„Irgendwann spürte man, dass es nicht mehr so war wie früher. Wenn man etwas nur noch macht, um es am Leben zu erhalten, wird es ermüdend. Wir haben 15 Jahre sehr intensiv zusammengearbeitet, haben zig Alben zusammen produziert. Irgendwann kamen wir an den Punkt, an dem wir zwar noch ein gemeinsames Studio hatten, uns dort aber überhaupt nicht mehr sahen. Das Studio wurde die ganze Zeit bezahlt, war vollständig ausgestattet, wurde aber nicht mehr genutzt, was natürlich ein irrer Zustand war. Es war so ein bisschen wie eine Beziehung, die sich auflöst, was man erst einmal gar nicht wahrhaben will. Man schleppt sich deshalb noch jahrelang durch, um dann doch zu entscheiden, dass man sich trennen sollte.“
Dass Roman Flügel so wie viele seiner Weggefährten von einst immer noch DJ ist, hätte er sich einst nicht träumen lassen. „Diese Musik musste erst mal beweisen, dass sie überhaupt so eine Geschichte haben kann“, gibt er zu bedenken. „Anfangs dachte man ja immer, das mit Techno hört nächstes Jahr wieder auf, weshalb ich noch lange zögerte, mein Studium aufzugeben. Doch es hörte trotz aller Ups und Downs nicht auf. Wenn man es als globales Phänomen betrachtet, wurde kein Trend noch mal so groß. Ich denke, man muss dies als Folge der Globalisierung betrachten. Es hat auch damit zu tun, dass man plötzlich günstig reisen konnte. Das Internet hat plötzlich Informationen weltweit verbreitet, und das so gut wie zeitgleich.“
Heute hat Flügel einen restlos ausgebuchten Terminkalender, reist quer um die Welt, bis nach Indien. Seine eigene Musik spielt er vergleichsweise selten. So wenig er im Studio in aller Regel die Tanzfläche im Blick hat, eine Verbindung zu Clubmusik haben all seine Platten. „Früher gab es neben der großen Tanzfläche im Club oft auch einen kleinen zweiten Raum, für Chill-out beispielsweise“, erklärt er. „In diesem Raum konnte man bizarre elektronische Tracks hören, während im anderen pumpender Techno lief. Für mich hat das immer zusammengehört. Daraus ist das entstanden, was ich heute mache.“
Viele aus der Frankfurter Technoszene sind inzwischen weggezogen, vor allem nach Berlin. Flügel ist immer noch da und schätzt als ständig reisender DJ nicht zuletzt die unvergleichlich guten Direktverbindungen in die Welt, die der dortige Flughafen bietet. Doch auch mit der sich erneuernden Szene ist er durchaus zufrieden. Es seien viele gute junge Leute nachgewachsen. Unterdessen hat die Stadt Frankfurt die Historizität dessen entdeckt, was in der Mainmetropole in den vergangenen drei Jahrzehnten passiert ist. Das erste Technomuseum Deutschlands befindet sich in der Planungsphase. Das passt in gewisser Weise ganz gut zur allgemeinen Situation in der elektronischen Musik, die sich in den vergangenen Jahren ihrer Geschichtlichkeit gewahr geworden ist. Roman Flügel findet diesen Aspekt bemerkenswert: „Diese Musik hat nicht so eine Klangeigenschaft wie eine Oldie-Platte aus den fünfziger oder sechziger Jahren, zum Beispiel Rockabilly oder Rock’n’Roll. Da hörst du, aus welcher Zeit die Platte kommt. Bei elektronischer Musik ist das heute wegen des verwendeten Instrumentariums und der Aufnahmemöglichkeiten gar nicht mehr gesagt. Irgendeine neue L.I.E.S.-Platte, die so verscherbelt klingt, kann genauso gut 1988 aufgenommen worden sein. Da lösen sich die Parameter auf. Eine 505 klingt nun mal wie eine 505. Eine Stratocaster-Gitarre kann jedoch wie 1982 oder auch wie 1974 klingen.“
Er selbst spielt kaum alte Platten aus seiner in Jahrzehnten gewachsenen Plattensammlung. Roman Flügel hat den alten Glauben daran, dass Techno Zukunftsmusik sei, verinnerlicht: „Ich schaue lieber nach vorne oder betrachte den Moment.“
Das Album All The Right Noises von Roman Flügel ist auf Dial erschienen.