdings nicht lange. Als ich nach knapp einem Semester mal wieder nach Deutschland geflogen bin, hat mich die Grenzpolizei ins Verhörzimmer geholt. Die wollten wissen, wieso ich ständig nach New York komme. Ganz naiv erzählte ich, was ich mache. Das Problem war, dass ich nie an ein passendes Visum gedacht hatte. Also musste ich die USA innerhalb von sieben Tagen verlassen und durfte zehn Jahre lang nicht mehr einreisen. Das war echt traurig, mein Shakespeare-Lehrer war so begeistert von mir und sagte, ich solle unbedingt dranbleiben. Aber dann bin ich doch wieder zur Musik zurückgekehrt. Das war eine harte Zeit für mich nach diesen Enttäuschungen. 1987 bin ich dann mit meiner Ensoniq-Workstation in einer Nacht- und-Nebel-Aktion wieder nach Paris gefahren, um neue Songs zu schreiben. In einem billigen Gästezimmer habe ich ein ganzes neues Album gemacht, das allerdings nie rauskam. Denn dann kam der Autounfall.

Dieses Album existiert noch?
Ja, in der Ensoniq-Demoversion. Das sind die romantischsten Songs, die ich je geschrieben habe. Und das ist tatsächlich mein nächstes Projekt, diese Platte ans Licht zu bringen. Immer wenn ich die höre, zerfließe ich wie so ein New Romantic auf der Couch. Ich werde genau diese Demos rausbringen, die sind gut genug, obwohl so ein komischer, primitiver Beat drunterliegt. Einer Plattenfirma habe ich es auch schon angeboten – das werden die Romantik-Tapes aus Paris, 1987. Triefend und untouched.

In diesem Text

Weiterlesen

Features

[REWIND2024]: So feiert die Post-Corona-Generation

Die Jungen feiern anders, sagen die Alten – aber stimmt das wirklich? Wir haben uns dort umgehört, wo man es lebt: in der Post-Corona-Generation.

[REWIND2024]: Ist das Ritual der Clubnacht noch zeitgemäß?

Hohe Preise, leere Taschen, mediokre Musik, politische Zerwürfnisse – wo steht die Clubkultur am Ende eines ernüchternden Jahres? Die GROOVE-Redaktion lässt das Jahr 2024 Revue passieren.

[REWIND 2024]: Gibt es keine Solidarität in der Clubkultur?

Aslice ist tot. Clubs sperren zu. Und die Techno-Szene postet Herz-Emojis. Dabei bräuchte Clubkultur mehr als solidarische Selbstdarstellung.