Foto: Nadine Fraczkowski (Roman Flügel)

So viel es auch zu Roman Flügel zu sagen gäbe, am deutlichsten spricht doch die Musik des Produzenten für sich. Gemeinsam mit Jörn Elling Wuttke brach er unter Projektnamen wie Acid Jesus oder Alter Ego zum Techno-Bildersturm auf und zeigt sich seit fünf Jahren auf Solopfaden enorm produktiv. Erst nach einer rund zwanzig Jahre währenden Karriere debütierte der in Frankfurt lebende Flügel unter seinem Klarnamen im LP-Format: Mit Fatty Folders legte er den ersten Teil einer Albumtrilogie auf Dial vor, die nach seinem Zweitwerk Happiness Is Happening ihren – vorläufigen? – Abschluss mit sanften Tönen findet. So wie All The Right Noises weitestgehend auf Beats verzichtet, so bedeckt hält sich auch Roman Flügels Beitrag zum Groove-Podcast. Chicago ist mit Post-Rock statt mit House vertreten, sanft ge(kraut)rockt wird auch – “Chill-out statt Tanzbefehl”, nennt er das selbst.

Nach deiner Groove-Titelgeschichte ist dein Mix für unseren Podcast dein zweites zweites Mal: Im Sommer 2014 hast du bereits die Groove-CD gemixt. Dein neuer Mix klingt allerdings ganz anders. Was war deine Idee dahinter und wie hast du ihn aufgenommen?
Die Herangehensweise war schon deshalb eine andere, weil ich gebeten wurde ein Mixtape aufzunehmen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich früher Kassetten, und später auch CDs für Freunde aufgenommen habe. Dabei ging es nicht um einen kontinuierlichen DJ-Club-mix, sondern viel mehr um das kreieren einer unvergleichlichen Stimmung durch die geschickte Aneinanderreihung kompletter Songs. So auch hier. Mir ging es darum eine ruhige, fast meditative Stimmung aufkommen zu lassen. Chill-out statt Tanzbefehl, innehalten und genießen.

Du hast derzeit einen prall gefüllten Tourplan und ein Album zu promoten. Wie schaffst du es da überhaupt noch, dich intensiv mit neuer wie alter Musik auseinanderzusetzen?
Das ist ja eigentlich Alltag, und es gibt bei weitem Schlimmeres, als neue Musik zu entdecken. Mir macht es Spaß, neben dem zusammenstellen von DJ-Sets und der Beschäftigung mit Club-Musik, möglichst viel anderes zu hören, sei es elektronisch, akustisch, alt oder neu, unterhaltsam oder ernst. Bei meinen vielen Reisen im Flugzeug oder mit der Bahn habe ich immer Zeit, Musik neu – oder wiederzuentdecken.

Chicago Post-Rock von Tortoise, kosmischer Kraut von Tangerine Dream und viel Ambient von alten wie neuen Helden: Welche Rolle spielt diese Musik in deinem Leben, vor allem als Produzent? Auch dein neues Album All The Right Noises geht es ruhiger an.
Mich begeistert die Auseinandersetzung mit Klängen, die nicht automatisch zu Pop-Musik führen, sondern viel mehr Atmosphären schaffen. Es geht nicht darum, Refrains mitsummen zu können, sondern mit Hilfe von Sound die eigene Wahrnehmung zu erweitern. Meine eigene Musik kann das hoffentlich auch gelegentlich vermitteln. Ich komme ja ohne Text und Gesang aus, und muss somit auf einer klanglichen Ebene kommunizieren. Auf All The Right Noises gibt es tatsächlich einige Stücke, die keine offensichtliche Rhythmusstruktur haben, bei anderen ist der Schlagzeugpart merklich zurückgenommen. Das gibt der Musik dann ein wenig mehr Luft zum Atmen, und verändert den Fokus beim hören.

Mit All The Right Noises schließt du eine Trilogie ab, deren erster Teil 2011 mit Fatty Folders erschien. Was reizte dich an dieser triadischen Struktur beziehungsweise wie streng nimmst du das überhaupt? In unserer Titelgeschichte schließt du ein viertes Album nicht aus.
Ich sehe Fatty Folders, Happiness Is Happening und jetzt All The Right Noises tatsächlich als Trilogie. Mir war es wichtig, nicht zu lange zu warten, bis ein weiteres Album erscheint. Dabei verändert sich auch die Arbeitsweise, und ich hatte das Gefühl, für mich gewisse musikalische Grenzen zu verschieben. Die drei Alben haben mich freier, weniger ängstlich werden lassen. Jetzt habe ich den Eindruck, es ist Zeit, wieder etwas mehr Luft zu holen. An ein viertes Album, egal für wen, denke ich derzeit überhaupt nicht.

Neben All The Right Noises und der EP Die Verschiebung für Die Orakel hast du auch OFFs Klassiker “Electrica Salsa” aus dem Jahr 1986 geremixt. Michael Münzig und Sven Väth eröffneten das Omen, wo du maßgeblich sozialisiert wurdest. War es unter den Bedingungen nicht wahnsinnig schwierig, dem Track ein neues Gewand zu verpassen?
Es war der vielleicht schwierigste Remix überhaupt. Von der Übergabe der Originalparts bis zum fertigen Mix verging mehr als ein Jahr. Ich habe immer wieder neue Anläufe unternommen, und war bis zum endgültigen Durchbruch nie wirklich zufrieden. Das Original ist für mich in vielfacher Hinsicht ungeheuer wichtig, vor allem, weil es mein erster bewußter musikalischer Kontakt mit Sven war. Das Stück hat diesen verspielten, fast dadaistischen, irgendwie auch typische Väth’schen Irrwitz. Jahre später sind wir dann tatsächlich Freunde geworden, und an meinem 40. Geburtstag sind Sven, und alle anderen Gäste in meinem Wohnzimmer dann gemeinsam zu diesem Stück durchgedreht – ein unvergesslicher Moment, in dem für mich so viel kulminierte.

Last but not least: Wo können wir dich demnächst hinter den Decks erleben und was ist in Zukunft von dir als Produzent zu erwarten?
Bis zum Jahresende spiele ich noch nach Amsterdam, Brighton, Newcastle, Brüssel, London, Basel, Krakau, Offenbach, London, Nottingham, Manchester, Madrid, Valencia, Las Palmas, Shekhawati und Rotterdam. Im Studio arbeite ich gerade an einem Remix für die Tuff City Kids. Dann sehen wir weiter!


Stream: Roman FlügelGroove Podcast 79

01. Tortoise – Onions Wrapped In Rubber
02. Tangerine Dream – Sequent C
03. Windy & Carl – Venice
04. Fripp & Eno – Meissa
05. Tod Dockstader – Flight
06. Death In Vegas – Transwave
07. Aris Kindt – Snowbird
08. B.E.F. – Rise Of The East
09. It’s A Fine Line – Blinkar Reprise
10. John Roberts – Plum
11. The Black Dog – Disench

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Kristoffer Cornils war zwischen Herbst 2015 und Ende 2018 Online-Redakteur der GROOVE. Er betreut den wöchentlichen GROOVE Podcast sowie den monatlichen GROOVE Resident Podcast und schreibt die Kolumne konkrit.