In seiner Heimatstadt Chicago ist Michael Vallera in den verschiedensten Szenen aktiv. So bastelt er zum Beispiel unter dem Pseudonym Coin knisternd verrauschten Düstertechno für Opal Tapes, mit Maar Analogsynthesizerexperimente für Umor Rex und mit Cleared psychedelischen Dronerock für das hiesige Experimental/Indie-Label Immune. Seinen bürgerlichen Namen hält Vallera für einen etwas breiter angelegten, weniger in Genres festgeschriebenen Sound frei. So füllt Vivid Flu (Denovali) mit großer Geste das Koordinatendreieck von modernem (Pop-) Ambient, angetäuschter Neoklassik und handwarmem Drone. Melancholische Gitarren, knarzendes Piano und Emo-Flächen gruppieren sich um ein in sich heterogenes nur durch eine schwermütig romantische Grundstimmung zusammengehaltenes Album jenseits von Kategorien wie Ambient, Rock oder Elektronik.


Stream: Michael ValleraDrug

Der nach Australien ausgewanderte Hamburger Mirko Vogel, der seit einiger Zeit in London lebt, war viele Jahre als Toningenieur, Studiomusiker und in einer Indierock Band aktiv bevor er sich an ein Soloalbum gewagt hat. Sein Debüt LP1 (Room40) unter dem Alias Mirko bleibt klar innerhalb dessen was mit Ambient gemeint ist. Es ist mit feinster Vintage-Analogsynthesizer Hardware hergestellt und oszilliert entlang der Vorgaben von Ambient der ganz alten Achtziger-Schule (Brian Eno, Harold Budd und Laraaji) und etwas neueren Neunziger Modellen (Warp, Planet Mu). Zwischen diese Polen bewegt sich Vogel ziemlich frei, verlässt den selbst vorgegebenen Rahmen aber nicht. Das hat zur Folge, dass seine Klänge angenehm unaufgeregt und einfach, ja auf positive Weise beinahe langweilig erscheinen und doch unter der Oberfläche brodeln und rumoren, als ob sich etwas nicht so angenehmes, nicht so einfach verdauliches den Weg freischaufeln möchte, es aber nie wirklich nach Draußen schafft. So entsteht Spannung in der Entspannung.


Stream: MirkoNight City Landing

Von noch lebenden, noch aktiven und noch kreativen Musikern als alten Meistern zu sprechen ist fast nie gerechtfertigt. Für den australischen Pianisten Chris Abrahams sollte zu dieser Faustregel allerdings unbedingt eine Ausnahme gemacht werden. Seit mehr als dreißig Jahren führt er Solo und im Powertrio The Necks vor, wie Klaviermusik klingt, die keinem Stil folgt, keinem Idiom unterworfen ist. Free Improv, traditionell modaler Jazz, Neoklassik und avantgardistische Struktur/Klang-Experimente jenseits von Rhythmus und Melodik sind Elemente die in seiner Musik anklingen, sie aber nie allein beherrschen. Darin ist er ein so eine Art Ein-Mann-Genre. Sein zehntes Soloalbum Climb (Vegetable Records) ist nach längerer Pause wieder einmal Piano pur, und es ist eines seiner zugänglichsten, mitunter sogar poppigsten Alben – in dem Sinne in dem etwa Keith Jarrett mit seinem berühmten Schmachtfetzen The Köln Concert, oder in jüngerer Zeit Chilly Gonzalez, Nils Frahm oder Dustin O’Halloran das Solopiano zwischen Jazz und Neoromantik popularisiert haben. Dass Abrahams im tiefsten Wesenskern allerdings ein ungemein innovativer Experimentator und Improvisator geblieben ist macht seine Musik so frisch und haltbar. Die einzige Zutat, die in Abrahams fluiden Kompositionen wohl nie vorkommen wird, ist Routine.


Video: Chris AbrahamLive at Syncretism

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