Radio Slave – Feel The Same (Rekids)

16 Jahre ist es her, dass Matt Edwards das Projekt Radio Slave ins Leben rief, anfangs war noch Serge Santiago mit im Boot. Gelangweilt von der damaligen Clubmusik – auf der einen Seite formelhaft erstarrte Housemusik à la Erick Morillo, auf der anderen Seite Minimal – fertigten die beiden Edits von HipHop- oder Pop-Hits an. Einer davon war der inzwischen legendäre Edit von Kylie Minogues „I Can’t Get You Out of My Head“. Pete Tong spielte ihn im Radio und schwupps wurde der Track von EMI gesignt. Dies war die Geburtsstunde von Radio Slave. Heute ist Radio Slave Matt Edwards’ erfolgreichstes Pseudonym, viele werden den aus dem Süden Londons stammenden Engländer wohl nur unter diesem Namen kennen. Mit den einstigen Radiohit-Edits haben Radio-Slave-Tracks indes schon lange nichts mehr zu tun. Viele, viele Maxis und wirklich unzählige Remixe sind seitdem entstanden. Alben? Fehlanzeige. Bis jetzt.

Feel The Same ist keineswegs Matt Edwards’ erstes Album, es gab ja die Projekte Quiet Village (mit Joel Edwards), Matom (mit Thomas Gandey) sowie Rekid und The Machine. Vielleicht dachte Matt Edwards auch, dass sein Panorama-Garage-Trademark-Sound fürs lange Format nun wirklich nicht taugt. In der Tat, beim Gedanke an eine volle LP-Stunde mit schallernden Claps, ultramarkanten Hi-Hats und brutal auf den Punkt platzierten Snares denkt man: Nein, lieber nicht. Doch wenn man das Schaffen des seit mehr als zehn Jahren in Berlin lebenden Briten ein wenig verfolgt hat, kann man sich eigentlich schon denken, dass er wohl kaum in diese Falle tappen würde. Tat er auch nicht. Feel The Same ist zuallererst mal ein Techno-Album geworden, eines das sicherlich stark von Berlin geprägt ist – Tracktitel wie „Second Home“ oder „Geisterstadt“ geben dieser Vermutung noch mal extra Nahrung. Was wiederum nicht heißt, dass diese Platte wie ein Abbruch-Set im Berghain klingt. Dieses erste Radio-Slave-Album ist ein ungeheuer vielschichtiges. Geradezu zärtliche Detailverliebtheit trifft auf eine beinahe mit wissenschaftlicher Exaktheit errechnete Wucht des Sounds. Die Stimmungsbilder, die Matt Edwards zeichnet, sind facettenreich. Große Emotionen haben hier ebenso ihren Platz wie überlebensgroßes Rave-Kino.

Zuletzt hatte Matt Edwards seinen Output ein wenig gedrosselt. Zeitweise habe er das Gefühl gehabt, dass seine Tracks zu sehr dem ähnelten, was er bereits vor zehn Jahren machte, sagte er in einem Interview. Man müsse sich für Musik Zeit nehmen. Um in Neues einzutauchen oder um sich alte Welten neu zu erschließen, brauche man Muße. Die hat er sich genommen. Souverän schlägt der Engländer Brücken in die Vergangenheit, ohne sich von irgendeinem Revivalism treiben zu lassen. „With You“ etwa zitiert natürlich die Neunzigerjahre, der Track basiert auf dem guten, alten „Think“-Break, darüber melancholische Flächen und ein knapp geschnittenes, sehr klassisches und ungemein schwelgerisches Diva-Vocalsample. Auch auf „Draw“ ist ein reichlich militant daher kommender Breakbeat zu hören, doch das Stück ist in keinem Moment eine Oldschool-Rave-Reminiszenz, sondern klingt im Gegenteil mit seiner markanten Synthesizermelodie wie etwas nie zuvor Gehörtes. Immer wieder blitzt Electro der Detroiter Schule auf, so etwa auf „Geisterstadt“. Das Erstaunliche ist: Dieses erste Radio-Slave-Album kommt fast ohne offensichtliche Club-Banger aus. Die Tracks „Feel The Same“ und „Trans“ sind im Grunde die beiden einzigen DJ-Tracks. Das Tolle ist: Es funktioniert deshalb umso besser. Gab es 2017 ein spannenderes Techno-Album? Klares Nein.


Stream: Radio Slave – Trans

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