Fotos: all2gethernow.de
Die Einleitung von Jens Balzer, Redakteur der Berliner Zeitung und Moderator der Diskussionsrunde von Clubbetreibern und Politikern am Donnerstagabend, zeichnete ein dramatisches Bild der Lage, in der sich die Clubs der Hauptstadt befinden: „Die Zeiten sind schlecht für die Berliner Clubkultur“, sagte Balzer und zählte eine beeindruckende Reihe von Läden auf, die in den letzten Monaten schließen mussten oder akut in ihrer Existenz bedroht sind. Die Liste reichte von der Maria am Ostbahnhof über den Tape Club und die Prenzlauer-Berg-Institution Icon bis hin zum Wohnzimmerladen Klub der Republik, dessen Betreiber zeitgleich zur Gesprächsrunde am Potsdamer Platz mit einer Kunstperformance vor ihrem Laden die Clubszene symbolisch beerdigten. An der Fassade des KdR hängt seit einigen Tagen ein Banner mit einer abgewandelten – und laut Balzer „etwas melodramatischen“ – Weissagung der Cree-Indianer: „Erst wenn die letzte Eigentumswohnung gebaut, der letzte Klub abgerissen, der letzte Freiraum zerstört ist, werdet ihr feststellen, dass der Prenzlauer Berg die Kleinstadt geworden ist, aus der ihr mal geflohen seid.“
Ein Anzeichen dafür, dass die vielfältige Berliner Clublandschaft, die jährlich zigtausende Touristen in die Stadt zieht und auch vom offiziellen Stadtmarketing gerne als Alleinstellungsmerkmal benutzt wird, durch den rasanten Wandel der Metropole tatsächlich gefährdet ist, war die rege Beteiligung an der Diskussionsveranstaltung, zu der der Verein all2gethernow geladen hatte. Neben zahlreichen Clubbetreibern und Vertretern des Lobbyverbands Clubcommission erschienen zum #a2n_salon Vertreter aller im Abgeordnetenhaus des Stadtstaates vertretenen Parteien – mit Ausnahme der CDU. Kurzfristig absagen musste Björn Böhning, als Leiter der Berliner Senatskanzlei praktisch die rechte Hand von Bürgermeister Klaus Wowereit und zuständig für die Kulturpolitik der Stadtregierung. Den frischgebackenen Vater vertrat der Senatssprecher Richard Meng.
Es sind drei Hauptprobleme, die den Clubs zu schaffen machen und die Moderator Jens Balzer zu Beginn noch einmal zusammenfasste: Die Bedrohung durch Bauvorhaben, Lärmbeschwerden von Anwohnern und die Steuernachforderungen eines Berliner Finanzamtes, das einigen Clubs den Status als Kulturveranstalter und somit den Anspruch auf den ermässigten Mehrwertsteuersatz absprach. In der folgenden, teilweise turbulenten Diskussion stellte sich heraus, dass den Clubbetreibern vor allem die Kluft zwischen der Bedeutung ihrer Arbeit für die Stadt einerseits und der geringen Wertschätzung durch Politik und Behörden andererseits sauer aufstösst. „Die Politik hat einfach nicht begriffen, was die Clubkultur für die Außenwirkung Berlins bedeutet“, kritisierte etwa Ben de Biel (Bild links), Betreiber der Maria am Ostbahnhof, die zum Jahresbeginn ihre Türen schloss. Während Veranstaltungen wie die Fashion Week durch den Senat massiv gefördert würden, so Biehl, fehle die Unterstützung für die Clubszene und das Bewusstsein dafür, dass gerade Modemessen oder auch IT-Startup-Unternehmen auch wegen der vielfältigen Clubkultur in die Stadt kämen. Im Fall der Schließung der Maria habe er sich darüber geärgert, dass er keine Auskünfte von den Behörden über die Verhandlungen mit dem Investor, der das Gelände kaufen wollte, erhalten habe. Das Gebäude am Spreeufer, in dem sich die Maria befand, gehört dem Liegenschaftsfonds Berlin, einer landeseigenen Gesellschaft, die Immobilien im Staatsbesitz vermarktet. Der Mietvertrag für die Maria wurde zum Ende der vereinbarten Zwischennutzung gekündigt, weil ein Investor für das Gelände bereit stand. Damit habe er auch kein Problem gehabt, erklärte Biel. Nur habe er erst nach der Kündigung erfahren, dass die Neubaupläne vorerst nicht umgesetzt würden und er für eine weitere Zwischennutzung im Gebäude bleiben könne. Dieses Angebot habe er dankend abgelehnt. „Mit solchen Unsicherheiten zu planen, ist für einem Club von der Größenordnung der Maria völlig uninteressant“, sagte Biel.
