Kann es sein, dass sich Widerspenstigkeit doch lohnt, dass sich Qualität früher oder später durchsetzt? Das Amsterdamer Dekmantel-Kollektiv um Casper Tielrooij und Thomas Martojo hat es jedenfalls geschafft sich in fünf Jahren vom lokalen Underground-Partymacher zum überregionalen Großveranstalter zu mausern, ohne seine Wurzeln in Deep House und Detroit-Klassik je zu verleugnen. So fehlt auf der imposanten Gästeliste der Dekmantel-Partys kaum ein Protagonist aus den verschiedenen Generationen der Motorcity von Derrick May über Jeff Mills und Robert Hood bis Moodymann, Theo Parrish und Omar-S. Doch stehen dort von Beginn an ebenso viele junge und noch nicht so bekannte Produzenten, welche die in Detroit und New Jersey ausgelegten Traditionsfäden aufnehmen und ganz eigensinnig weiterspinnen, wie etwa Actress, San Soda oder Joy Orbison. Das hauseigene Label startete 2009 als Vinyl-Only-Plattform für die eigenwilligen Dubhouse-Entwürfe von Juju & Jordash, die den eher schmalen Katalog des Labels bislang klar dominieren.
Die Jubiläumskompilation mit exklusiven Tracks ändert dies, sie bildet die ganze stilistische Bandbreite der Dekmantel-Veranstaltungen ab. Mit dem Beschluss, in Zukunft auch digitale Vertriebswege zu nutzen, dürfte der House-Weltherrschaft von Dekmantel nichts mehr im Wege stehen. Aber keine Sorge, für Materialfetischisten wird es die Jubiläumskompilation ebenfalls in Form fünf farbiger Einzelvinyle geben, wie immer in das pastellig schicke typograpische Design von Orpheu de Jong verpackt.
Profunder als mit Juju & Jordash könnte der Trip nicht beginnen. „African Flower (Cosmic Dub)“ klimpert und pluckert bedächtig vor sich hin um nach halber Laufzeit verduzt innezuhalten und Richtung Outer Space abzuheben. Morphosis fügt dann eine ordentliche Portion dunkler Energie zu, ein wilder Ritt entlang einer strengen Orgellinie. Die Holländer Awanto 3 und Makam wie auch der britische Slowhousemeister Fudge Fingas hellen die Geschichte wieder auf, mit einem Abstecher in Gefilde discoider Wärme. So mäandert die Compilation zwischen der finster treibenden, aber dabei ungemein zwingenden Detroitophilie von Skudge, San Proper oder Redshape und den herrlichen Analog-Synthesizer-Schwelgereien von Lone, Hunee oder Hundred20, dem jüngsten Projekt von Motor City Drum Ensembles‘ Danilo Plessow und Felix Bergleiter. Hier hat sich ein interessantes und internationales Völkchen gleichgesinnter Freidenker versammelt, welche der tiefe Respekt vor den Altvorderen eint. Wenn eine für sich genommen ziemlich enge, fast schon versteinerte Tradition so kreativ und idiosynkratisch interpretiert und weitergeführt wird wie unter dem weiten „Dekmantel“, müssen wir uns um die Gegenwart und Zukunft von House und Techno nicht die geringsten Sorgen machen. So kann es weiter gehen.
Stream: Diverse – Dekmantel Anniversary Series