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2. LFO Frequencies (Warp, 1991)

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Text: Gregor Wildermann | zur Übersicht der 50 besten elektronischen Alben
Erstmals erschienen in Groove 145 (November/Dezember 2013)

Musik, die keine Fragen aufwirft, läuft sehr wahrscheinlich im Supermarkt oder im Aufzug. Dabei lohnt es sich, in Abständen immer mal wieder zu fragen, warum eine ganz bestimmte Platte so wichtig bleibt. Im Fall von Frequencies erzeugte sie 1991 bei mir diese seltene Mischung aus Begeisterung und Verwunderung. Knapp 55 Minuten, die eher wie „2011“ klangen. Jetzt ist dieses Jahr auch schon Geschichte und ich frage mich selbst: Kam dieses Album viel zu früh? War es mir immer wegen einzelner Tracks so wichtig oder vielleicht einfach nur wegen einzelner Töne, Abfolgen und purer Ästhetik? So wie man einen Fußballclub wegen seiner Historie verehren kann, aber nicht unbedingt wegen seiner momentanen Spieler? Oder vielleicht gerade wegen einem einzigen Maradona oder Messi? Und was wäre LFO ohne „LFO“ gewesen?

Es gibt wohl nur wenige Tracks, welche die Krone der Revolution wirklich mit uneingeschränkter Berechtigung tragen. Dieses Monster aus Basstönen mit einer Orwellschen Düsterheit war etwas, mit dem man Eltern in Verwunderung und Nachbarn in den Wahnsinn treiben konnte. Oder umgekehrt. Nur das eigene Grinsen ging nicht aus dem Gesicht. Noch heute nicht. Aufgewachsen in Leeds, erreichten Mark Bell und Gez Varley damit im Juli 1990 Platz 12 der UK Top 40. Das bedeutete Auftritte bei Top of the Pops und NME-Cover, auf denen sie E-Gitarren zerschlugen. Dabei sah man schon, dass diese Bühne nicht ihr Ding war. Wie sollte das grelle Scheinwerferlicht zu dem Underground passen, den sie im gesprochenen Intro des Albums mit einem Schwur auf Kraftwerk und Detroit perfekt einleiteten? Und darin 1990 schon fragten: „What is House?“ Und es gibt noch mehr Spuren, die sich wie eine Karte, mit Geheimtinte geschrieben, im Licht der Zeit offenbaren. Da ist der Funk in den Tonabfolgen von „Mentok 1“, der Soul der Stimme in „You Have To Understand“ und der Humor im vierzehnten Track, der natürlich „Track 14“ heißt. Wer beide kennenlernte, konnte sich die beiden neben ihrer Rolle als Musiker auch als Autorenteam einer Comedyserie vorstellen. Gez Varley, der 1996 die Gruppe verlies, zeigte in seinen Minimaltracks, wie er sich die Jetzt-Zeit dann ausmalte. Mark Bell produzierte mit Björk oder Depeche Mode und ist eigentlich immer noch LFO. Waren Sie zu früh, zu gut, uns allen voraus? Mir ist die Antwort egal. Solange es noch Fragen gibt. Und diese Musik, die immer noch nach Morgen klingt.

 


Video: LFOLFO

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