Richard Meng (Bild unten, ganz links), der Vertreter des Senats und gleichzeitig der Regierungspartei SPD, begegnete dieser Kritik zuerst mit wohlwollenden Worten. „Jede Schließung ist ein Verlust“, so Meng. „Ganz klar ist, dass wir diesen Teil des jungen Berliner Lebens wollen und brauchen.“ Gleichzeitig gestand Meng aber ein, dass das Land beim Verkauf seiner Immobilien, in denen viele Clubs zur Zwischennutzung eingemietet sind, bisher ausschließlich auf den maximalen Profit aus war. In Zukunft würde aber auch die Stadtentwicklung als Ziel beim Immobilienverkauf mit einbezogen, versprach Meng. Dass die Clubkultur für die neue rot-schwarze Regierung wirklich wichtig sei, zeige sich dadurch, dass die Senatskanzlei das Thema an sich gezogen und sozusagen zur Chefsache gemacht habe, betonte Meng.
Nach Mengs Unterstützungsbekundungen wollten auch die Oppositionsverteter in der Runde nicht zurückstehen und schlugen sich demonstrativ auf die Seite der Clubbetreiber. Während sich Katrin Schmidberger, die grüne „Sprecherin für Clubkultur“ als Kämpferin gegen die Mediaspree-Pläne zu profilieren versuchte, erntete der Linken-Abgeordnete Klaus Lederer mit seiner Fundamentalkritik an der Kulturpolitik des Senats spöttische Zwischenrufe mit der Frage, warum seine Partei in den vergangenen zehn Jahren Regierungsbeteiligung nichts von ihren Positionen eingebracht hätte. Christopher Lauer von der Piratenpartei sorgte für allgemeine Erheiterung, als er bekannte, dass er das Positionspapier der Piraten zur Clubkultur noch gar nicht gelesen habe und deshalb nichts sagen könne. Der bestens vorbereitete Moderator Balzer konnte da weiterhelfen und reichte das ausgedruckte Papier an Lauer weiter, der den Rest des Abends mit eifrigem Lesen verbrachte.
Am Ende gab es dann tatsächlich doch noch konkrete Vorschläge, wie das Clubsterben in Berlin gestoppt werden könnte. Die Vertreter von Berlin Music Commission und Clubcommission setzten sich für die Einrichtung eines „Musikboards“ nach dem Vorbild des Medienboards Berlin-Brandenburg ein, einer unabhängigen Gesellschaft, die als zentraler Ansprechpartner für die Politik (und als möglicher Empfänger von Fördergeldern) dienen soll. Außerdem plant die Clubcommission die Einrichtung eines Notfallfonds, der in Bedrängung geratene Clubs finanziell unterstützen soll. Es gebe „genügend gut verdienende Leute, die gerne feiern gehen und in solch einen Fonds einzahlen würden“, meinte Clubcommission-Sprecher Lutz Leichsenring. Senatssprecher Meng kündigte an, die Regierung werde die Gründung eines Musikboards unterstützen. Sollte aus dem Projekt etwas werden, dann könne er sich gut vorstellen, dass dafür Gelder im Landeshaushalt bereitgestellt würden, „vielleicht schon im nächsten Jahr“.
Ob die wohlklingenden Lippenbekenntnisse der an diesem Abend vertretenen Politiker auch konkrete Veränderungen nach sich ziehen, bleibt abzuwarten.