Illustration: Vina Ćurčija. Text: Felix Hüther, Cristina Plett und Alexis Waltz

Trance-Revivals werden verkündet, seit Trance aus der Technoszene verschwand und zum Massenphänomen wurde. Oft meint Trance dabei nicht mehr als tendenziell kitschige, stehende Melodiefiguren, die die Tänzer in einen individuellen, nach innen gerichteten Film einschließen. 2016 war das Genre im Techno aber wieder auf eine ganz konkrete Weise präsent: Zum einen gruben DJs ihre persönlichen Trance-Favoriten aus, wie etwa Nina Kraviz (Yves Deruyter – „Back To Earth“), Eats Everything (Three Drives On A Vinyl – „Greece 2000“) oder Marcel Dettmann (The Mackenzie – „Higher The Sky“). Zum anderen wurde der Trance-Sound der Neunziger zum ersten Mal zur direkteren Inspiration für junge Produzenten. Vor allem Konstantin Sibolds „Mutter“ war in aller Munde, die Groove-LeserInnen wählten das Stück zum Track des Jahres.

„Mutter“ nimmt die multidimensionalen Trance-Gebilde von Sven Väths Label Harthouse auf und bettet sie in einen zeitgenössischen Rave-Kontext ein. Ryan James Ford, SHDW & Obscure Shape, Monoloc oder Recondite orientieren sich nicht an direkten Vorbildern, sondern lieben es, eine ganze Reihe von Melodiefiguren ineinander zu verschachteln. Dieser emotionale, poppige Technosound ist durchaus ein Statement, weil er der reduzierten, loopigen, aus den Grooves entwickelten Technoästhetik eine ziemlich drastische Absage erteilt. So wie bei Acid Pauli („Nana“) operiert der neue Trance-Sound im Afterhour-Kontext, bei Blind Observatory klingt er detroitig. Das anonym veröffentlichte „Loving (O.C. Edit)“ verbindet eine hyperkitschige Gelöstheit mit einer irren, psychedelischen Note.

Im Housebereich hingegen verfolgen eine ganze Reihe von Künstlern schon länger einen trancigen Ansatz, der oft mit einer Affinität zu Vocals verbunden ist. Dixon erklärte bereits 2013 etwas ironisch, er spiele Trance. „Still better than Emo House“, kommentierte damals ein Social-Media-User. Eine Vorliebe für stehende, entkoppelte Melodien zieht sich durch viele Innervisions-Releases. Aber hey, wer will da Böses denken? Schließlich sagt auch Papa Väth, er habe nie aufgehört, Trance zu spielen.

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