Ohne viel dekoratives Blattwerk ragt der zerfurchte Stamm eines Baums in die Höhe. Die Wurzeln, die aus der spärlich bewachsenen Erde brechen, erzählen von ihrem eigenen Anfang. Die Sprache des Covers ist unmissverständlich. Shed war ja schon bei seinen letzten 12-Inch-Releases maßgeblich an der Auseinandersetzung mit dem Woher interessiert, diesem seltsam leuchtenden Ursprung, von dem aus Techno sich einst entschloss, die rußverschmierten Schornsteine Motorcitys nach oben zu kriechen. Entsprechend dreckig und roh erscheint dann auch erst mal die Soundästhetik dieses Albums, das sich zu keiner Sekunde damit abgeben will, nur ganz gut auf dem Dancefloor zu funktionieren. Shed reflektiert stattdessen die Parameter zwischen Detroit und Basic Channel, diesen Maschinenraum-Klang zwischen warmem Rauschen und tiefgründig hallender Bassdrum, dessen dunkle Faszination auch heute noch für so viele ein Lebensgefühl ist. „True Techno Music“, sagt die Stimme aus dem Archiv. Da ist was dran. Ich mag aber vor allem diesen Experimentierwillen, mit dem Shed an sein Album herangeht und mit dem er Techno zerlegt und abstrahiert, immer mit Interesse an den einzelnen Sounds und ihrer Wirkung. Entsprechend introvertiert und komplex gestalten sich diese Tracks, die allesamt einen raschen und oberflächlichen Zugang verweigern. Was sich jedoch im ersten Moment als abweisend und schroff gebärdet, ordnet sich nach und nach zum Puls eines urbanen Organismus, der um seine Vergangenheit weiß, ohne sich zu wiederholen. Nur wer sich die Zeit nimmt zuzuhören, dem entfaltet er seine ihm eigene, zerbrechliche Schönheit.
SHED Shedding The Past (Ostgut Ton)
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