Zuerst erschienen in Groove 168 (September/Oktober 2017). Foto: Daniel Peace
Radio Slave glaubt an die Zukunft der House Music wie kaum ein anderer Act der Szene, und zugleich ist er ein unverbesserlicher Fanboy und Digger. Nach einer gesundheitlichen, geschäftlichen und musikalischen Krise besinnt sich Matt Edwards mit seinem Debütalbum zum ersten Mal in seiner langen Karriere ganz auf sich selbst.
Matt Edwards, so heißt Radio Slave mit bürgerlichem Namen, strahlt nicht die testosterongeladene Gelassenheit der meisten travelling DJs aus, er wirkt sensibel und nachdenklich. Wir treffen uns in der Nähe seines Lofts in Berlin-Kreuzberg und setzen uns mit Kaffeebechern auf den sonnigen Mariannenplatz. Es gibt viel zu berichten: Der 42-Jährige hat geheiratet und er ist Vater geworden. Dieses finale Ankommen im Erwachsensein wird durch sein Debütalbum vervollständigt. Damit schließt sich für ihn ein Kreis: Heute steht er mit seiner Musik an einem ähnlichen Punkt wie vor etwa 15 Jahren, als er mit dem Produzieren begann.
Stream: Kylie Minogue – Can’t Get You Out Of My Head (Radio Slave Vocal Re-Edit)
Damals war er gelangweilt von der Clubmusik der Zeit und stieg mit Edits von Popsongs in das Produzieren ein, etwa von Kylie Minogues „Can’t Get You Out Of My Head“. Seine LP Feel The Same ist eine ähnliche Reaktion auf die Musik der Gegenwart. Das Album ist aus einer beißenden Polemik gegen so ziemlich alles entstanden, was die elektronische Musik zurzeit prägt. „Heute kann man sich ein Samplepack laden und in GarageBand Berghain-Techno produzieren“, sagt er. „Da entsteht die Illusion, kreativ zu sein. Das ist vielleicht der Fall. Aber so oder so ist alles für dich vorbereitet.“
Und durch die immer beliebter werdenden Künstlermanager sei es heute schwerer zu erkennen, hinter welchen Musikerpersönlichkeiten wirklich etwas steckt. Viele Kollegen haben ihre Musikerkarriere weitgehend hinter sich gelassen und konzentrieren sich auf ihre Facebook-Accounts, findet er. Gleichzeitig sei DJing zu einem Mainstream-Thema geworden. „Heute wollen die Kids DJ sein, wie man früher Fußballstar sein wollte. Letztlich geht es darum, ein Celebrity zu werden. Ich finde es lustig, wenn junge DJs,m die glauben, Teil des Undergrounds zu sein, etwa ‚Children‘ von Robert Miles spielen. Das hinterlässt einen säuerlichen Nachgeschmack. Für mich war das Auflegen am Anfang zweitrangig. Am wichtigsten war es, Musikfan zu sein.“