burger
burger
burger

MOTHERBOARD Juli/August 2013

- Advertisement -
- Advertisement -

Aoki Takamasa auf Raster-Noton gab es schon mal, vor vier Jahren: Da war die Spannung zwischen seinem experimentellen Dancefloor und der minimalen Label-Ästhetik durchaus spürbar, und folglich groovte es an allen digitalen Ecken und Enden. Das Album RV8 macht an diesem Punkt weiter und überzeugt auf ganzer Linie – eine Platte, die harsche Sounds, repetitive Strukturen und Funk vereint und dabei so dynamisch wie ein DJ-Set wirkt. Zuweilen hakt es sich fest und wird ganz abstrakt, um der Musik dann wieder freien Lauf zu lassen. Den schmalen Grat zwischen Experiment und Vergnügen trifft auch Co Las Moody Coup (Software), wenngleich das dort ganz anders klingt: ein Sample-Feuerwerk aus Dub, Exotika, Sechziger-Girl-Groups und diversen gefundenen Klängen. Multi-Instrumentalist Matt Papich aus Baltimore treibt die Postmoderne auf die Spitze. Er fügt unzählige Fragmente – die Upsetters, die Supremes, der Klang eines Tennisballs – zu stolpernd-schlüssigen Rhythmen zusammen, und das hat oft etwas Entrücktes.

 


Stream: Aoki TakamasaRhythm Variation 05

 

Patric Catani – alias Candie Hank, Puppetmastaz-Mitglied und Fraktus-Produzent – formt aus den Essenzen diverser Genres ebenfalls ein brillantes Album. Egal ob Gabba, Grime, Bass Music oder Glitch: Blingsanity (Keep It Business) filtert Geschichte auf eigene Weise und erreicht einen selten gehörten Patt zwischen heiteren, nachdenklichen und düsteren Sounds. Spiralen der Erinnerung: The Streets im Radio hören und mitgerissen sein. Vielleicht muss Mike Skinner so alt werden wie David Cohn alias Serengeti, um weiterzumachen? Der ist Mitte Vierzig und setzt mit dem schnauzbärtigen Kenny Dennis eine Kunstfigur in die Welt, die den Gestus von Hip-Hop auf die Schippe nimmt. Seine Kenny Dennis-LP (Anticon) sprüht vor Ideen und Ironie, haut Shaquille O’Neal in die Pfanne („Shazam”), rockt, knistert und glänzt mit guten Samples. Mein Lieblingstrack hier: „Directions“. Ungleich seriöser klingen Serengetis schottische Labelkollegen Young Fathers, und sie wissen, wie man ergreifende Songs schreibt. „I Heard“, der geniale Opener ihrer LP Tape Two (Anticon), lässt nicht mehr los, sobald man ihn gehört hat: schlichte E-Percussion, dramatische Streicher und Vocals/Raps à la Curtis Mayfield und Tricky.

 


Download: Patric CataniHow I Roll

 

Wenn Pan American, das Projekt von Ex-Labradford Mark Nelson, neue Musik veröffentlicht, verheißt das einen Ausnahmezustand: Cloud Room, Glass Room (Kranky) beginnt mit einem ultralangsamen Stück, das alle Euphorie der Welt mit sich zu schleppen scheint, um dann weiter abzutauchen – zu schwelenden Gitarren, raumgreifenden Drum-Texturen (von Steve Hess, hier neu dabei) und diesem dröhnenden Feedback-Vakuum. Die Musik von Pan American nimmt sich Zeit, und das zu Recht.

 


Download: Pan AmericanProject For An Apartment Building

 

Wertvolle Wiederveröffentlichungen: Das Lebenswerk von Conrad Schnitzler umfasst unzählige Band- und Soloalben, und zwei davon können jetzt via Bureau B wiederentdeckt werden. Contempora und Conrad & Sohn, bei dem Vater Conrad und Sohn Gregor mit derselben launischen Technik – EMS Synthi A, Korg MS 10, Analog-Sequenzer und Drumbox – je eine Plattenseite bespielen. Man spürt unterschiedliche Auffassungen und Hörerfahrungen, aber eigentlich klingt es wie aus einem Guss. Keinen Deut an Glanz verloren hat auch Der Plan: Japlan – Der Plan in Japan und der Soundtrack zum Film Die letzte Rache (Bureau B) rollen die mittlere Schaffensphase für später Geborene neu auf, inklusive „Junger Mann”, „Gummitwist”, „Space Bob” und, na danke, „Alte Pizza”. Genauso legendär und von allerfeinstem Humor sind die Instrumentals zwischen den Hits. Ungefähr zur selben Zeit in Rumänien wurden die Lost Tapes von Rodion G.A. (Strut) aufgenommen. Trotz Ceaucescu: ein packender Mix aus Siebziger-Jahre-Elektronik, Progressive Rock, Lounge und Chiptunes ohne Computer. Mittendrin, von diversen Übersprechungen der Bandspule gezeichnet, „Zephyr” – die Blaupause für so manche spätere Electronica-Hymne. Bandchef Rodion Rosca hielt sämtliche Bänder versteckt, 34 Jahre lang. Mannomann. Willkommen zurück!

 


Download: Rodion G.A.In Linistea Noptii

In diesem Text

Weiterlesen

Features

A100 in Berlin: Nie wieder Autobahn

Berliner Clubs und Initiativen haben wieder gegen den Ausbau der A100 demonstriert – wir haben uns vor Ort umgehört.

Waking Life 2024: Der Schlüssel zum erholsamen Durchdrehen

Das Waking Life ist eine Anomalie in der Festival-Landschaft, was programmatischen Anspruch und Kommerzialität anbetrifft. Wir waren dabei.

Stimming auf dem Beethovenfest: „Mein Statement für die Gewaltenteilung”

Stimming setzte sich beim Beethovenfest für Demokratie ein und ließ 22 Leute gegen seine Synthesizer antreten. Was es damit auf sich hat, hat er uns im Interview verraten.